Berlin den 11ten Januar 1875
Lieber Karl!
Das war eine große und recht freudige Ueberraschung, die wir durch Deinen freudestrahlenden Brief und Bericht über die glückliche Verlobung Eurer lieben Anna erfuhren. Bei der herzlichen Liebe, welche wir für sie durch unser längeres Zusammenleben mit ihr gewonnen und bewahrt haben, muß uns dies frohe Ereigniß mit wärmster Theilnahme erfüllen und wir Alle begrüßen die glückliche Braut mit ihrem bestens angesehenen Bräutigam und Euch, die glüklichen und dankbar bewegten Eltern mit unseren herzlichsten Segenswünschen. Möge Gott, der Herr, den von den Herzen des Brautpaares mit dem Segen der Eltern geschlossenen Bund durch seine Gnade gründen und befestigen und mit dem ganzen Reichthum Seines himmlischen und irdischen Segens schmüken! – Du giebst eine so anziehende und rühmliche Beschreibung Deines Schwiegersohnes und der bisherigen Erfolge seiner Gaben und Leistungen, daß wir die liebe Braut und Euch Alle nur glücklich preisen können, mit einem so trefflichen jungen Manne durch das Band der Liebe verbunden zu werden. Wir wünschen von Herzen, daß sein Lebensweg, mit dem nun der Eurer lieben Anna auf das innigste verbunden sein wird, stets | so glüklich geebnet und so reich in den Erfolgen und der Anerkennung seiner Wirksamkeit bleiben. Es steht Euch nun zwar eine schmerzliche Trennung von dem lieben Kinde bevor; das ist aber einmal das Geschick der alternden Eltern, und für Anna bei ihrem lebendigen Streben und dem Reichthum ihrer Interessen wird die Verpflanzung in einen anderen Boden und insbesondere nach München eine glükliche Veränderung sein; auch ist dies noch immer für Euch leicht erreichbar und bleibt in dem Bereiche Eurer befreundeten und verwandtschaftlichen Kreise. Es wird Dir sehr wohl thun, wenn Du in München während der Prüfungen und historischen Kommission bei Deinen Kindern dort wirst ein gemüthliches Obdach finden können. Willi ist von Göttingen her der rühmliche Name von Felix Klein wohl bekannt und ferner hat er von ihm durch seinen Freund Friedel Curtius gehört.
Doch ich muß schließen, da unsere Briefe, welche Euch unsere ersten Glückwünsche aussprechen sollen, gleich abgehen müssen. Die weithere Mittheilung an die Kinder in Posen und Flottwellsche Geschwister wird Clara besorgen. Mein Schwager Adalbert ist augenblicklich hier, da er, von dem Fürsten von Lippe als zu „liberal“ entlassen, was ihn höchlich überrascht hat, da er sich selbst immer für einen sehr konservativen Mann | gehalten hat – nun wieder im Preußischen Staatsdienst eine Stellung suchen muß. Er hat Aussicht Regierungs-Präsident in Marienwerder zu werden.
Am 26 sten dieses Monats werde ich eine brandenburgische Provinzialsynode zu eröffnen haben; wir stehen also vor heftigen kirchlichen Kämpfen und einer schweren Zeit. Gott, der Herr, wird auch hier uns und Seiner Kirche durchhelfen.
Also nun die herzlichsten Grüße der lieben Braut und Ihrem Bräutigam und Euch Allen
von
Deinem Bruder
Immanuel Hegel
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
.
Privatbesitz
1000
Behr
, Hans Joachim: Die Provinz Westfalen und das Land Lippe 1813-1933, in: Westfälische Geschichte, Bd. 2, hrsg. von Wilhelm Kohl (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Bd. 43), Düsseldorf 1983, S. 45-164.
Behr
, Westfalen und Lippe 1813-1933
1983
Klein, FelixFelix Klein11856286X18491925Klein, Felix (1849–1925), in Düsseldorf geborener Mathematiker, der von 1872 bis 1875 ordentlicher Professor an der Universität Erlangen war, dann bis 1880 an der Technischen Hochschule München, bis 1886 an der Universität Leipzig und bis 1913 an der Universität Göttingen, Ehemann Anna Maria Carolina Kleins, geb. Hegel (1851–1927).
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Curtius, Friedrich Carl Wilhelm-18511933Curtius, Friedrich Carl Wilhelm (1851–1933), in Berlin geborener Verwaltungsjurist, Sohn des Klassischen Archäologen und Althistorikers Ernst Curtius (1814–1896) sowie Vater des Romanisten und Literaturwissenschaftlers Ernst Robert Curtius (1886–1956). Nach dem Studium der Rechtswissenschaften war er in verschiedenen Funktionen im Elsaß und in Straßburg tätig, von Beginn des 20. Jahrhunderts an auch im Bereich der evangelischen Kirche.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Flottwell, Adalbert JuliusAdalbert Julius Flottwell11663105818291909Flottwell, Adalbert Julius (1829–1909), in Marienwerder geborener Sohn Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und seiner zweiten Ehefrau Auguste Flottwell, geb. Lüdecke (1794–1862), der nach seinem 1849 begonnenen Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Berlin preußischer Beamter und Politiker wurde. Verheiratet mit Ella (Else) Flottwell, geb. Oppen-Gatersleben (1841–1916), war er von 1861 bis 1868 Landrat von Meseritz in der Provinz Posen, gleichzeitig von 1866 bis 1868 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, dann von 1868 bis 1872 Landesdirektor im Fürstentum Waldeck-Pyrmont, von 1872 bis 1875 Kabinettsminister im Fürstentum Lippe, von 1875 bis 1880 Regierungspräsident in Marienwerder, dazu von 1878 bis 1881 Mitglied des Deutschen Reichstages, sowie ab 1880 Präsident des seit 1871 bestehenden preußischen Bezirks Lothringen in Metz. Bis 1902 war er schließlich Direktor der Schlesischen Bodenkreditbank.
Leopold III., Fürst von Lippe-Detmold13672448518211875Leopold III., Fürst von Lippe-Detmold (1821–1875), regierte das Fürstentum als streng konservativer Landesherr von 1851 bis 1875 und führte es 1867 in den Norddeutschen Bund sowie 1871 ins Deutsche Reich.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
PosenGroßherzogtum Posen (1815-1849) als Resultat der dritten Teilung Polens und damit bereits seit 1793 zum Kreis Posen innerhalb der preußischen Provinz Südpreußen gehörend (bis 1807), seit 1849 bis 1920 preußische Provinz Posen im Osten Preußens, welche nicht zum Deutschen Bund (1815-1866) gehörte, allerdings seit 1866 dann zum Norddeutschen Bund und seit 1871 zum Deutschen Kaiserreich.
Marienwerder (Pommern)53.7335842,18.9319222Etwa 500 Kilometer nordöstlich von Berlin und südlich von Danzig gelegene Stadt in Pommern, die nach der ersten Teilung Polens im Jahre 1772 Sitz der Verwaltung des gleichnamigen Regierungsbezirkes wurde.
Historische Commission/Kommission, MünchenIm Jahre 1858 in München auf Anregung des Berliner Historikers Leopold Ranke (1795-1886) vom bayerischen König Maximilian II. Joseph (1811-1864) bei seiner Akademie der Wissenschaften gegründete Institution zur Erforschung der deutsche Geschichte.
RegierungspräsidentLeiter der Verwaltung eines Regierungsbezirkes innerhalb einer preußischen Provinz.