Deine lieben Briefe, für welche ich Dir herzlich danke, haben uns sehr schmerzliche Trauernachrichten gebracht, zuerst von dem freilich schon längst befürchteten Hinscheiden des armen Herrmann Tucher, der in weiter, weiter Ferne von den Seinen, ohne noch einmal in ihr Auge blicken und ihre Hände drücken zu können, ein hinsiechendes Leben beschließen mußte: es ergreift uns dies Bild sehnsuchtsvoller Wehmuth, welches jedoch durch die Ueberzeugung eines seligen Eingangs in die Hütten des Friedens seine volle Versöhnung findet. Schwerer ist der nach langem Kampfe der Natur zur Herrschaft hindurch gedrungene Tode der lebenskräftigen Sophie Crailsheim menschlich zu überwinden, welche aus einer glücklichen Ehe und zahlreicher Kinderschaar und allseitig befriedigenden Verhältnissen entrissen worden. Der Glaube hat auch hier seine segnende und heilbringende Kraft bewährt und wird sie ferner beweisen; aber es ist doch für das verwaiste Haus eine recht schwere Heimsuchung, und mit tiefster Theilnahme möchten wir der lieben alten Tante Marie gedenken, deren treues Mutterherz nun auch durch diesen schmerzlichen Verlust belastet worden ist. Wenn Du ihr schreibst, spreche ihr auch mein und unser Aller innigstes | Mitgefühl aus; ich unterlasse es für jetzt unmittelbar an sie zu schreiben, da sie zu ihrer Erholung im Gebirge verweilt, und ich auch nicht weiß, ob und in welcher Weise es ihr Bedürfnis und wohlthuend sein möchte, noch besondere Beweise der Theilnahme zu empfangen. Ich nehme an, daß sie auch mit dem Leben in ihrem Herzen abgeschlossen hat und dem Tage entgegenschaut, welcher sie mit den vorangegangenen Lieben vereinigen wird, wenn sie auch nie aufhören wird, die Ihrigen, welche sie umgeben, mit mütterlicher Fürsorge zu umfassen und sich an ihnen herzlich zu erfreuen.
Deinen ersten Brief nach Johannisbad würde ich schon früher beantwortet haben, wenn ich im Stande gewesen wäre, Dir von meinem Willi und seinen viel besprochenen Reiseplänen Nachricht zu geben. Ich habe aber den in Johannisbad noch erwarteten Brief von ihm dort nicht mehr empfangen; ich kann mir dies nicht erklären und muß nun hoffen, bei meiner Rückkehr in Berlin über ihn Kunde zu erhalten. Die Vorlesungen in Göttingen werden am 12ten dieses Monats geschlossen worden sein; seine Germania wollte an diesem Tage auch ihr Stiftungsfest feiern. Der Abschied von Göttingen, wo er sich sehr glücklich gefühlt hat, wird ihm Schmerzen bereitet haben; auch mag er nach Deinen Mittheilungen über die Verwandten in Bayern unschlüssig gewesen sein, wohin er seine Wanderung richten solle. Zunächst wollte er jedenfalls einen Besuch in Arolsen beim Onkel Adalbert machen, und dahin habe ich jetzt auch mit einer Sendung von Reisegeld geschrieben, | indem ich ihm vorschlug, die Tuchersche Familie in Simmelsdorf aufzusuchen, und wenn sein Geld reiche, Dich auch in Berchtesgaden zu begrüßen.
Wir sind von Johannisbad am Mittwoch den 16ten dieses Monats nach einem Aufenthalt von fünf Wochen abgereist, sehr befriedigt von der Annehmlichkeit des Orts. Abgesehen von der Wohnung war das äußere Leben wohlfeil und wir hatten eine gute und gesunde Verköstigung. Von erquicklicher Schönheit war das Waldes- und Wiesengrün auf den Bergen und in den Thälern und die erfrischende Gebirgsluft. Das Bad ist bei einer Temperatur der Quelle im Bassin 23 Grad stärkend und belebend; ich habe aber es nicht über 26 Bäder bringen können, weil es doch aufregt und dem Schlaf gefährlich wird. Ob die Kur mich für längere Dauer gestärkt hat, muß ich noch abwarten: doch scheint sie für die rheumatische Empfindlichkeit günstig gewirkt zu haben.
