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Karl Hegel an Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, Erlangen, 5. Mai 1875

Liebe Susanna!

Mit großer Freude haben wir Deinen heute erwarteten Brief2, der wirklich am Abend ankam, empfangen. So habt Ihr also die Reise ohne Unfall und Störung glücklich vollendet!3 Wir freuten uns für Euch des schönen Frühlingswetters am Montag4, nachdem der Sonntag ein voller Regentag gewesen war; doch seid Ihr auch an diesem ersten Tag in Frankfurt schon durch das Wetter begünstigt gewesen. Von dort aus erhielten wir Anna’s Briefkarte.5 O Anna, Anna, was für Leder hast Du da geschrieben! erst Blumentöpfe, dann Regen, zuletzt Sonnenschein – „hinten scheint die Sonne“6, sang jener Leierkastenmann, der die Schlacht bei Austerlitz im Bilde zeigte! Alle Deine Poesie hast Du für Deinen Felix aufgespart und erschöpft! Nun, es ist gut, daß die Mama uns durch ihre Beschreibung von den schönen Spaziergängen und Blüthenbäumen in Frankfurt schadlos gehalten hat. Dort und in Düsseldorf wurdet Ihr aufs herrlichste und herzlichste empfangen. Deine Schilderung, liebe Susanna, von dem liebeswerthen Familienkreis des Klein’schen Hauses, Mutter, Vater und Töchtern, hat mich sehr erfreut und meine vortheilhafte Meinung von ihm vollauf bestätigt. Gewiß paßt unsere Anna gut in dies Haus hinein und wird sich auch in dieser Beziehung durch die Liebe ihres Felix, der sie darin eingeführt hat, beglückt finden.

Wir hatten heute einen sehr bewegten Tag durch die Feier der Enthüllung des Herz Denkmals. Die Stadt war schon am frühen Morgen in den Hauptstraßen festlich geschmückt. Der Festzug ordnete sich auf dem Geißmarkt, die Blumen streuenden Mädchen und Sängerchöre voran, dann die Studentenverbindungen, Comité und Ehrengäste, Deputationen und Behörden. Das Wetter war höchst günstig: Der Zug ging nach dem Holzmarkt zu dem noch verhüllten Denkmal. Neben diesem war die Rednerbühne errichtet. Brinz hielt die Festrede.7 Leider habe ich sie nicht gehört, denn ich war nicht mit im Zuge, weil ich nicht zur Deputation von Prorector und Decanen gehörte; ich hätte mich wohl, wie einige andere Collegen, ihr anschließen können, doch ich brachte die Kinder zu Wölflin und ließ mich von ihm festhalten in der Meinung, den ganzen Platz nicht bloß besser übersehen, sondern auch die Festrede aus geringer Entfernung bequemer hören zu können. Allein die kräftige Stimme verhallte in dem Wind und in dem Lärm der umstehenden Menge. Die Rede währte etwas lang, gegen ¾ Stunden, wurde aber von denen die sie hörten, sehr gelobt. Das enthüllte Standbild macht einen sehr guten Eindruck; der Charakter, der Gesichtsausdruck mit einem etwas schmerzlichen Zuge um den Mund sind gut getroffen. Bürgermeister Reichold erwiderte im Namen der Stadt auf die Übergabe des Denkmals. Wölflin tractirte die Anwesenden, zu denen noch Lommel, Raumer und Lüder gehörten, mit Champagner. Dann folgte um 1 Uhr das Festessen in der blauen Glocke; gegen 130 Personen nahmen daran Theil. Ministerialrath Völk, der schon den Abend vorher gekommen, wo ich mit ihm und andern Ehrengästen in der Harmonie zusammen war, und auch im Festzuge mitging, befand sich dabei. Ich saß an der Haupttafel, wo mir der Platz angewiesen war neben Dr. Frankenburger und Finanzrath Manz. Reichsrath Cramer-Klett war ebenfalls in der Nähe. Man sah zahlreiche Fremde aus Nürnberg, Fürth, Bayreuth, selbst München und Würzburg: nämlich aus München als Deputirter Ziemssen, der sehr gut aussah, auch (nur auf einen Tag) seine Frau mitgebracht hat, ebenso wie Brinz die seinige, und aus Würzburg Regelsberger. Das Diner nebst Toasten bot nichts gerade bemerkenswerthes. Den Caffe trank ich mit Lommel bei Luise, nachher gingen wir spazieren, nachdem wir vergebens nach einem Brief von Dir im Hause gefragt hatten.

Aus dem Hause zu berichten überlasse ich Mariechen, die eifrig der Wirthschaft vorsteht: es wird viel gefegt, aus- und wieder eingeräumt.

Heute, Donnerstag Morgen, Himmelfahrt, ist es trüb und kühl. Vermuthlich macht Ihr einen Spaziergang im Park; erkundigt Euch nach Pempelfort, wo Gentz wohnte, und nach den Düsseldorfer Malern. Luise will uns zu Mittag bei sich haben, am nächsten Sonnabend will, wie ich höre, Eugen die Kinder mit nach Nürnberg nehmen.

Übereile Dich nicht mit der Rückreise, liebe Susanna, wenn wir Dich gleich recht bald wieder bei uns haben möchten; aber auf einen Tag kommt es bei einer so weiten Reise doch nicht an. Du kannst so bald nicht wieder nach Düsseldorf und an den Rhein. Grüße das Klein’sche Haus, die Eltern und Töchter, ich freue mich darauf sie bei der Hochzeit hier zu sehen. Grüße ebenso das Haus Stintzing und versichere Dich des Besuchs und der Mitfeier der Hochzeit von Seiten Lottchens. Grüße vor allem Annchen, die glückliche Braut, trotz dem Lederstrumpf den sie hierher geschickt! Von ganzem Herzen der Deinige

Carl Hegel

PS. Wenn Dein Plan keine Abänderung erfährt, wirst Du am Sonnabend Nachmittag von Düsseldorf nach Bonn abgehen, dort den Sonntag über bleiben und am Montag die Rückreise antreten. Über das Kommen der lieben Mutter habe ich nichts weiter gehört.