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Karl Hegel an Immanuel Hegel, Erlangen, 22. Juli 1872

Lieber Manuel!

Zunächst danke ich bestens für die Übersendung der 175 Th. Taler und Deinen lieben Brief.1 Geld brauche ich jetzt viel für den großen Haushalt bei immerfort vertheuerten Preisen, welche abgesehen von der Wohnung sich denen der großen Städte immer mehr gleichstellen, und nun besonders für die Ausstattung. Meine Frau und Tochter haben die Freude, die letztere bald vollendet zu haben. Heute sind sogar schon Möbel aus Nürnberg für die Wohnung angekommen, welche zum großen Theil von dem bisherigen Miether geräumt, bereits eingerichtet werden kann. Das Brautpaar ist auch schon in der Kirche verkündigt worden und der Hochzeitstag auf den 7. August festgesetzt. Gestern und vorgestern sind die Einladungen nach Nürnberg, Simmelsdorf, Augsburg abgegangen. In Simmelsdorf ist Onkel Gottlieb und morgen wird hier die ganze Familie Mangelsdorf erwartet, die wir bei Zezschwitz sehen sollen, ehe sie sich nach Simmelsdorf begiebt. Die liebe Mama und unser Mariechen sind gegenwärtig auf einige Tage dort. Nachher wird die erstere nach Schney bei Lichtenfels zu Caroline reisen, welche ihr Wochenbett erwartet, Mariechen wird zu uns zurückkehren. Wir haben keine Hoffnung, Löffelholz aus Augsburg bei uns zur Hochzeit zu sehen, da er zur Zeit auf dem Lechfeld ist und seine Frau die Kinder hüten muß. Caroline ist wie gesagt gleichfalls verhindert; so werden wir von den Schwestern nur Maria, von den Schwägern August, hoffentlich Ulrich und Max als Hochzeitsgäste haben; wir rechnen ferner auf die drei Onkel Gottlieb, Wilhelm und Benoit, auf die Tante Frida, die mit ihren Kindern aus San Remo zurückgekehrt ist, auf die beiden Familien Grundherr vom Glockenhof, auf Lommels Bruder und Schwägerin aus München, auf die liebe Mutter natürlich vor allem und ihren Sohn Friedrich, welcher sich jetzt in Nürnberg aufhält und zu seinem letzten Forstexamen vorbereitet. Zezschwitz wird, wie wir erwarten, die Trauung vollziehen, da Thomasius einer Kur wegen nach Berchtesgaden verreist.

Von einer katholischen Ceremonie ist nicht die Rede; und sollte meine Tochter Mutter werden, so wird sie ihre Kinder nur im protestantischen Glauben erziehen.

Lommel ist uns bei näherem Zusammenleben immer lieber geworden und Luischen hängt mit schwärmerischer Liebe an ihm, so wie er sie wieder auf Händen trägt. Eine durchaus kernhafte Natur, gesund an Leib und Seele und auch männlich gereift, zeigt er gegenüber ihren häufig schwankenden und leicht erregten Stimmungen immer dieselbe gleichbleibende liebevoll warme Temperatur; es ist, glaube ich, wenn man ihn einmal kennengelernt hat, nicht möglich ihn wieder zu verkennen oder ihm einmal nicht gut zu sein. Damit verbindet er einen Umfang an Kenntnissen in dem gesammten Gebiet der Naturwissenschaften, wie man ihn wohl nicht häufig vereinigt findet. Ich denke, er wird noch weiter kommen.

Vor der Hochzeit werde ich noch als Deputirter unserer Universität nach München zum Jubiläum2 gehen. Dazu brauche ich 6 Tage, da der Empfang der Deputationen einen Tag und das Fest selbst drei ganze Tage in Anspruch nimmt; Du wirst das glänzende Programm wohl schon gesehen haben. Dies fällt in die nächste Woche und in der darauf folgenden am Mittwoch3 soll die Hochzeit sein.

Weiterhin erwartet mich zu Ende des September die Sitzung der historischen Commission in München, wenn sie nicht vielleicht in diesem Jahr ausfällt, worauf ich in der Stille hoffe.4 Denn dann würde es mir wohl möglich sein zu Eurem Hochzeitsfest nach Berlin zu kommen, falls dieses vor dem 8. Oktober stattfindet.5 Denn an diesem Tage bin ich bereits zur Prüfungscommission für Lehramtscandidaten6 nach München einberufen, und es scheint nicht möglich davon loszukommen, wiewohl ich den Versuch dazu gemacht habe. Das Nähere hierüber, so wie über die historische Commission werde ich erst in München erfahren.

Dir und den Deinigen wünsche ich gründliche Erholung und Stärkung durch das Johannisbad. Du kannst sie um so mehr brauchen, als Dein kirchliches Amt Dir offenbar immer größere Schwierigkeiten bereiten wird. Wie gerne möchte ich Dich dieser unheilbaren Wirren überhoben sehen!

Hinsichtlich der Jesuiten und der katholischen Kirche bin ich anderer Meinung als Du; sie haben den Krieg haben wollen, wenn man sie nicht frei gewähren ließ, und ich stimme von Herzen und mit freudiger Zuversicht für den Krieg bis aufs Messer. Mit dem evangelischen Glauben ist ihnen nicht beizukommen, sondern mit einer festen Staatsmacht gestützt auf das Parlament; die sollen sie zu fühlen bekommen und vor einer solchen hat die römische Curie noch immer den Rückzug angetreten.

Meine Frau grüßt herzlich – und verspricht nach der Hochzeit nach Johannisbad zu schreiben; von Eurer Abreise erhalten wir wohl noch Nachricht.

In treuer Liebe
Dein Bruder Karl.