Erlangen, 24. März 1871.
Lieber Manuel!
Das Paket Briefe habe ich mit Dank empfangen und durchgesehen. Die liebe Mutter hat, wie es scheint, nichts vernichtet, aber bereits eine Auswahl von solchen getroffen, welche sie zur Aufbewahrung bestimmte. Die anderen möchte ich selbst am liebsten der Vernichtung übergeben, damit sie nicht dereinst in unrechte Hände kommen; doch werde ich dies natürlich nicht ohne Deine Zustimmung thun. Alles was sich für die Öffentlichkeit eignete, finde ich bereits im Abdruck der Vermischten Schriften oder in der Biographie, wobei ich nur zu bedauern habe, daß der Abdruck so häufig incorrect ist oder die originale Färbung unnöthig verwischt hat. Bei einer neuen Ausgabe ist darum Alles noch einmal abzuschreiben. Auch meine Intention war zuerst, nur das noch Ungedruckte herauszugeben; allein ich finde, daß dasjenige was ich davon habe, einige Briefe an Schelling und einige an Windischmann, für sich nicht genügt und auch wenig bedeutend ist. Ich rechnete noch auf Anderes. Ich hoffte, die Briefe aus Paulus‘ Nachlaß zu bekommen, welche | der Besitzer derselben, Professor von
Reichlin-Meldegg in seinem Buch über Paulus‘ Leben nur unvollständig hat abdrucken lassen; allein auf zweimaliges Ansuchen hat der Genannte sie mir aus offenbar nichtigem Vorwand verweigert, und ich bin geneigt zu glauben, daß er selbst sie nicht mehr besitzt, sondern verkauft hat. Ebenso ist das Schicksal des Creuzer’schen Nachlasses gewesen. Man müßte diese Briefe in den Autographensammlungen aufsuchen. An Reichsrath von Niethammer habe ich zwei Mal geschrieben, nachdem ich in München erfahren, daß er die Briefe unseres Vaters noch besitzt und anderen gezeigt hat, und erwarte immer noch vergebens irgend eine Antwort!
NB Soeben erhalte ich einen Brief von Niethammer, worin er schreibt, daß er in München vergeblich nach Briefen unseres Vaters gesucht habe, doch befinde sich ein Theil seines väterlichen Nachlasses in Menghofen.
Der plötzliche Tod meines alten Jugendfreundes Gervinus ist mir sehr nahe gegangen. Unsere Wege haben sich zwar in den letzten Jahren völlig getrennt, so sehr, daß eine Verständigung unmöglich gewesen wäre; allein ich habe ihm darum doch meine alte Freundschaft bewahrt und traf auch bei ihm, wie bei seiner, mir gleich einer Schwester nahe stehenden Frau dieselbe unveränderte Gesinnung, als ich sie zuletzt vor zwei Jahren in Heidelberg besuchte. Von seiner unbegreiflichen politischen Verstimmung über die Entwicklung der deutschen Dinge seit 1866 haben seine Auslassungen in der Vorrede | zur neuen Ausgabe seiner Literaturgeschichte Kunde gegeben, welche vielfach in den Zeitungen besprochen worden ist.
Der ebenso unerwartete Todesfall Deines Schwagers Trinkler hat auch unsere herzliche Theilnahme für die Hinterbliebenen erweckt. Näheres über deren künftige Lage hat uns der lieben Clara Brief mitgetheilt, was zur Beruhigung gereicht. Die Vormundschaft der Knaben legt Dir neue, hoffentlich nicht drückende Verpflichtungen auf.
Mit dem Befinden unseres lieben Vaters in Nürnberg geht es nicht schlechter, vielmehr ist der Zustand erträglicher geworden, weil die quälende Unruhe und Schlaflosigkeit abgenommen hat, nachdem durch die angewendeten Mittel die Anschwellungen durch Wasserbildung am Leibe und den Füßen vermindert worden sind, so daß Hoffnung vorhanden ist, den lieben Patienten noch länger hinzufristen. Das eigentliche Übel, eine Verfettung des Herzens, welche die Bluterzeugung lähmt und die Ernährung stört, ist leider unheilbar. Der liebe Vater genießt in den jetzigen schönen Frühlingstagen oft stundenlang die frische Luft auf dem Balcon des Hauses; seine Stimmung ist mild und geduldig; er hofft immer auf Besserung und scheint das Ende nicht für nahe zu halten. Der Sohn Friedrich steht noch draußen im Felde im Cantonnement unweit Paris, wenig entfernt von dem früheren Standort in Chatenny auf der Südseite. Leider verzögert | sich der Rückmarsch der Truppen durch die neue Revolution in Paris, deren Ausgang noch zweifelhaft ist; doch hat sie offenbar große Scheu mit den deutschen Truppen anzubinden, und wir können dem Spektakel mit Gemüthsruhe zusehen.
