Erlangen 19. Juni 1873
Lieber Manuel!
Heute morgen gegen 5 Uhr bin ich wirklich Großvater geworden! Das Enkelein ist ein weibliches und von mir noch nicht gesehen worden, da ich die Wochenstube wohl gestern Abend mit ihrer vollständigen Einrichtung besichtigt habe, aber heute noch nicht dort eingedrungen bin. Gestern Abend nämlich brachte ich meine Frau zu Lommels, wo sie die Nacht bleiben wollte, wenn es nöthig wäre, und es wurde nöthig. Die Entbindung erfolgte ziemlich schnell von 12 Uhr bis 5 Uhr, der Blutverlust war bedeutend, weßhalb man den Arzt herbeirief; er verordnete das Geeignete und gab beruhigende Versicherung. Luise war gestern Nachmittag noch in einer Caffegesellschaft bei uns | und befand sich in der letzten Zeit recht wohl, so daß wir auch jetzt das Beste hoffen.
Herzlichen Dank sage ich Dir noch für Deinen lieben Geburtstagsbrief. Ja wohl habe ich nun das bedenkliche Alter von 60 überschritten, von wo das Alter anfängt. Ich bin sehr unzufrieden damit, allein was hilfts? Man möchte sich um so mehr beeilen, um noch was Rechtes zu schaffen, und doch fühlt man, daß es nicht mehr so gut geht, wie sonst, daß man mit seinen Kräften Haus halten muß, um sie zu schonen. Ich möchte noch dieses und jenes fertig bringen, für die Familie sorgen, die Kinder versorgt sehen – wenn es aber nicht so sein kann, so überlasse ich es Gott. –
Über die kirchenpolitischen Gesetze disputire ich mit Dir nicht. Ich halte den durch sie unternommenen Kampf gegen den Götzendienst der päpstlichen Hierarchie für den notwendigsten | und dringendsten, den es überhaupt geben kann: die Möglichkeit einer Niederlage soll so wenig davon zurückhalten, wie bei dem Krieg, den uns Napoleon und Frankreich im Jahre 1870 aufzwangen. Die vergangene Geschichte weiß von Siegen wie von Niederlagen zu berichten. Den vollständigsten Sieg hat England durch die bloße Staatsgewalt unter Heinrich VIII über das Papsttum gewonnen. Durch die bloße Staats- und Waffengewalt wurde im Anfang des 30jährigen
Kriegs das südliche und östliche Deutschland zum großen Theil wieder katholisch gemacht. Wenn die Staatsgewalt wie jetzt für die geistige und Gewissensfreiheit, für die humane Bildung überhaupt in die Schranken tritt, so kämpft sie für die edelsten Güter der Menschheit, und es giebt keinen ehrenwertheren und schöneren Kampf als diesen.
Unsere hiesigen Theologen stehen so viel ich weiß ohne Ausnahme für die preußischen Gesetze | ein, Hofmann hat sich darüber so eben im Juniheft der protestantischen
Kirchenzeitung, Plitt in einer eigenen Broschüre, Scheurl schon früher in der genannten Kirchenzeitung ausgesprochen, letzterer mit dem Nachweis, daß die angebliche Beeinträchtigung der evangelischen Kirche für keine zu achten sei. Die Theologen in Leipzig und Hannover scheinen ihre Motive mehr aus ihrer Feindschaft gegen Preußen als aus der Sache selbst zu nehmen. Doch genug hiervon.
Ich schreibe dies nach Tisch; meine Frau ist über Mittag bei Lommels geblieben, ich muß jetzt nach Nürnberg, um ein Paar Hausschenken zu besorgen. Helenes Hochzeit ist am nächsten Sonnabend in Leitheim. Herzliche Grüße an die liebe Clara und Eure Kinder
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
.
Privatbesitz
1000
Lommel, Julia-18731873Lommel, Julia (*† 1873), erstes Kind Eugen Lommels (1837–1899) und Luise Lommels (1853–1924), ältestes Enkelkind Karl Hegels.
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Lommel, Eugen Cornelius JosephEugen Lommel10427615018371899Lommel, Eugen Cornelius Joseph (1837–1899), in der Rheinpfalz geborener Physiker und Mathematiker, der von 1854 bis 1858 an der Universität München studierte, Lehrer in der Schweiz und dann Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurde. 1867/68 war er Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und von 1868 bis 1886 Ordinarius an der Universität Erlangen, schließlich an der Universität München. Er war der Ehemann Luise Hegels (1853–1924), der zweitältesten Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878).
Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Napoleon III.11858641618081873Napoleon III. (1808–1873), war von 1848 bis 1852 französischer Staatspräsident und dann bis 1870 Kaiser der Franzosen.
Heinrich VIII., englischer König11854820414911547Heinrich VIII. (1491–1547), englischer König von 1509 bis 1547.
Hofmann, Johannes Christian KonradJohannes Hofmann11870611X18101877Hofmann, Johannes Christian Konrad (1810–1877), in Nürnberg geborener evangelischer Theologe und Gymnasiallehrer, 1841/42 außerordentlicher Professor der Theologie an der Universität Erlangen, ordentlicher Professor an den Universitäten Rostock (1842–1845) und Erlangen (1845–1877).
Plitt, Gustav LeopoldGustav Leopold Plitt11624565418361880Plitt, Gustav Leopold (1836–1880), in der Nähe Lübecks geborener evangelisch-lutherischer Theologe, der an den Universitäten Erlangen und Berlin studierte, 1861 das Lizentiat erwarb und sich 1862 in Erlangen habilitierte. Von 1867 bis 1875 war er außerordentlicher Professor für Theologie und Kirchengeschichte an der Universität Erlangen, dann dort bis zu seinem Tode Ordinarius. Er heiratete 1866 mit der in Erlangen geborenen Cäcilie Julia Pauline Schelling (* 1843), eine Tochter des Erlanger Rechtswissenschaftlers Paul Heinrich Joseph Schelling (1813–1889), damit auch Enkelin des Philosophen Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854) und Nichte Georg Waitz’ (1813–1901).
Scheurl, Christoph Gottlieb AdolfAdolf Christoph Gottlieb Scheurl von Defersdorf11722507X18111893 Scheurl, Christoph Gottlieb Adolf (1811–1893), aus Nürnberg stammender Jurist, der nach seinem Studium an den Universitäten Erlangen und München zunächst die Gerichtslaufbahn einschlug. Im Jahre 1834 habilitiert, lehrte er Römisches Recht und wurde 1840 außerordentlicher Professor in Erlangen, von 1845 bis 1881 war er dort Ordinarius für Kirchenrecht und Römisches Recht. Von 1865 bis 1889 war er zudem Mitglied der Generalsynoden der evangelisch-lutherischen Kirche im Königreich Bayern und trat für die Behauptung der Eigenständigkeit seiner Landeskirche gegenüber dem Staat ein. Er war in erster Ehe mit Marie Scheurl, geb. Kleinknecht (1815–1868), verheiratet, in zweiter Ehe mit Antonie Gürsching, verwitwete Thäter (1815–1884).
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
FrankreichNach der Französischen Revolution von 1789 wurde das in Westeuropa am Atlantik gelegene Frankreich 1791 konstitutionelle Monarchie, 1793 Republik, 1804 Kaiserreich, 1830 Königreich, 1848 wieder Republik, 1852 erneut Kaiserreich und von 1871 bis 1940 zum dritten Mal Republik.
EnglandNeben Schottland, Wales und Nordirland der größte Teil des Vereinigten Königreichs von Großbritannien mit London als Hauptstadt.
DeutschlandKulturgeschichtlich ist damit der Raum deutscher Nation und Sprache gemeint, wo „Teutschland“ im Laufe der Frühen Neuzeit eine Kurzbezeichnung für das „Heilige Römische Reich teutscher Nation“ wurde. Im 19. Jahrhundert wurde „Deutschland“ immer mehr zur inoffiziellen Bezeichnung für die deutschsprachigen Gebiete Mitteleuropas, zunächst das Gebiet des 1815 gegründeten Deutschen Bundes, dann des 1871 gegründeten Deutschen Reiches.
Leipzig51.3406321,12.3747329Am Zusammenfluß von Weißer Elster, Pleiße und Parthe gelegene Universitäts- und Messestadt in Sachsen.
Hannover (Stadt)52.3744779,9.7385532Ehemalige welfische Residenz- und Festungsstadt und bis 1866 Hauptstadt des Königreichs Hannover, dann Hauptstadt der preußischen Provinz Hannover, etwa 300 Kilometer westlich von Berlin an der Leine gelegen.
Preußen, Prusse Königreich Preußen (französisch: Prusse), auch Ostpreußen als östlichste Provinz des Königreichs.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Leitheim48.7436,10.884173637103597Schloß Leitheim ist östlich von Donauwörth und nördlich der Donau gelegen, seit 1835 im Besitz der Nürnberger Patrizierfamilie Tucher.
Dreißigjähriger KriegDer mit dem Prager Fenstersturz begonnene und mit dem Westfälischen Frieden beendete europäische Krieg von 1618 bis 1648.
Protestantische Kirchenzeitung für das evangelische DeutschlandSeit Januar 1854 in Berlin wöchentlich erscheinende Kirchenzeitung.
HausschenkeHochzeitsgabe, Hochzeitsgeschenk.