Erlangen, den 8. September 1875
Über die Vorfrage, ob bei der Preisertheilung Ranke berücksichtigt werden solle, kann ich nicht umhin mich im bejahenden Sinne auszusprechen, wenngleich ich das Gefühl theile, daß in einer solchen dem Meister deutscher
Geschichtsschreibung jetzt erst und gleichsam nachträglich zuerkannten Belohnung für eine oder mehrere seiner dies mal in Betracht kommenden Schriften etwas Unangemessenes liegt. Allein diese Unangemessenheit könnte man mehr oder weniger auch in jeder solcher Preisertheilung für hervorragende litterarische Leistungen finden, falls sie nicht bloß, wie man eigentlich wünschen möchte, zur Aufmunterung jüngerer nachstrebender Talente bestimmt wäre. Das Statut § 21 der Wedekind’schen Stiftung macht aber keinen derartigen Unterschied und läßt, wie mir scheint, überhaupt keine Ausschließung irgend welcher Art bezüglich der im Druck erschienenen Werke zu. Wollte man daher die Übergehung der Ranke’schen Schriften noch so geschickt in die Form einer ehrenwerten Huldigung einkleiden, so wäre sie doch kaum von einer gewissen Willkür frei zu sprechen, und schwerlich möchte ein genügender Ausdruck gefunden werden, um nicht die peinliche Empfindung, daß dem übergangenen Autor das ihm Gebührende vorenthalten sei, aufkommen zu lassen.
Bei der Auswahl der Preisschriften läßt das Statut § 21 ferner gänzlich frei, welcher Abschnitt der deutschen Geschichte, ob aus dem Mittelalter oder aus der neueren Zeit, in derselben bearbeitet sein möge, so daß ein Bestimmungsgrund dieser Art für die Ertheilung des einen oder anderen Preises keinen Anhalt findet. Wattenbachs Werk über Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter liegt überdies seiner ersten Abfassung nach | vor dem gegebenen Zeitraum und ist, wenn auch in den späteren Auflagen wesentlich erweitert, immerhin nicht als ein neues zu betrachten. Von Giesebrechts Geschichte der deutschen Kaiserzeit ist wenigstens der 4. Band neu hinzugekommen und demgemäß hier allerdings zu berücksichtigen. Allein ich stehe nicht an, sowohl vor dieser, wie vor den anderen noch weiter genannten hochverdienstlichen Bearbeitungen einzelnen Abschnitte der deutschen Geschichte, dem Werke J. Köstlin‘s über Martin Luther, aus den von Herrn Dümmler angeführten Gründen, den Preis zuzuerkennen.
Carl Hegel
Erlangen, 8. September 1875.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
WedekindstiftungDirektor der Wedekindstiftung (Georg Waitz)
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Archiv der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Chron. 16,4, 16,5, 16,6; Pers. 12, 20, 67; Scient 205,8, 205,10.
Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
1000
Ranke, LeopoldLeopold Ranke
HiKo
11859827917951886Ranke, Leopold (1795–1886), in Wiehe geborener deutscher Historiker, der von 1818 bis 1824 Gymnasiallehrer in Frankfurt an der Oder war. Im Jahre 1824 wurde er außerordentlicher Professor, 1834 ordentlicher Professor für Geschichte an der Berliner Universität. Von 1858 an war er erster Präsident der von ihm initiierten Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Wedekind, Anton Christian11720401317631845Wedekind, Anton Christian (1763–1845), in Visselhövede geborener Historiker, der nach einem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Helmstedt und Göttingen in Hannover Beamter wurde. Während seiner Leitung des Archivs des ehemaligen Benediktinerklosters St. Michaelis in Lüneburg wurde er zum kritischen Geschichtswissenschaftler und stiftete 1819 der Königlichen Gesellschaft (Akademie) der Wissenschaften zu Göttingen 8000 Goldtaler, mit denen nach seinem Tode der Wedekind-Preis für deutsche Geschichte finanziert werden sollte.
Wattenbach, WilhelmWilhelm Wattenbach
HiKo
11715138618191897Wattenbach, Wilhelm (1819–1897), in Rantzau/Holstein geborener Historiker, der nach seinem Studium an den Universitäten Bonn, Göttingen und Berlin im Jahre 1843 zur 1819 gegründeten Monumenta Germaniae Historica (MGH) in Berlin kam. 1855 wurde er Archivar an der Universität Breslau, 1862 ordentlicher Professor an der Universität Heidelberg, 1873 an der Berliner Universität.
