Ich schicke Dir die Traueranzeige vom Tode unserer lieben Schwester Sophie nach einem langen schmerzlichen Krankenlager, welches Anfang Juni wenige Tage vor dem Hinscheiden unseres theuren Vaters begann. So schnell ist sie dem bejahrten Greise gefolgt, sie die Frische und Lebensmuthige! Aber lang hat sie doch den Kampf der Natur bestanden, und wir gaben uns vor 8 Tagen noch der getrosten Hoffnung hin, daß sie darin überwinden werde; denn der eigentliche Typhus schien gehoben; da trat vor wenigen Tagen plötzlich eine neue Verschlimmerung ein und so unterlag sie endlich gestern früh. Sie war in der letzten Zeit bei vollem und klarem Bewußtsein und sah ergeben und gefaßt ihrem Ende entgegen, nahm Abschied von ihrem Manne und von der Mutter, die immer um sie war, nicht von den Kindern, wohl um sich und ihnen den bittersten Schmerz, den sie doch nicht verstehen konnten, zu ersparen.
Meine Frau war viel in Nürnberg hauptsächlich um der Mutter willen, welche die beständige Sorge und stündliche Angst um das theure Leben ihres Kindes aufzureiben drohte und welche diese Last nicht theilen konnte mit den beiden Schwiegereltern von Sophie, die in dieser Zeit wegen des bedenklichen Gesundheitszustandes des Vaters Crailsheim auf dem Lande zubrachten. Erst gestern sind diese angekommen, und noch Andere werden sich bis morgen zur Beerdigung einfinden. Unter diesen auch Onkel Gottlieb, der, nachdem er mit seiner Frau eine mehrwöchige Kur in Reichenhall gebraucht, eben im Begriff ist mit der Familie Harsdorf Simmelsdorf zu beziehen, wo auch die Familie Mangelsdorf erwartet wird. Ich denke dabei an Willi, wie es erfreulich für ihn wäre, diesen ganzen lieben Verwandtenkreis an dem heiteren Ort beisammen zu finden. Betrübt freilich sind sie Alle durch einen anderen Verlust, der sie noch näher angeht! – Du wirst vielleicht die Trauernachricht über Berlin nachgesendet erhalten haben – unser Vetter Hermann ist am 25. Juli in Madeira gestorben in dem Moment, als er von Sehnsucht nach der Heimat gezogen, die für ihn so bedenkliche Rückreise antreten wollte!
So kommt ein Trauerfall zu dem andern in der Tucher’schen Familie.
Wie sich die Verhältnisse hier und in Nürnberg in den nächsten Wochen sonst gestalten werden, darüber kann ich noch Folgendes, besonders mit Rücksicht auf Willi sagen. Die gute Mutter am meisten bedarf dringend der Erholung. Sie wird in der nächsten Woche, wie es schon früher ihre Absicht war, sich mit der Familie Löffelholz vereinigen, die mit unserem Luischen bereits vorausgegangen ist ins bairische Gebirg nach Kohlgrub unweit Oberammergau, wo jetzt wieder das Passionsspiel gehalten wird.1 Grundherrs, Friedrich und Lina, werden sie dorthin bringen. In Kohlgrub ist ein eben erst aufkommendes Stahlbad, welches Frau Luise Löffelholz gebraucht und unsere Luise macht sich dort wie bisher nützlich im Hauswesen und bei den Kindern, wird vielleicht auch später nicht sobald entbehrt werden können. Unsere Anna ist in Bonn und wird dort theilnehmen, und zwar activ, an der großen Beethovenfeier, die vom 20. – 24. August abgehalten werden soll.2 Sie freut sich auf die Bekanntschaft der großen Künstler und Künstlerinnen, welche dazu erwartet werden. Schwerlich werden wir sie vor Ende August oder Anfang September erwarten können. Wir selbst, d. h. Susanna und ich, gedenken am Dinstag, den 15. August, nach Berchtesgaden abzureisen und dort einige Wochen auszuruhen. Auch meine Frau braucht eine Erholung und ich selbst bin wenigstens abgestumpft und unlustig nach Schluß des Semesters die Arbeit fortzusetzen. Unsere dritte Tochter Marie muß so gut es eben geht, den Haushalt für die Geschwister führen.
Dir und den Deinen wird es in dem schönen stillen Land- und Badeaufenthalt hoffentlich immerfort wohl ergangen sein. Das Wetter war ja in der letzten Zeit meist schön und warm, wie man es sich nur wünschen mag. Grüße sie Alle recht herzlich von uns und gieb mir wieder Nachricht nach Berchtesgaden auf der Post (poste restante3 wenn Du willst).