Sehr erfreut haben mich Deine Briefe1 und guten Nachrichten. Du bist glücklich in Kreuznach angekommen und gut untergekommen2, hast liebe Gesellschaft im Hause, einen vertrauenswürdigen Arzt usw. gefunden – doch auch schlechtes Wetter, wie überall. Was für ein Sommer! gestern fürchterlicher Regen, wie alle Tage vorher, heute kalt 7–9º den Tag über: von unserer Verandah konnten wir kaum Gebrauch machen die ganze Zeit her. Solches Wetter ist für Deine Badekur wenig günstig, hindert das Spaziergehen oder wenigstens das sitzende Verweilen im Freien. Womit bringst Du den ganzen lieben Tag hin? hast Du gute Bücher, aus denen Du Gewinn für Geist und Herz ziehst? nur keine schlechten Romane, welche bloß die Phantasie erhitzen und eine moralische Ermüdung, wenn nicht Schlimmeres zurücklassen. Du mußt lesen um zu lernen; nur das Lernen hält den Geist frisch und gesund, gleichwie das Lehren; immer weiter mußt Du streben, sonst ist das Leben mit allen seinen Genüssen bald öde und leer, alt und langweilig. Schade, daß Du kein Clavier hast! es würde Dir zu trüben Tagesstunden besonders viel Genuß und Abwechslung gewähren. O! könntest Du wie ich alle Tage nur ein, zwei stundt von Bach spielen! Ich bin noch bei den französischen Suiten: welche reizende Sachen und immer überraschend neu! Eine Allemande in G Dur möchte ich Dir schicken; sie ist entzückend klar, einfach ruhig und lieblich.
Du schreibst, daß das Baden Dich nicht angreift: um so besser! es soll Dich ja nicht elend machen; hüte Dich es zu erzwingen. Eine halbe Stunde ist fürchterlich lang! Du schreibst nichts von …3 – dummes französisches Wort! sagen wir Einspritzungen: Du gebrauchst sie doch für die inneren Gehörgänge? oder sonst etwas, das unmittelbar auf dise Organe einwirkt? Bei Deiner übrigen Lebensweise, so weit sie sich aus der Wochenrechnung ergiebt, ist mir allein das ewige Theetrinken des Abends bedenklich: dises elende chinesische Getränk nährt nicht, liebes Kind, regt die Nerven auf und erschlafft sie, entfärbt Deine frischen Wangen. Kannst Du es durchaus nicht lassen, so wechsele wenigstens öfter mit anderem ab z. B. cotelettes, sagen wir lieber Fleischstücke von Kalb, Hammel, Rind! oder Du wirst doch nicht etwa aus Sparsamkeit den verwünschten Thee vorziehen? der Gedanke empört mich, wenngleich die Absicht edel wäre. Aber Du bist Deiner Gesundheit wegen dort und sollst Dich jetzt am wenigsten bei der Kur kasteien. Ich finde, Du giebst außer dem Mittag zu wenig für Essen aus. Schreibe, wie viel Geld Du noch hast; in der ersten Juliwoche schicke ich Dir wieder.
Diese nächste Woche wird für uns ungewöhnlich lebhaft werden. Am Mittwoch den 5. Juli Soll unser Bataillon zurückkommen. Wie lange beschäftigen wir uns schon mit den Empfangsfeierlichkeiten! Es wird nicht an Ehrenjungfrauen in weiß und blau – 12 an der Zahl – fehlen; ebensowenig an Ehrenmüttern. Mim sollte eine von jenen, Mama eine von diesen sein – wegen der Trauer4 haben wir abgelehnt. Ich werde als Prorector neben den 4 Decanen und Prokanzler in Talaren erscheinen. Auf dem Marktplatz ist der festliche Empfang. Leider kommen sie, wie wir eben hören, Nachts zwischen 2 und 3 Uhr, da werden sie wohl erst in Quartieren schlafen, ehe sie sich feierlich begrüßen lassen. Abends gibt es dann Volksfest an den Kellern und beim Schießhause mit sehr viel Biertrinken, Musik, Reden, Feuerwerk.
Von Studentenfesten kam nur die Rathsberger Kirchweih vor, zu der wir nicht hingegangen sind, obwohl das Wetter schön und wir geladen waren. Ich habe als Prorector viel Verdruß mit den Corps, beständig Untersuchungen wegen Duell, Schlägerei etc. und auch sonst viel zu thun.5
Heute Abend erwarten wir Mama aus Nürnberg zurück. Gottlob geht es dort besser mit Sophie, wenigstens ist Hoffnung, und Max ist auch von den Masern, an denen die Kinder mit ihm erkrankt waren, wieder aufgestanden. Wahrscheinlich bekommen wir diese nun sicher zu uns; es wäre wenigstens ein Wunder, wenn Mama sie zu uns nicht einschleppte! Gut, daß wir darauf gefaßt sind; um so mehr werden wir uns freuen, wenn wir verschont bleiben.
Am 27. Juni Morgens. Mama ist gestern Abend angekommen. Mit Sophie geht es hoffnungsvoll, sie bekommt aber noch täglich 3 kalte Bäder, in zwei Wochen hat sie nicht weniger als 76 bekommen! sie ist fürchterlich herunter. Caroline aus Ingolstadt hat gestern Deine Mama in Nürnberg abgelöst und wird 8 Tage bleiben. Marie aus Schweinfurt darf nicht kommen, weil der Mann es nicht erlaubt nach dem Grundsatz: Jeder ist sich selbst der nächste! Heute morgen, wie gewöhnlich, Regen, Wind und Kälte (6 Grad). Wie bekommt Dir das Wetter? – Schreibe nur doch gleich wieder und warte nicht erst auf Mama’s Brief, der in einigen Tagen nachkommen soll. Einstweilen läßt sie herzlich grüßen. Die Kinder sind wohl: Mundel ist vor einigen Tagen beim Essen kopfheister mit dem Johan Nuhl6 umgefallen. Gottlieb, sonst Muschi Puschi, heult regelmäßig des Morgens wenn er gekämmt wird und noch während er die Treppe hinuntergeht, Sophiechen spielt eben ihre bekannten Clavierstückchen, Marie ist heiterer als sonst und spricht mehr etc. Lebe wohl, meine liebe Tochter, und sei vergnügt und strebsam nach vorwärts!