Giesebrecht, Wilhelm FriedrichWilhelm Giesebrecht
HiKo
11871736718141889Giesebrecht, Wilhelm Friedrich (1814–1889), in Berlin geborener Historiker, der 1851 außerordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Königsberg wurde, von 1857 bis 1861 dort Ordinarius und anschließend bis 1889 an der Universität München war. Im Jahre 1858 wurde er Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften und von 1862 bis 1889 deren Sekretär. Im Jahre 1875 wurde er Mitglied der neugeschaffenenen Zentraldirektion der MGH in Berlin und wurde Mitglied des Verwaltungsrates und Gelehrtenausschusses des GNM in Nürnberg.
Köstlin, Julius 11630164318261902Köstlin, Julius (1826–1902), in Stuttgart geborener evangelisch-lutherischer Theologe und Kirchenhistoriker, der nach seinem Studium der Theologie an der Universität Tübingen starkes Interesse für die Innere Mission entwickelte. Im Jahre 1855 wurde er außerordentlicher Professor an der Universität Göttingen, 1860 Ordinarius für Systematische Theologie an der Universität Breslau, 1870 an der Universität Halle, wo er seine intensive Beschäftigung mit dem Reformator Martin Luther (1483–1546) fortsetzte.
Luther, MartinMartin Luther11857544914831546Luther, Martin (1483–1546), in Eisleben geborener deutscher Reformator und Begründer der christlichen evangelisch-lutherischen Kirche.
Dümmler, Ernst LudwigErnst Dümmler
HiKo
11623890918301902Dümmler, Ernst Ludwig (1830–1902), in Berlin geborener Historiker, der nach seinem Studium 1852 an der Universität Berlin promoviert wurde und sich 1858 habilitierte. Er wurde an der Universität Halle außerordentlicher Professor und erhielt 1866 den Lehrstuhl für Geschichte und Historische Hilfswissenschaften. Im Jahre 1876 wurde er Mitglied der Monumenta Germaniae Historica in Berlin und 1888 – nach einer kommissarischen Leitung durch Wilhelm Wattenbach (1819–1897) – in der Nachfolge von Georg Waitz (1813–1886) deren Präsident.
DeutschlandKulturgeschichtlich ist damit der Raum deutscher Nation und Sprache gemeint, wo „Teutschland“ im Laufe der Frühen Neuzeit eine Kurzbezeichnung für das „Heilige Römische Reich teutscher Nation“ wurde. Im 19. Jahrhundert wurde „Deutschland“ immer mehr zur inoffiziellen Bezeichnung für die deutschsprachigen Gebiete Mitteleuropas, zunächst das Gebiet des 1815 gegründeten Deutschen Bundes, dann des 1871 gegründeten Deutschen Reiches.
Deutsch/deutsch, Deutsche/r; DeutschesAuf die deutschen Staaten bezogen, den deutschen Staaten zuzuordnen, zu den deutschen Staaten gehörend; deutschsprachig; deutsche Sprache; Angehörige/r der deutschen Staaten, Deutschlands.
GeschichtsschreibungGeschichtliche bzw. historische Darstellung, Abhandlung.
literarische Leistungen, litterarische LeistungenSchriftstellerische Leistungen, Leistungen als Autor, Publikationsleistungen, Publikationstätigkeiten und deren Rezeption.
Wedekindsche Stiftung, Wedekind’sche Stiftung, Wedekind’sche PreisstiftungVon dem Juristen und Historiker Anton Christian Wedekind (1763-1845) im Jahre 1819 ins Leben gerufene, bei der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen angesiedelte Stiftung zur Verleihung des Preises für deutsche Geschichte.
PreisPreis, oftmals aus einer Stiftung stammend bzw. gestiftet oder vergeben von einer wissenschaftlichen Gesellschaft oder Vereinigung für eine entsprechende Preisschrift in Form einer wissenschaftlichen Abhandlung als Auszeichnung für diese; auch: Kaufpreis z. B. für Aktien, Wertpapiere etc. und Preise als Geldwert bzw. Betrag für Güter, Waren, Dientleistungen etc. im Allgemeinen auch unter wirtschaftshistorischen Aspekten zur Erfahrung der Preisentwicklung.
Mittelalter, Mittel-AlterZeit von ca. 600 bis 1500 innerhalb der europäischen Geschichte als historische Epoche gelegen zwischen der Antike und der Frühen Neuzeit.
Kaiserzeit (Heiliges Römisches Reich)In Bezug auf das Heilige Römische Reich vor dem Hintergrund der römischen Antike (Kaiserzeit beginnend mit Augustus [63 v. Chr. - 14 n. Chr.] und der Errichtung des Prinzipats 27 v. Chr. bis 284 n. Chr.) „Erneuerung“ des Kaisertums im westeuropäischen Mittelalter unter den Karolingern seit der Kaiserkrönung Karls des Großen (ca. 747/748-814) im Jahr 800.