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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Berlin, 11. Januar 1875

Lieber Karl!

Das war eine große und recht freudige Ueberraschung, die wir durch Deinen freudestrahlenden Brief1 und Bericht über die glückliche Verlobung Eurer lieben Anna erfuhren. Bei der herzlichen Liebe, welche wir für sie durch unser längeres Zusammenleben2 mit ihr gewonnen und bewahrt haben, muß uns dies frohe Ereigniß mit wärmster Theilnahme erfüllen und wir Alle begrüßen die glückliche Braut mit ihrem bestens angesehenen Bräutigam und Euch, die glüklichen und dankbar bewegten Eltern mit unseren herzlichsten Segenswünschen. Möge Gott, der Herr, den von den Herzen des Brautpaares mit dem Segen der Eltern geschlossenen Bund durch seine Gnade gründen und befestigen und mit dem ganzen Reichthum Seines himmlischen und irdischen Segens schmüken! – Du giebst eine so anziehende und rühmliche Beschreibung Deines Schwiegersohnes und der bisherigen Erfolge seiner Gaben und Leistungen, daß wir die liebe Braut und Euch Alle nur glücklich preisen können, mit einem so trefflichen jungen Manne durch das Band der Liebe verbunden zu werden. Wir wünschen von Herzen, daß sein Lebensweg, mit dem nun der Eurer lieben Anna auf das innigste verbunden sein wird, stets so glüklich geebnet und so reich in den Erfolgen und der Anerkennung seiner Wirksamkeit bleiben. Es steht Euch nun zwar eine schmerzliche Trennung von dem lieben Kinde bevor; das ist aber einmal das Geschick der alternden Eltern, und für Anna bei ihrem lebendigen Streben und dem Reichthum ihrer Interessen wird die Verpflanzung in einen anderen Boden und insbesondere nach München eine glükliche Veränderung sein; auch ist dies noch immer für Euch leicht erreichbar und bleibt in dem Bereiche Eurer befreundeten und verwandtschaftlichen Kreise. Es wird Dir sehr wohl thun, wenn Du in München während der Prüfungen3 und historischen Kommission bei Deinen Kindern dort wirst ein gemüthliches Obdach finden können. Willi ist von Göttingen her der rühmliche Name von Felix Klein wohl bekannt und ferner hat er von ihm durch seinen Freund Friedel Curtius gehört.

Doch ich muß schließen, da unsere Briefe, welche Euch unsere ersten Glückwünsche aussprechen sollen, gleich abgehen müssen. Die weithere Mittheilung an die Kinder in Posen und Flottwellsche Geschwister wird Clara besorgen. Mein Schwager Adalbert ist augenblicklich hier, da er, von dem Fürsten von Lippe als zu „liberal“ entlassen4, was ihn höchlich überrascht hat, da er sich selbst immer für einen sehr konservativen Mann gehalten hat – nun wieder im Preußischen Staatsdienst eine Stellung suchen muß. Er hat Aussicht Regierungs-Präsident in Marienwerder zu werden.

Am 26 sten dieses Monats werde ich eine brandenburgische Provinzialsynode zu eröffnen haben; wir stehen also vor heftigen kirchlichen Kämpfen und einer schweren Zeit. Gott, der Herr, wird auch hier uns und Seiner Kirche durchhelfen.

Also nun die herzlichsten Grüße der lieben Braut und Ihrem Bräutigam und Euch Allen

von
Deinem Bruder
Immanuel Hegel