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Karl Hegel an Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, Muggendorf, 10. August 1875

Liebste Susanna!

Ich sitze in meinem Stübchen im Färberhause am offenen Fenster bei hellem Sonnenschein, der die gegenüberliegenden grünen Berge malerisch beleuchtet. Zum Färberhause wurden wir1 vom Kurhause aus, wo alles besetzt war, gewiesen; und angenehmer wohnt und schläft es sich dort in der ländlichen Stille. Im leichten Wägelchen eines flotten Einspänners fuhren wir von Forchheim herüber und kamen nach eilf Uhr hier an. Wir speisten im Kurhause, wo der freundliche und gesprächige Wirth aus Nürnberg – früher im Kronprinzen, sich mir vorstellte, der schon von mir und auch von Dir, mein Fräulein von Tucher, wußte und dessen Frau ehedem im Hause Thiersch in München und bei Frau von Schaden gedint hat und sich auch als vortreffliche Köchin ausweist. Die Bewohner des Kurhauses, überwiegend jüdischer Nation, Familien mit reichem Kindersegen, Hopfenhändler aus Bamberg usw. geben uns Stoff zur Unterhaltung. Eugen hat einige schöne Originale in meinem Notizenbuch abconterfeit, die Ihr mit Vergnügen kennen lernen werdet. Gestern Nachmittag machten wir einen schönen Spaziergang nach Gailenreut. Wir erwarteten mit Spannung die Post, die uns heute Mittag Nachricht von Euch bringen soll; Eugen war gestern bei der Abfahrt etwas bekümmert wegen unseres lieben Lombu2 ; hoffentlich geht es besser; ich wünsche sehr daß auch Luise von schlechten Nächten verschont bleibe.

Mittags. So eben sind zwei Briefe von Luise nebst der A. Z. hier eingetroffen. Daß es dem Kleinen besser geht, gereicht uns zur großen Beruhigung. Es ist heute sehr warm und windstill; wir sind nur wenig in den schönen Schattengang unter den Bäumen auf dem Berge oder vielmehr am Berge jenseits der Wiesent gegangen. Könntet Ihr doch nur eine Woche lang hier zubringen!

Mit tausend Grüßen an die Kinder und an Dich

Dein Getreuer.