Um zum Schluß noch einen tieferen Blick in das böhmische Riesengebirge zu machen, unternahmen wir in den letzten beiden Tagen, Montag und Dienstag, einen Ausflug über Hohenelbe nach St. Peter, wo wir übernachteten; es liegt im hohen Gebirgsthal der Elbe sehr romantisch, und wir waren auch in der Baude neben der Kirche recht gut aufgehoben. Am folgenden Vormittag wanderten wir in die wilden Schluchten der Siebengründe, wo die Damen sich bemühten, einige flüchtige Skizzen zur Erinnerung aufzunehmen. Sie sind überhaupt in diesen Wochen fleißig im Zeichnen gewesen und bringen einen Schatz an Blättern zurück, welche uns dauernd den Genuß der schönen Natur vergegenwärtigen werden. Am Mittwoch fuhren wir am Morgen über Trautenau, wo auf dem Kapellenberg die Denkzeichen der gefallenen Krieger an die blutigen Kämpfe von 1866 erinnern, nach Parschnitz zur Eisenbahn und von hier über Liebau nach Altvather. Den Nachmittag benutzten wir zu einem schönen Spaziergang über die Wilhelmshöhe nach dem benachbarten Ober-Salzbrunnen, welcher mit schönen Parkanlagen geschmückt ist. Da wir alle von der Hitze strapaziert waren, verblieben wir noch den folgenden Vormittag in Altvather, fuhren am Nachmittag mit der Eisenbahn weiter und trafen schließlich gegen Abend hier glücklich ein, wo wir von Richthofens sorglich begrüßt und höchst behaglich einquartiert wurden. Wir denken hier noch drei Tage in gemüthlicher Ruhe zu verweilen; es ist in dem stattlichen, bequemen Wohnhaus, an welches sich ein großer Garten mit mächtigen stattlichen Bäumen und weiten wohl gepflegten Rasenflächen anschließt, in dem gebildeten, seit vielen Jahren uns nah befreundeten Familienkreis mit fünf Söhnen und einer Tochter – der älteste Sohn Siegfried hat den Krieg in Frankreich mitgemacht – ein wohlthuender Aufenthalt. Am Montag Morgen beabsichtigen wir zur Heimkehr aufzubrechen und hoffen Nachmittags um 5 Uhr in Berlin einzukehren. Es wird dann das alte gewohnte Leben wieder seinen Anfang nehmen und seine Rechte behaupten. In früheren Jahren bin ich mit Ungeduld, wieder zur Arbeit zu kommen, zurückgekehrt. Diesmal kann ich solche Lust und Stimmung mir nicht nachrühmen; hoffentlich findet sich Muth und Freudigkeit zum Beruf, wenn ich wieder hineingetreten bin.
Wir freuen uns herzlich, daß Ihr in den schönen Alpen Erholung und Erfrischung gesucht habt und wünschen, daß Ihr dies bei günstigem Wetter gründlich genießen und dann alle Eure Kinder wohlbehalten zu Hause wieder antreffen möget. Gewiß wird auch Eure Anna der Besuch in Bonn zur erfrischenden Anregung gedient haben.
