Eisenach 1. Juni 1873
Lieber Manuel!
Das oben stehende Datum zeigt, daß ich Dir um eine gute Strecke Weges näher bin als sonst. Ich befinde mich auf der Reise nach Göttingen, wo ich heute Abend eintreffen und meinen alten Freund Thöl, so wie auch Waitz, besuchen will und nach Braunschweig, wo ich morgen Nachmittag anzukommen gedenke. Dies ist das Ziel der Reise und der eigentliche Zweck die Zusammenkunft der Historiker von dem Hansischen Geschichtsverein am 2. – 5. Juni, mit denen ich wegen meiner Chronikenausgabe zu verhandeln habe.
Ich verließ gestern Mittag in aller Eile, | da ich die Reise um einige Stunden früher antrat, als zuerst beabsichtigt gewesen, die Meinigen und Erlangen, kam hier in Eisenach mit der Weserbahn nach 6 Uhr an und bestieg die Wartburg, wo ich mich an der herrlichen Aussicht über die frischgrünen Wälder und Höhen und den poetischen Gemälden von Schwind erfreute, auch mit Ehrfurcht das stille Zimmer des großen Zeugen Gottes betrachtete, welcher dort die Bibel übersetzte und Deutschland, – leider nur einen Theil – von dem römischen Joch befreite. Der andere Theil liegt noch heute nach 350 Jahren unter demselben und die geistige Knechtschaft ist vielmehr noch ärger geworden und unsere protestantische Kirche, statt den Kampf gegen sie mit aller Energie fortzusetzen, überläßt ihn den ungleichen Waffen des Staats, ja ist im Gegentheil sogar bemüht, diese Waffen abzustumpfen | durch ihren Widerspruch! –
Frau und Kinder habe ich Gottlob wohl und gesund verlassen. Im Übrigen seid Ihr durch Susanna und Anna von unserem Leben und Treiben im Laufenden geblieben. Georg wurde zu den Pfingsttagen in Erlangen erwartet; es geht doch im ganzen besser mit ihm. Großmama reiste vor wenigen Tagen zu Caroline nach Schnei bei Lichtenfels, welches jetzt von Brockdorfs verkauft wird, weil es ein lästiges und verschuldetes Besitzthum ist. Helenes Hochzeit steht nahe bevor; an einem Hochzeitsgeschenk hast Du Dich meiner Meinung nach in diesem Fall nicht zu betheiligen.
Von dem schmerzlich bewegten Antheil, den wir an Hermanns Hinscheiden genommen, hat Susanna zugleich in meinem Namen geschrieben und spreche ich ihn wiederholt aus.
Herzliche Grüße an Clara und Eure Kinder.
In treuer Liebe
Dein Bruder Karl.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Eisenach50.9747134,10.3193565Im nordwestlichen Thüringer Wald etwa 60 Kilometer westlich von Erfurt gelegene ehemalige Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Eisenach, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammen mit der oberhalb gelegenen Wartburg zu einem Ort der Beschwörung der deutschen Einheit wurde.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Thöl, Johann HeinrichJohann Heinrich Thöl11875716418071884Thöl, Johann Heinrich (1807–1884), in Lübeck geborener Rechtswissenschaftler, der von 1826 bis 1829 an den Universitäten Leipzig und Heidelberg studierte, 1829 promoviert wurde und sich 1830 habilitierte. Von 1842 bis 1849 war er ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Rostock, dann bis zu seinem Tode an der Universität Göttingen. In den Jahren 1848/49 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.
Waitz, GeorgGeorg Waitz
HiKo
11905914218131886Waitz, Georg (1813–1886), in Flensburg geborener Historiker, der nach einem breiten geisteswissenschaftlichen, juristischen und theologischen Studium an den Universitäten Kiel und Berlin 1836 promoviert wurde. Nach seiner Tätigkeit bei den Monumenta Germaniae Historica wurde er 1842 ordentlicher Professor der Geschichtswissenschaft an der Universität Kiel, wechselte 1848 als Ordinarius an die Universität Göttingen und wurde 1858 Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Als er 1875 Präsident der Monumenta Germaniae Historica in Berlin wurde, ging er gleichzeitig an die Universität Berlin. Er war in erster Ehe mit Clara Schelling (1818–1857), einer Tochter des Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling (1775–1854), verheiratet, in zweiter Ehe mit Helene Franziska Friederike Hartmann (1831–1915), einer Tochter des Generals Georg Julius Hartmann (1774–1856).
Schwind, Moritz11861227118041871Schwind, Moritz (1804–1871), in Wien geborener Zeichner und Maler, der nach seinem Studium in seiner Heimatstadt u. a. in München, Karlsruhe und Frankfurt am Main tätig war. In den Jahren 1854/55 schuf er die Wandgemälde auf der Wartburg.
Luther, MartinMartin Luther11857544914831546Luther, Martin (1483–1546), in Eisleben geborener deutscher Reformator und Begründer der christlichen evangelisch-lutherischen Kirche.
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Göttingen51.5328328,9.9351811Circa 100 Kilometer südlich von Hannover und südwestlich des Harzes gelegene Stadt mit einer 1737 eröffneten Universität.
Braunschweig (auch: Herzogtum Braunschweig)52.2646577,10.5236066Etwa 70 Kilometer östlich von Hannover und nördlich des Harzes gelegene Haupt- und Residenzstadt des auf dem Wiener Kongreß 1814 gegründeten Herzogtums Braunschweig in der Nachfolge des frühneuzeitlichen Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Wartburg50.965902,10.3063142Auf das 11. Jahrhundert zurückreichende, etwa 400 Meter hoch gelegene Burg oberhalb der Stadt Eisenach am nordwestlichen Ende des Thüringer Waldes. Im Mittelalter war sie u. a. Ort großer Sängerfeste, im 19. Jahrhundert fand dort am 18. Oktober 1817 zur Erinnerung an die Einführung der Reformation Martin Luthers im Heiligen Römischen Reich ein großes Wartburgfest statt.
Schney50.1642539,11.07331Etwa 36 Kilometer nordöstlich von Bamberg und etwa drei Kilometer nordöstlich von Lichtenfels nahe des Oberen Mains gelegener Adelssitz.
Lichtenfels50.14568,11.06382Zwischen Bamberg und Coburg im Obermaintal gelegener Ort, circa 100 Kilometer nördlich von Nürnberg.
WeserbahnEisenbahn entlang der Weser.