Meine Susanna hat vor acht Tagen einen kurzen Ausflug nach Friedrichsdorf unternommen, um unsere Tochter Marie von dort abzuholen, und nun ist für kurze Zeit unsere Familie wieder vollständig geworden, bis in der kommenden Woche Luischen uns verläßt, welche von ihrer Pathe und Tante Luise eine Einladung auf München erhalten hat, um diese im Hause und bei den Kindern zu unterstützen: so ist auf deren längere Abwesenheit zu rechnen; natürlich ist sie selbst sehr erfreut über diesen Wechsel. Auch unsere Anna gedenke ich im nächsten Monat oder im Mai fortzuschicken, um eine Kur sei es in Cannstadt in einer dortigen Anstalt, sei es in Kreuznach zu gebrauchen. Ich selbst möchte, wie ich schon schrieb, zum Einzug der Truppen nach Berlin kommen, in der Hoffnung, daß zu derselben Zeit auch das Standbild unseres Vaters werde enthüllt werden. Nun aber wird sich der Einzug wohl noch über den Anfang Mai hinaus verzögern und ich werde mich schwerer aus den begonnenen Vorlesungen und der Mitte der Rectoratsgeschäfte losreißen, jedenfalls nur auf wenige Tage. Gegenwärtig hätte ich neben dem herrlichen Wetter auch die freieste Zeit.
Mit herzlicher Freude haben wir die ehrenvolle Auszeichnung Willis durch den Ordensschmuck des eisernen |
Kreuzes erfahren; wohl kann er stolz darauf sein und darin einen neuen Sporn finden, sich auch weiter künftig zu beweisen im Dienste des Vaterlandes, wie in den Waffen des Kriegs, so auch in den Künsten und Werken des Friedens. Marie und Susannens herzliche Grüße an die liebe Klara und Eure Kinder
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
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Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Schelling, Friedrich Wilhelm JosephFriedrich Wilhelm Joseph Schelling11860705717751854 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1775–1854), im württembergischen Leonberg geborener Philosoph, außerordentlicher Professor an der Universität Jena von 1798 bis 1803, ordentlicher Professor an den Universitäten Würzburg von 1803 bis 1806, München von 1827 bis 1841 und Berlin von 1841 bis 1846 als zweiter Nachfolger Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770–1831). Er war Vater Paul Heinrich Joseph Schellings (1813–1889) und Clara Schellings (1818–1857), verh. Waitz.
Windischmann, Karl Joseph Hieronymus10070333X17751839Windischmann, Karl Joseph Hieronymus (1775–1839), in Mainz geborener Philosoph und Arzt, der sein in Mainz begonnenes Studium ab 1794 an der Universität Würzburg um das Fach Medizin erweiterte und 1796 in Mainz promoviert wurde. Nach praktischer Tätigkeit in Mainz und Aschaffenburg wurde er 1803 am dortigen Lyzeum Professor für Philosophie und Universalgeschichte. Im Jahre 1818 wurde er an die neu gegründete Universität Bonn berufen, um Philosophie und Geschichte einerseits, Medizingeschichte und Pathologie andererseits zu lehren.
Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob11536836117611851Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob (1761–1851), in Leonberg geborener evangelischer Theologe, der nach seinem Studium der Theologie und Philosophie an der Universität Tübingen 1789 Professor der orientalischen Sprachen an der Universität Jena und dort von 1793 bis 1803 ordentlicher Professor für Theologie war, dann an der Universität Würzburg. Nach Schul- und Kirchenverwaltungsaufgaben in Bamberg, Nürnberg und Ansbach wurde er 1811 Geheimer Kirchenrat und Professor an der Universität Heidelberg.
Reichlin-Meldegg, Karl Alexander Maria11926133218011877Reichlin-Meldegg, Karl Alexander Maria (1801–1877), in Grafenau geborener Philosoph und Theologe, der nach seinem Studium an der Universität Freiburg im Breisgau dort 1830 ordentlicher Professor für Kirchengeschichte wurde. 1832 konvertierte der katholische Priester zum Protestantismus und wechselte in die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg, wo er 1840 Ordinarius für Philosophie wurde.
Creuzer, Georg Friedrich118677330 11867733017711858Creuzer, Georg Friedrich (1771–1858), in Marburg an der Lahn geborener Philologe und Altertumswissenschaftler, der ab 1789 Theologie, Philologie und Philosophie an den Universitäten Marburg und Jena studierte und sich im Jahre 1799 in Marburg für Alte Geschichte sowie griechische und lateinische Philologie habilitierte. Dort wurde er 1800 außerordentlicher und 1802 ordentlicher Professor, als welcher er 1804 an die Universität Heidelberg wechselte und dort blieb.
