Haben Sie besten Dank für Ihren 7. Band1, der mich begreiflicher Weise sehr interessiert hat. Ich habe zuerst die Parthien durchgegangen, die mir am nächsten lagen und erfreue mich gern in manchen Punkten Ihrer Zustimmung, besonders da wo Sie an frühere Arbeiten von mir erinnern, die von anderen unbeachtet geblieben sind. Ihre Behandlungsweise, so weit sie sich auf die Städteverfassung bezieht, ist natürlich eine von der meinigen verschiedene, da nach dem System Ihres großen Werks das Städtewesen nicht als ein Ganzes für sich betrachtet werden kann, sondern nach seinen verschiedenen Seiten hin unter den leitenden Gesichtspunkten der Capitel mit berücksichtigt wird, so im 4. Capitel bei Volk und Städten, im 9. bei Grafen und Burggrafen, im 12. bei Fürstenthümern und Städten. Durch diese Behandlungsweise | gewinnt man dafür den zusammenfassenden Überblick über das Gleichartige oder Verwandte der Dinge und Personenverhältnisse im ganzen Reich und seinen Theilen, und gerade darin finde ich in Ihrem Buch eine fundamentale Belehrung. So war mir Ihre Ausführung über Ministerialen und Consulen im 5. Bande besonders werthvoll und jetzt wieder die Zusammenstellung von den verschiedenen Burggrafen, die von den Marktrechten u. A. Ihre Verfassungsgeschichte hält sich fern von künstlichen Hypothesen auch in diesem Theil, der die Städte und die Stadtverfassung betrifft, und begnügt sich, mit erreichbarer Genauigkeit und Sicherheit darzulegen, was das wirklich war und sich erforschen läßt.
Ich danke Ihnen für die Mittheilung aus Petzholdts Anzeiger über eine CölnischeChronik, der ich weiter nachzugehen nicht unterlassen werde. Wegen des 1. Bandes der CölnerChroniken, der Ihnen auffallender Weise noch nicht zugekommen ist, habe ich nach München| geschrieben; denn die Zusendung erfolgt von dort aus, vermuthlich nur auf buchhändlerischem Wege, um zu sparen.
In dem Studium Ihrer Verfassungsgeschichte wurde ich unterbrochen durch die eben erschienene Schrift von Scheffer Boichorst über Dino gegen mich. Ich bin überrascht, wie sehr er sich gegen mich erregt zeigt und sich aufs hohe Pferd setzt. Ich meinte ihm doch alle gebührende Ehre erwiesen zu haben, wenn ich ihm auch daneben gezeigt habe, daß er nicht unfehlbar und seine Sicherheit etwas zu groß ist. Ich verdenke ihm nun auch nicht, daß er scharfe Waffen gegen mich führt, aber es scheint mir, daß er nicht immer in den Schranken des fair play, wie die Engländer sagen, bleibt und zu wenig merken lassen will, welche Positionen er mir gegenüber bereits aufgegeben hat. Seine Argumentation dünkt mich auch in dieser Schrift bis weilen überscharfsinnig und zu sehr ins Geringschätzige sich verlierend, bis wohin ihm wohl nur wenige folgen werden. Die Weiterführung des Streits| halte ich um so mehr für fruchtlos als wie ja in der Hauptsache, daß der Dino wie er uns vorliegt unecht ist, einverstanden sind. Nur für eine bloße Fiction vermag ich nicht ihn anzusehen.2
Ihren lieben Sohn3 habe ich am letzten Sonntag trotz Schnee und Kälte bei uns gesehen; er befand sich wohl und gefällt sich hier gut. Auch uns hat er durch sein offenes und verständiges Wesen recht gut gefallen.
Zur nächsten Sitzung in Berlin werde ich bereit sein, sobald Sie rufen.4
Von dem 2. Bande Cöln5 liegt die erste Correctur vor.