Die herzlichen Grüße von Klara und meinen Kindern. Sie werden auch bald schreiben. In treuer Liebe
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Barzdorf50.5268853,16.3651408Etwa 120 Kilometer südwestlich von Breslau und etwa 70 Kilometer südlich von Striegau nahe Riesen- und Eulengebirge gelegen.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Flottwell, Adalbert JuliusAdalbert Julius Flottwell11663105818291909Flottwell, Adalbert Julius (1829–1909), in Marienwerder geborener Sohn Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und seiner zweiten Ehefrau Auguste Flottwell, geb. Lüdecke (1794–1862), der nach seinem 1849 begonnenen Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Berlin preußischer Beamter und Politiker wurde. Verheiratet mit Ella (Else) Flottwell, geb. Oppen-Gatersleben (1841–1916), war er von 1861 bis 1868 Landrat von Meseritz in der Provinz Posen, gleichzeitig von 1866 bis 1868 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, dann von 1868 bis 1872 Landesdirektor im Fürstentum Waldeck-Pyrmont, von 1872 bis 1875 Kabinettsminister im Fürstentum Lippe, von 1875 bis 1880 Regierungspräsident in Marienwerder, dazu von 1878 bis 1881 Mitglied des Deutschen Reichstages, sowie ab 1880 Präsident des seit 1871 bestehenden preußischen Bezirks Lothringen in Metz. Bis 1902 war er schließlich Direktor der Schlesischen Bodenkreditbank.
Richthofen, Ulrich Karl Prätorius13916248818141878Richthofen, Ulrich Karl Prätorius (1814–1878), Kreisrichter, Landtagsabgeordneter und Gutsherr auf Barzdorf in Schlesien, Sohn Karl Friedrich Ernst Richthofens (1787–1841) und Charlotte Karoline Richthofens, geb. Grote (1793–1871), Ehemann Sophie Caroline Richthofens, geb. Grolman (1821–1901).
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Striegau50.9601066,16.3462134In Schlesien, etwa 70 Kilometer westlich von Breslau gelegene preußische Kreisstadt nahe Riesen- und Eulengebirge.
SchlesienSeit Beginn des 19. Jahrhunderts Provinz des Königreichs Preußen mit Breslau als Provinzhauptstadt.
Johannisbad50.6305685,15.7806938Etwa 150 Kilometer südwestlich von Breslau auf circa 520 Meter Höhe im böhmischen Riesengebirge gelegen.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Göttingen51.5328328,9.9351811Circa 100 Kilometer südlich von Hannover und südwestlich des Harzes gelegene Stadt mit einer 1737 eröffneten Universität.
Bayern (Baiern)Das Königreich Bayern bestand von 1806 bis 1918.
Arolsen51.3816043,9.0147661Ehemalige Residenzstadt der Grafen und Fürsten von Waldeck, etwa 40 Kilometer nordwestlich von Kassel und etwa 80 Kilometer östlich von Arnsberg gelegen.
Simmelsdorf49.5972637,11.3379197Namengebender Sitz der Nürnberger Patrizier-Familie Tucher von Simmelsdorf, 1598 erworben, nordöstlich der alten Reichsstadt Nürnberg gelegen. Das Alte Tucher-Schloß, ursprünglich ein Wasserschloß, wurde in den 1830er Jahren im gotischen Stil umgebaut, das „Neue Herrenhaus“ 1808 erbaut.
Berchtesgaden47.63108,13.0021634Markt im oberbayrischen Berchtesgadener Land mit Schloß der Könige von Bayern, nahe dem Königssee, circa 150 Kilometer südöstlich von München und etwa 25 Kilometer südlich von Salzburg gelegen.
RiesengebirgeGebirgszug entlang der schlesisch-böhmischen Grenze, deren höchster Gipfel mit etwa 1600 Meter Höhe die Schneekoppe ist, etwa 350 Kilometer südöstlich von Berlin gelegen.
Hohenelbe50.6271452,15.6095779Etwa 160 Kilometer südwestlich von Breslau gelegener Ort im böhmischen Riesengebirge am Oberlauf der Elbe.