Hegel, Georg Wilhelm FriedrichGeorg Wilhelm Friedrich Hegel https://www.deutsche-biographie.de/sfz28648.html#ndbcontent11854773917701831 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770–1831), Philosoph, Ehemann Maria Helena Susanna Hegels, geb. Tucher (1791–1855), Vater Karl und Immanuel Hegels , von 1808 bis 1816 Gymnasialrektor und Schulrat in Nürnberg, ordentlicher Universitätsprofessor für Philosophie von 1816 bis 1818 an der Universität Heidelberg und von 1818 bis 1831 an der Universität Berlin.
Gervinus (Gervin), Georg Gottfried jun.Georg Gottfried Gervinus11853891818051871Gervinus, Georg Gottfried jun. (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker, Sohn von Georg Gottfried Gervinus sen. (1765–1837) und seiner Ehefrau Anna Maria Magdalena Gervinus, geb. Schwarz (1772–1837). Er war Ehemann von Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), 1835/1836 Professor der Geschichte und Literatur an der Universität Heidelberg, 1836/1837 an der Universität Göttingen (einer der „Göttinger Sieben“), 1844 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.
Gervinus, Victorie, geb. Schelver
Victorie Gervinus, geb. Schelver11659528018201893Gervinus, Victorie, geb. Schelver (1820–1893), war Musikwissenschaftlerin, Tochter des Mediziners, Botanikers und Naturphilosophen Franz Josef Schelver (1778–1832) und Ehefrau Georg Gottfried Gervinus’ jun. (1805–1871).
Trinkler, Friedrich Theodor12069505718061871Trinkler, Friedrich Theodor (1806–1871), in Wernigerode geborener Ehemann Auguste Flottwells (1816–1844), der ältesten Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) aus dessen zweiter Ehe mit Auguste Schultz, geb. Lüdecke (1794–1862). Er war nach seinem Studium an der Universität Berlin und Tätigkeiten an Berliner Schulen von 1834 bis 1843 als promovierter Gymnasiallehrer Mitglied des Lehrerkollegiums des 1834 in Posen gegründeten Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums gewesen, wurde 1836 Oberlehrer und 1842 Professor. Ab 1843 war er – zuständig für die Realschulen – Regierungs- und Schulrat im Provinzial-Schul-Kollegium und in der Regierung zu Magdeburg und starb als Geheimer Regierungsrat.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Tucher, Friedrich Wilhelm Sigmund Friedrich Wilhelm Sigmund Tucher116153730918461924Tucher, Friedrich Wilhelm Sigmund (1846–1924), Sohn Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), jüngster Bruder Susanna Maria Hegels (1826–1878), Taufpate Gottlieb Friedrich Hegels (1867–1874), 1867 Forsteleve in Aschaffenburg, Ehemann Auguste Marianna Tuchers, geb. Stramer (1857–1887), nach deren Tod ab 1888 Maria Margarethe Charlotte Tuchers, geb. Anns (1852–1917).
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Menghofen (Menkhofen)48.7198958,12.4406271In der Nähe von Schloß Tunzenberg (Dunzenberg) gelegene Gemeinde Mengkofen, etwa 20 Kilometer südwestlich von Straubing entfernt.
Heidelberg49.4093582,8.694724Alte Universitätsstadt am Neckar, seit 1803 zum Großherzog Baden gehörend und mit Eisenbahnanschluß seit 1840. Circa 90 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegen, war die Stadt mit ihrer malerischen Schloßruine einer der Hauptorte der Romantik.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Paris48.8588897,2.3200410217200766An der Seine gelegene Hauptstadt des Kaiserreichs Frankreich.
Châtenoy-en-Bresse46.7913701,4.9137014Etwa 80 Kilometer südlich von Paris gelegene Gemeinde.
Friedrichsdorf50.2556672,8.6511395Etwa 18 Kilometer nördlich von Frankfurt am Main und fünf Kilometer nordöstlich von Homburg vor der Höhe am Südosthang des Taunus gelegener Ort, der infolge der Vertreibung der Hugenotten aus Frankreich im Jahre 1687 mit Erlaubnis des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Homburg (1633-1708) von Hugenotten gegründet wurde.
Cannstadt (Cannstatt)48.8048828,9.2146797Etwa 5 Kilometer nordöstlich von Stuttgart am Neckar gelegen, entwickelte sich der Ort seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und ab 1806 im Königreich Württemberg zu einem bedeutenden Kur- und Erholungsort.
Kreuznach49.8431642,7.8657658Etwa 40 Kilometer südwestlich von Mainz gelegenes Kur- und Heilbad an der Nahe, das im Jahre 1815 an die spätere Rheinprovinz des Königreichs Preußen fiel.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Eisernes KreuzIm Jahre 1813 in Breslau während der Befreiungskriege vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) gestiftete Kriegsauszeichnung. Die Stiftung wiederholte der preußische König Wilhelm I. (1797-1888) zu Beginn des Preußisch-Französischen Krieges im Jahre 1870.