Waitz, GeorgGeorg Waitz
HiKo
11905914218131886Waitz, Georg (1813–1886), in Flensburg geborener Historiker, der nach einem breiten geisteswissenschaftlichen, juristischen und theologischen Studium an den Universitäten Kiel und Berlin 1836 promoviert wurde. Nach seiner Tätigkeit bei den Monumenta Germaniae Historica wurde er 1842 ordentlicher Professor der Geschichtswissenschaft an der Universität Kiel, wechselte 1848 als Ordinarius an die Universität Göttingen und wurde 1858 Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Als er 1875 Präsident der Monumenta Germaniae Historica in Berlin wurde, ging er gleichzeitig an die Universität Berlin. Er war in erster Ehe mit Clara Schelling (1818–1857), einer Tochter des Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling (1775–1854), verheiratet, in zweiter Ehe mit Helene Franziska Friederike Hartmann (1831–1915), einer Tochter des Generals Georg Julius Hartmann (1774–1856).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Bundesarchiv Berlin: Nachlaß Waitz, N 2321
.
BA Berlin1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Die Chroniken der deutschen Städte
vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert, hg. durch die Historische Commission bei der Königl. Academie der Wissenschaften von Karl
Hegel
, Bd. 13, Die Chroniken der niederrheinischen Städte. Cöln, bearb. von Hermann
Cardauns
, Bd. 2, Leipzig 1876. (https://dlibra.bibliotekaelblaska.pl/dlibra/publication/59560/edition/54943 )
Chroniken der deutschen Städte
, Bd. 13, Cöln, Bd. 2
1876
Petzholdt, Julius11882248918121891Petzholdt, Julius (1812–1891), war ein aus Dresden stammender und dort wirkender Bibliothekar, Publizist, Herausgeber, Bibliograph und Bibliothekswissenschaftler.
Scheffer-Boichorst, PaulPaul Scheffer-Boichorst11860685918431902Scheffer-Boichorst, Paul (1843–1902), in Elberfeld geborener Historiker, der von 1862 bis 1867 an den Universitäten Innsbruck, Göttingen, Berlin und Leipzig studierte, wo er 1867 auch promoviert wurde. Von 1867 bis 1872 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Editionsunternehmen „Regesta Imperii“, dann bis 1875 bei den Monumenta Germaniae Historica. 1875 wurde er außerordentlicher Professor an der Universität Gießen und war von 1876 bis 1890 Ordinarius an der Universität Straßburg, anschließend bis zu seinem Lebensende an der Universität Berlin. Von 1891 bis 1902 gehörte er der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica an, ab 1898 war er Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Mit Karl Hegel (1813–1901) lieferte er sich einen heftigen Disput über die Echtheit der Chronik des Dino Compagni, bei welchem Karl Hegel recht behalten sollte.
Dino CompagniDino Compagni118911090um 1246/12471324Dino Compagni (um 1246/47–1324), der in Florenz geboren wurde und dort auch verstarb, war Chronist, Kaufmann und Politiker; um die Echtheit seiner Chronik entbrannte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein fachwissenschaftlicher Streit, an welchem auch Karl Hegel (1813–1901) federführend beteiligt war und mit seiner Ansicht bezüglich der Echtheit dieser Chronik Recht behalten sollte.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Verfassungsgeschichte, Verfassungs-Geschichte (Waitz)Achtbändiges, mehrfach aufgelegtes Werk des Historikers Georg Waitz (1813-1886) über „Deutsche Verfassungsgeschichte“ (vor allem für Rechtsgeschichte und Mediävistik), welches zwischen 1844 und 1878, bzw. in neubearbeiteter Auflage zwischen 1865 und 1896), Bände 1-6 (ab Band 5 postum) in Kiel bzw. Berlin erschien.
Stadtverfassung, StädteverfassungRechtskräftige Verfassung einer Stadt bzw. mehrerer Städte (Rechtswesen) insbesondere auch als Forschungsgegenstand Karl Hegels (1813-1901).
CapitelKörperschaft von Geistlichen eines evangelischen Kirchenbezirkes.