St. Peter (Riesengebirge)50.7256591,15.6307631Ältester Teil des hochgelegenen Riesengebirgs-Ortes Spindlermühle, wo schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts Silber und Kupfer gefördert wurden und der sich im 19. Jahrhundert zu einem vielbesuchten Ferienort entwickelte.
ElbeIm Riesengebirge in der Nähe von Spindlermühle entspringender und bei Cuxhafen in die Nordsee mündender europäischer Fluß von etwa 1100 Kilometer Länge.
Siebengründe50.7479401,15.6002849Geheimnisumwittertes Gebiet im Quellbereich der Elbe im Riesengebirge.
Trautenau50.5608851,15.9130498Etwa 140 Kilometer südwestlich von Breslau im böhmischen Riesengebirge gelegene Stadt.
Kapellenberg50.6112758,15.9888905Südlich der Stadt Trautenau gelegene Ort der Schlacht bei Trautenau vom 27. Juni 1866, mit dem der sog. „Deutsche Krieg“ begann.
Parschnitz50.5740424,15.949143Stadt in der Nähe der Stadt Trautenau im böhmischen Riesengebirge.
Liebau49.8767927,17.0826615Stadtgemeinde in Schlesien, etwa 30 Kilometer nordöstlich vom böhmischen Trautenau entfernt auf der Ostseite des Riesengebirges gelegen.
Altvater50.0832353,17.2308693Gebirge im östlichsten Teil der Sudeten in Nordmähren und Schlesien mit dem Altvater mit etwa 1490 Meter Höhe als höchstem Berg.
Wilhelmshöhe (Ober Salzbrunn)50.793919,16.2706241Kurhaus und Aussichtspunkt oberhalb von Ober Salzbrunn im Waldenburger Bergland.
Ober Salzbrunn50.8066959,16.2540971Etwa 80 Kilometer südwestlich von Breslau und etwa drei Kilometer nordwestlich von Waldburg im Waldenburger Bergland am Rande des Riesengebirges gelegener Kurort.
FrankreichNach der Französischen Revolution von 1789 wurde das in Westeuropa am Atlantik gelegene Frankreich 1791 konstitutionelle Monarchie, 1793 Republik, 1804 Kaiserreich, 1830 Königreich, 1848 wieder Republik, 1852 erneut Kaiserreich und von 1871 bis 1940 zum dritten Mal Republik.
AlpenHöchstes, bis über 4800 Meter hohes Gebirge zwischen Mittel- und Südeuropa, das sich über 1200 Kilometer hinweg in einem weiten, zwischen 150 und 250 Kilometer breiten Bogen vom ligurischen Teil des Mittelmeeres im Westen bis in die ungarische Ebene im Osten erstreckt.
BonnAuf eine römische Gründung zurückgehende alte kurfürstliche Residenzstadt am Rhein mit menschlichen Besiedlungsspuren, die ca. 14.000 Jahre zurückreichen, nach französischer Herrschaft ab 1815 eine Stadt des Königreiches Preußen, etwa 30 Kilometer nördöstllich von Köln gelegen.
Universität GöttingenIm Jahren 1734 von Kurfürst Georg II. August (1683-1760) von Braunschweig-Lüneburg, von 1727 an auch König George II. von Großbritannien, gegründete Universität, deren Entstehung maßgeblich von Gerlach Adolph Freiherr von Münchhausen (1688-1770) betrieben wurde.
Burschenschaft Germania (Göttingen)Offiziell im Jahre 1851 an der Universität Göttingen gegründete schlagende Studentenverbindung.
StiftungsfestJährlich wiederkehrende Feier aktiver und ehemaliger Mitglieder einer Studentenverbindung oder anderer universitärer Vereinigungen aus Anlaß ihrer Gründung.
BaudeBöhmisch-schlesische Bezeichnung für einfache Schutzhütten für Holzknechte, Viehhirten und Weidebauern im Riesengebirge, ab dem 19. Jahrhundert auch für Rast- und Übernachtungsmöglichkeiten für Wanderer.