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Karl Hegel an Alfred Reumont, Erlangen, 15. April 1875

Pr. Florenz 20.4.76.

Sehr geehrter Herr!

Nach einer kurzen Abschweifung zur Centraldirection der Monumenta Germaniae in Berlin, über deren Constituirung Sie Näheres in den Zeitungen lesen werden, kehre ich noch einmal zu meinen Dino-Studien zurück. Trotz aller Kritik befestige ich mich immer mehr in der Überzeugung, daß ein bedeutender echter Kern in der Chronik stecken muß. In dem Buch von Fanfani, Dino vendicato, finde ich neben manchem Beachtungswerthen doch im Ganzen wenig Gründliches und viel bloßes Schulgeschwätz, Ruhmredigkeit und eitles Blendwerk. Indessen hat es, wie es scheint, in Italien eine bedeutende Wirkung gemacht. Man giebt dort die vielgepriesene Chronik von vielen Seiten hier bereitwillig auf, nur um es den Deutschen in der Kritik gleich zu thun oder selbst sie darin zu übertreffen. Die streng wissenschaftliche Arbeit von Scheffer Boichorst ist für die Meisten unverständlich; Fanfani vertritt seine Sache mit Fanatismus und wahrem Bekehrungseifer, schreibt leicht und witzig, giebt Behauptungen statt Beweise und ist der gefeierte Mann. Es ist die Manier dieser Herren allerlei Dinge mit vollkommener Schönheit vorzulegen, um daraus weitere Schlüsse zu ziehen, ohne auch nur anzugeben, woher sie ihre Weisheit geschöpft haben, vielleicht damit man ihnen nicht auf die Spur komme. So bemühe ich mich seit einiger Zeit vergebens die Quelle aufzufinden, woraus Fanfani und Capponi – jener pagina 152 seines Buchs, dieser im Anhang derselben p. 273 – ihre Nachrichten über Giovanni Mazzuoli genannt Stradino, den sie zum Fälscher der Chronik machen wollten, geschöpft haben. In dem Florentinischen Codex nennt sich Stradino als Besitzer desselben und einen Busini (nicht Corsini wie Fanfani abgedruckt hat1) als Schenker. Bei Busini möchte man zuerst an Giovann Battista Busini denken, den Sie erst kürzlich in Ihrer Anzeige von Ranke (als Verfasser der Briefe über den Assedio erwähnt haben. Aber leider kann ich den vorausgehenden Vornamen (wie ich vermuthe) in seiner Handschriften-Notiz, welche Fanfani als Noferi gelesen hat (was doch kein Vorname ist) nicht entziffern. Die Schriftzüge sind, wie mir durch einen florentinischen Freund mitgetheilt wurde: nostj . Wissen Sie etwas daraus zu machen? – etwa nostro Giovanni2? Doch hauptsächlich wollte ich Sie befragen über die Storia letteraria, worauf sich Fanfani im Allgemeinen bezieht, worin das was er von Stradino’s Sonderbarkeiten und Beinamen, unter anderem cronaca scrittori, erzählt, sich finden soll? Ich habe Alles was mir irgend erreichbar war, darauf angesehen, aber wenig oder nichts gefunden: wenig in Salvini, Fasti Consolari dell’ Academia Firenze, nichts in Poccianti Catalogus Scriptorem Florentinum nichts in Doni, Librina3, Crescimbeni, Mazzuchelli (geht nur bis 13), Elogi Italiani (Rubbi), Lami Memorabilia, nichts bei den Neueren wie Maffei, Tirabontei4 – und weiß nicht, wo ich weiter suchen soll. Doch ich habe vergessen Giulio Negri, Istoria degli Scrittori Fiorentini, wenn allerdings Einiges über Giovanni Mazzuoli detto Stradino zu lesen ist, aber doch gerade nicht dasjenige als Fanfani von ihm weiß. Es wäre jedenfalls interessant zu erfahren, worauf sich das Wissen desselben gründet und wie sicher dieser Grund ist!

In vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener
Carl Hegel.