Stadt, StädteAllgemein in einer Landschaft, einer Herrschaft bzw. in einem Staat verkehrsgünstig, oft zentral gelegener Knotenpunkt von Handel und Gewerbe, Regierung, Verwaltung, Militär und Kult; oftmals Mittelpunkte eines Volkes und weltweit nachweisbar auch hinsichtlich früher Hochkulturen; innerhalb der europäischen Geschichte enge Verflechtung mit Markt und Handel, Ansiedlung von Kaufleuten, Handwerkern und Militär; frühes Streben auf europäischen Boden innerhalb der Städte nach Freiheit und Selbstverwaltung auch äußerlich in Form der freien Reichsstädte mit eigenem Stadtrecht („Stadtluft macht frei“) in Abgrenzung zum geltenden Landrecht, womit die Städte auch als Keimzelle des Bürgerstandes anzusehen sind. Mit seinen Arbeiten zur städtischen Verfassungsgeschichte und der Edition der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München beteiligte sich Karl Hegel (1813-1901) führend an der faktisch-wissenschaftlichen Beweisführung hinsichtlich dieser Annahme hin zur bewiesenen Tatsache, womit seine Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der stadtgeschichtlichen Forschung als gleichsam richtungsweisend wie fundamental anzusehen sind.
GrafAus dem Althochdeutschen stammender Begriff (“g(e)rafio“) wohl für ‚Befehlshaber einer Schar’ stehend, in weiterer Entwicklung seit dem Frankenreich ‚Sachverwalter’ des Königs in einem bestimmten Bezirk, der sogenannten Grafschaft, ausgestattet mit umfassender militärischer Gewalt, Heerbann mit zivilen Aufgaben wie Erhebung von Steuern, Gerichtsbarkeit etc. Im Heiligen Römischen Reich waren die Grafen mit Landschaften dem Hochadel zuzuordnen und besaßen seit dem frühen 16. Jahrhundert eigene Reichsstandschaft; die übrigen Grafen bildeten die oberste Stufe des niederen Adels; seit dem späteren Mittelalter nur noch ein verliehener Titel für königliche Amtsträger; Adelstitel zwischen Fürst und Freiherr stehend.
Burggraf, BurggrafenAus dem Mittellateinischen stammender Begriff, auch: „castellanus“ bzw. „Kastellan“, der eine Amtsperson beschreibt, die in Burgen und Städten (v. a. in Reichsburgen, -städten und Bischofsstädten) militärischer Befehlshaber mit richterlicher Gewalt war; in späterer Zeit erbliche Burggrafenwürde, schließlich bloßer Titel.
FürstenthumFürstentum als Herrschaftsgebiet eines Fürsten (seit dem 16. Jahrhundert als Begriff nachweisbar); Synonym für Herzogtum oder Territorialstaat.
Heiliges Römisches ReichDas am 6. August 1806 von Kaiser Franz II. (1768-1835) für beendet erklärte „Alte Reich“, das kein Deutsches Reich im Sinne eines Nationalstaates war.
MinisterialenDienstmannen im mittelalterlichen Reich im Dienst weltlicher oder geistlicher Herrscher innerhalb von Hofämtern, der Verwaltung und bezüglich Kriegsdienst, ursprünglich unfrei, im Lauf des Mittelalters Beseitigung der Reste der Unfreiheit und teilweises Zusammenwachsen mit schwachen Schichten des Hochadels hin zum neuen Stand des niederen Adels.
ConsulBegriff ursprünglich aus der römischen Aktike stammend als Bezeichnung für die beiden höchsten Beamten innerhalb der römischen Republik, welcher übertragen wurde auf den zumeist für ein Jahr gewählten Beamten zur Leitung einer Stadt vornehmlich im 11. bis 13. Jahrhundert besonders im Gebiet des heutigen Italien.
Marktrecht, MarktrechteVerliehenes Recht, an einem bestimmten Ort Markt abzuhalten; Rechtsbestimmungen zur Abhaltung des Marktes.
