Es war uns eine große Freude, unseren Willi am Sonntage, meinem Geburtstage1, wieder begrüßen zu können; er sieht wohl und frisch aus, und es ist unverkennbar, daß die kräftige Lebensschule der letzten zwei Jahre an ihm mit gutem Erfolge gearbeitet und ihn menschlich und sittlich herausgebildet hat. Ich habe auch das gute Vertrauen, daß er nun mit gründlichem Ernst an die Arbeit gehen und sich auch zu seinem Berufe tüchtig machen werde. Für die Studien, insbesondere der Jurisprudenz, ist in diesen zwei Jahren wenig gewonnen worden; er wird jedenfalls noch zwei volle Jahre auf der Universität darauf verwenden müssen.
Wir sind Euch sehr dankbar für die freundliche Aufnahme, welche Ihr ihm gewährt habt. Er ist sehr erfüllt von der Erinnerung aller Liebe und Theilnahme, welche er in Deinem Hause und in dem Nürnberger Verwandtenkreis erfahren hat2; bei der ihm eigenen Gemüthlichkeit ist er dafür ebenso empfänglich, als dankbar und Ihr werdet es ihm auch angefühlt haben, wie wohl es ihm bei Euch geworden ist. Es ist mir aber besonders von großem Werth, daß ihm ebenso, wie Maria im vorigen Jahre, es vergönnt gewesen ist, diese nahen blutsverwandtschaftlichen Bande persönlich zu befestigen; es ist dies ein reicher Gewinn für sein ganzes Leben, und in unserer Zeit, in welcher die Richtung der Freizügigkeit vorherrscht, in welcher alles atomistisch auseinander zu gehen und durcheinander zu fließen bestrebt ist, thut es Noth, die gegebenen sittlichen Bande zu wahren und zu befestigen. – Willi hat in unserer alten Heimath schöne Tage verlebt und es war eine sehr glückliche Fügung, daß er auch Simmelsdorf und Henfenfeld kennen gelernt und dort bei den liebenswürdigen Verwandten verweilen durfte. Er hat uns viel davon erzählen müssen.
Du hast auch eine schönen Aufenthalt in den Salzburger Alpen gehabt; es ist dieses Land einer der herrlichsten Punkte in Gottes reicher Natur. Sie waren diesmal auch noch durch eine interessante Staffage politischer Figuren höchst merkwürdig belebt.3
Die letzten Wochen sind auch für unser häusliches Leben mannigfach bewegt gewesen. Zunächst am 15ten dieses Monats Clärchens Einsegnung, eine schöne Feier, welche ebenso das Kind, wie uns Eltern tief angeregt und ergriffen hat. Ihr Herz ist für religiöse Gedanken und Gefühle vorzugsweise empfänglich, und sie erfaßte mit Ernst und Innigkeit die Bedeutung des Bekenntnisses, das sie abzulegen hatte, und des heiligen Sakraments, welches sie nun empfangen durfte. Wir haben daher auch die Zuversicht, daß die Feier ein gesegneter Abschnitt ihres Lebens bleiben werde: ihre innere und äußere Entwicklung geht langsam voran, aber es geht doch immer vorwärts, und der Grundzug ihres Charakters ist bei allen Schwierigkeiten, mit denen sie darin zu kämpfen hat, ein liebevolles und liebebedürftiges Herz.
Mit der folgenden Woche begann die zerstörende und beschwerliche Vorbereitung des Umzugs; der Höhepunkt war Freitag, der 22ste dieses Monats, da zum Glück bei heiterem Wetter von 7 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends der Hausrath, der im Laufe der Zeit übermäßig angeschwollen ist, mittelst zweier riesiger Meubelwagen in dreimaligen Fuhren in die neue Wohnung geschafft wurde. 6 riesige Arbeiter mit der Kraft von Cyklopen und der Zartheit von Elfen schafften das Werk mit unaufhaltsam gierigem Fleiße. Vor der letzten Fuhre stärkten wir uns bei Mielentz mit Kalbskoteletten, und nachdem Alles vollendet war, mit einem gemüthlichen Kaffee und Thee bei Lepsius. Die neue Wohnung im Pfarrhause ist ganz frisch hergerichtet in Tapeten und Anstrich; sehr sauber in diesem Schmuck und auch recht wohnlich für die allgemeinen Bedürfnisse, so wie für die besonderen der einzelnen Glieder; jedes Kind hat seine eigene Stube und ist damit sehr zufrieden gestellt. In der Hauptsache ist jetzt auch die Ordnung des Hauses hergestellt; doch bleibt noch für die Hausfrau manche Arbeit bis zur völligen Einrichtung, bei welcher nun auch der Sohn, besonders bei der Gruppirung des Bilderschmuckes hülfereiche Hand und weisen Rath leisten kann.
Meinen Geburtstag konnte nun schon in der Fähndrich. Mit dem Schwarzwerden der gebleichten Haare hat es jedoch nicht viel auf sich; dies überlasse ich auch gern seinem eigenthümlichen Gesetze oder der Laune der Natur. Dagegen kann ich mir nicht verhehlen, daß ich in dem letzten Jahre physisch und geistig stark gealtert bin; es ist ein starker Ruck darin vor sich gegangen, wenn ich mich auch selbst nach der Sommererholung frischer und arbeitsfähiger finde. Man muß sich eben genügen lassen mit den Gaben und Kräften, welche uns Gott, der Herr darreichet, und dankbar sein für die unverdiente Gnade, welche Er uns erfahren läßt, und für die Liebe, derer ich mich in reichem Maaße zu erfreuen habe.
neuen Wohnung gefeiert werden. Das Beste dabei war die Einkehr meines Sohnes; übrigens fehlte auch nicht der riesige Baumkuchen von FrauIm nächsten Monat haben wir die große kirchliche Versammlung4 hier zu erwarten; positive Resultate sind gewiß nicht zu erzielen; aber für die Entwicklung des kirchlichen Lebens und die Stellung der Kirche und ihrer Partheien wird sie doch von bedeutendem Einfluß sein; ich finde es auch Unrecht, von vorne herein eine mißtrauische und feindselige Position dazu einzunehmen. Das Bedürfniß einer engeren Gemeinschaft der deutschen Landeskirchen ist doch ein wesentlicher und tief begründeter. Da auch einige Erlanger Kollegen uns besuchen wollen, so bin ich bereit, einen derselben als Gast in mein Haus aufzunehmen und bitte Dich unter ihnen die Wahl dieses Einen Gastes zu treffen und denselben in meinem Namen herzlich einzuladen und mir bald von dem Erfolg Nachricht zu geben. Du kannst besser, wie ich beurtheilen, wer sich unter ihnen am ersten dazu eignet und wem am meisten damit gedient ist. Mit Scheurl, als Kirchenrechtslehrer würde ich wohl die meiste sachliche Berührung und Gemeinschaft haben; doch ist mir Jeder recht, den Du mir zuführst.
Da Du zur historischen Commission nach München gehen wirst, so sage auch Onkel Gottlieb und Tante Thekla meinen herzlichen Dank für die gütige Aufnahme meines Willi.
Möchte die Sorge um Deinen Georg durch ein gutes Prüfungszeugniß einige Erleichterung erfahren.
Mit dem herzlichen Wunsch, daß Du in München Deine Luise in gutem Wohlsein antreffen und glücklich wieder heimführen mögest, und mit freundlichen Grüßen für die liebe Susanna und alle Deine Kinder