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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 14. Mai 1874

Theurer Freund!

Für Ihr liebevoll theilnehmendes Schreiben bei dem bitteren Verlust meines Kindes sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank. Ich kann den Schmerz noch immer nicht verwinden und sein Stachel wird immerfort in meiner Seele zurückbleiben. Auch hat sich mir das Gefühl von der Vergänglichkeit alles menschlichen Lebens mir so tief eingeprägt als in diesem Fall, wo ich das fröhlich aufblühende Leben eines lieben und in aller Weise liebenswürdigen und hoffnungsvollen Kindes mir plötzlich für immer entrissen sah.1

Jetzt hoffe ich in kurzer Zeit Sie wiederzusehen, denn ich gedenke die bevorstehende Pfingstversammlung2 in Bremen zu besuchen. Es bestimmt mich zu dieser weiten Reise besonders der Wunsch, die Städte Bremen und vielleicht auch Hannover kennen zu lernen, in Bremen mich mit Dr. von Bippen wegen Bearbeitung der Bremischen Chroniken näher zu verständigen, die Handschriften und das sonstige archivalische Material, wenn auch nur oberflächlich, einzusehen, sodann auch von Professor Mantels, von welchem ich seit vorigem Herbst gar keine Mittheilung mehr über seine Arbeit erhalten habe, zu hören, wie es damit steht.3

Meine Reise führt mich über Göttingen, wo ich mich Ihnen und den andern Göttinger Freunden, den Gefährten vom vorigen Jahr, auf der Weiterfahrt am zweiten Pfingsttage anzuschließen wünsche. Auf Pauli und Frensdorff wenigstens, welche Vorträge angekündigt haben, ist mit Sicherheit zu rechnen; doch wird auch wohl Sartorius uns nicht fehlen, der treffliche Schnarcher von Goslar!

In Bremen werde ich mich zuvor ankündigen, um mit den Göttingern in dem gleichen Gasthof4 zu wohnen.

Ich bitte mich vorläufig Ihrer Frau Gemahlin und Fräulein Tochter5 zu empfehlen, die ich bald auch persönlich zu begrüßen hoffe.

Mit herzlichem Gruß
der Ihrige
Carl Hegel.