VerfassungsgeschichteInterdisziplinäres Teilgebiet der Geschichts- und der Rechtswissenschaft auch hinsichtlich rechtshistorischer Kontexte, das sich vornehmlich mit der Entwicklung von Verfassungen im Laufe der Geschichte beschäftigt.
Hypothese, künstlicheUnbewiesene Annahme rein theoretisch vorhandener Gesetzmäßigkeiten als Hilfsmittel für wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich nicht mit Fakten belegen lassen und daher nur „künstlich“, in der Theorie deduktiv hergeleitet wurden.
Petzholdts AnzeigerZeitschrift des Bibliothekars und Bibliographen Julius Petzholdts (1812-1891) aus Dresden, welcher diese zwischen 1840 und 1884 herausgab unter dem Titel: „Anzeiger für Literatur der Bibliothekwissenschaft“, ab 1845: „Anzeiger der Bibliothekwissenschaft“, seit 1851: „Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft“ und schließlich von 1856 an: „Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft“.
Cölner, Kölner, Cölnisch, KölnischZur Stadt Köln gehörend, auf Köln bezogen, Köln zuzuordnen.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Schrift von Scheffer B[oichorst] über Dino 1875 in Leipzig erschienene Schrift des Historikers Paul Scheffer-Boichorst (1843-1902) unter dem Titel: „Die Chronik des Dino Compagni – Kritik der Hegel’schen Schrift: Versuch einer Rettung“ von Paul Scheffer-Boichorst“; vgl. dazu auch: Dinofrage, Dinostreit.
Dino-Chronik, Chronik des Dino Compagni, Dino-HandschriftDer Florentiner Kaufmann, Politiker und Chronist Dino Compagni (um 1246/47-1324) verfasste zwischen 1310 und 1312/1313 eine Chronik der Stadt Florenz in drei Büchern („Cronica delle cose occorrenti ne’ tempi suoi“), in der die Kämpfe zwischen weißen und schwarzen Guelfen eine zentrale Rolle spielen. Dino beschränkte sich auf den Zeitraum zwischen den 1280er Jahren bis 1312. Literarisch ist das Werk ansprechend geschrieben und liefert überdies wertvolle Informationen für die entsprechende Phase der florentinischen Geschichte. In der italienischen, aber auch in der deutschen Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts wurde der sogenannte „Dinostreit“ bzw. die sogenannte „Dinofrage“ um die Echtheit dieser Chronik geführt bzw. gestellt. So vertrat Paul Scheffer-Boichorst (1843-1902) die Fälschungsthese, wohingegen der Erlanger Historiker und sehr gute Kenner der italienischen Stadtverfassungsgeschichte Karl Hegel (1813-1901) für ihre Echtheit plädierte. Die Echtheit der Schrift wurde in der Folgezeit vornehmlich durch die Forschungen von Isidoro Del Lungo (1841-1927) bestätigt.
DinostreitDisput um die Echtheit der Chronik des Florentiner Kaufmanns, Politikers und Chronisten Dino Compagni (um 1246/47-1324), infolgedessen auch einige diesbezügliche Publikationen erschienen, auch von Karl Hegel (1813-1901), vgl. hier sein Schriftenverzeichnis, der sich in diesem Kontext insbesondere einen Schlagabtausch mit seinem Historiker-Kollegen Paul Scheffer-Boichorst (1843-1902) lieferte und in seiner Sichtweise Recht behalten sollte.
PlenarversammlungJährlich stattfindende Vollversammlung der Mitglieder der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München; von Karl Hegel (1813-1901) auch gebrauchter Begriff für die jeweiligen Jahresversammlungen der Zentraldirektion der MGH in Berlin.
Correctur, CorrecturenKorrektur bzw. Korrekturen im Rahmen einer historisch-kritischen Edition bzw. Korrekturen im Rahmen einer Drucklegung; auch: Korrekturen von Abiturprüfungen.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis