Mama war gestern Abend nach einem langen und beschwerlichen Spaziergang – Doos, Riesenburg, Engelhardsberg – zu müde, um an Dich zu schreiben, wie sie es sich vorgenommen, und jetzt ist es für sie noch zu früh, da sie eben erst aufsteht. Uns geht es wohl; wir hoffen sehr, daß es auch Dir, meine liebe Tochter, und Deinem kleinen Buben gut geht1, nachdem die große Hitze nachgelassen hat, und wünschen recht bald von Euch zu hören. Wir fanden hier nur mit vieler Mühe ein getheiltes Unterkommen, ein Theil bei dem Färber, ein anderer Theil, nämlich wir zwei Eltern und Mundel beim Büttner Daum. Muggendorf ist gestopft voll Menschen, das Kurhaus voll von Juden, noch mehr als Eugen mit mir es sah. An Bekannten haben wir gefunden Prof. Heyder und Rector Heerwagen, am Mittagstisch bei Mühlhäuser. Die Familie Maccintyer MacIntyre2 in der Wolfsschlucht, wo wir gestern Mittag im Freien unter einem schönen Nußbaum aßen, Frl. Emilie Enke und Frl. Elisabeth Herzog in der Erholung nebst Schneider Greiner ebendaselbst. Das Wetter war günstig auf unserer Herfahrt und so auch vorgestern und gestern für unsere Spaziergänge. Mundel hat Kameraden, und Sophiechen ihre Mitschülerinnen gefunden.
Empörend ist, daß wir bis jetzt immer noch ohne Nachricht von dem jungen Paar Klein sind! Vergebens fragen wir zwei Mal alle Tage auf der Post nach Briefen; nur eine Karte kam von Willi, worin er uns sein Nichtkommen anzeigte, Ihr aber habt ihn wohl über Mittag am Sonnabend bei Euch gesehen.
Auf folgendem Zettel3 sind verschiedene Desiderien von vermißten Gegenständen verzeichnet, die wir uns zugeschickt wünschen. Sei doch so gut, die Sachen an Katharina zu übergeben. Ich bemerke nur noch, was die meinigen angeht, daß mein kleines Roßhaar-Kopfkissen gemeint ist; und daß das Kästchen in der großen Schublade meines Schreibpults rechter Hand liegt; es fehlt der Deckelaufschlag auf der einen Seite – Eugen kennt es. Meine Stubenthüre ist von innen verschlossen und soll so bleiben, der Eingang ist durch das Schlafzimmer. Die bezeichneten Gegenstände sind mit der Wäsche, welche nachkommen soll, zusammenzupacken und wird sich Katharina dazu am besten der Kiste – der Bänderkiste – mit Deckel und Schließe bedienen, welche in der Garderobe steht. Ein Vorlegeschloß nebst Schlüssel ist wahrscheinlich in der Speisekammer neben der Waage zu finden; im andern Fall ist entweder die Kiste mit Schnur zu versiegeln oder ein neues Vorlegeschloß anzuschaffen und der Schlüssel im Brief zu schicken. Katharina hat ein Formular für die Begleit-Adresse; auf das Kistchen ist eine ebensolche aufzukleben, mit Aufschrift: An Herrn Prof. Hegel in Muggendorf.
Da die Wäsche morgen, Dinstag, früh fertig wird, so könnte die Kiste Mittags gepackt und zwischen 2 – 3 Uhr auf die Post befördert werden, damit wir sie um 7 Uhr Abends hier empfangen.
Mama läßt herzlich grüßen und wird bald schreiben, wenn erst der große Schreibebrief an die Großmama fertig ist, wozu wir ihr nicht4 die rechte Zeit lassen wollen. Ich grüße Eugen und wünsche glückliche Reise nach und Rückkehr von München. Es geht ein Telegraph bis hieher für den Notfall. Lebe wohl meine liebe Luise und schreibe uns wie es Euch geht.