Du hast uns in hohem Grade überrascht und beschämt, aber doch auch sehr erfreut durch die reichen Gaben, welche Du in vortrefflichen Landesprodukten unserer Heimath uns zugesandt hast, zuerst die stattlichen Lebkuchen im heimkehrenden Fußsack, dann das mächtige Bierfaß aus der berühmten Freiherrlichen von Tucherschen Brauerei. Wir sagen Dir insgesammt, die Alten und die Jungen dafür unseren herzlichsten Dank und werden mit diesem Dankgefühl uns Beides, das Trockene und das Nasse aus der alten freien Reichsstadt Nürnberg bestens schmecken lassen. Das Faß hat Willi mit Geschick und Vorsicht aufs Lager gebracht und will es am dritten Feiertag1 selbst eigenhändig auf Flaschen ziehen. Ich werde dann nur darauf zu achten haben, daß der edle Saft mit sparsamer Mäßigung besonders von Willi und seinen Germanen2, genossen werde. An guten Freunden wird es dabei nicht fehlen; auch unsere Marie wird, wie wir hoffen, daran Theil nehmen. Wir erwarten sie übermorgen mit Conrädchen, um hier mehrere Wochen zu verweilen, da Rudolf zur Dienstübung als Reserveoffizier beim zweiten Garderegiment3 einberufen ist. Sie logiren wieder bei Eltern Bitter, wo zu ihrer aller Aufnahme reichlich Raum vorhanden ist. Wir freuen uns sehr darauf, mit ihnen die Festzeit4 hier verleben zu können; das Frühjahr beginnt nun auch in der Natur seine Rechte zu behaupten, und es ist die Zeit, da Berlin für alle, welche dazu Neigung und Muße haben, am meisten genießbar ist. – In der vorigen Woche hatten wir anderen Besuch, da unsere Nichte, Auguste von Flottwell vom Prediger Müllensiefen eingesegnet wurde; dazu war ihre Tante, Elise von Böse aus Danzig hergekommen in Begleitung ihrer Tochter, und wenn sie auch im Hotel logirten, so war doch viel Verkehr in unserem Hause. Es war aber die Einsegnung eine schöne Feier und das gute Kind davon ernst und tief ergriffen. Auguste ist ein gewissenhaftes Mädchen von etwas phlegmatischer Natur; ihre jüngere Schwester Grethe hat mehr Flottwellsches Temperament und hat viel Aehnlichkeit mit ihrer Tante, meiner seligen Friederike. Welche Freude würde Herrmann an diesen seinen Kindern haben und nun schwebt auch immer noch die Sorge um die Mutter über ihnen.
Im Uebrigen weiß ich Dir aus unserem Leben, so weit es Dich interessiren könnte, nichts Erhebliches zu berichten. An Arbeit und Unruhe für mich fehlt es dabei nicht und ich bin an jedem Tag zufrieden, wenn ich mich mit dem Bewußtsein ins Bett nd ich denke oft an den aus reichster Erfahrung geschöpften Denk- und Sinnspruch des alten Königs: „Meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in Gott.“5 Es ist auch allein Gottes allmächtiges Regiment, in dem wir in den Wirren und Thorheiten der Zeit, und auch in aller persönlichen Trübsal und Sorge einen festen Halt, Grund, Vertrauen und Zuversicht gewinnen können. Und so habe ich auch in dem Bemühen, die Sorgen für die Zukunft vom Herzen abzuwälzen, weil sie zu tragen eine übermenschliche Kraft erfordern würde, von einem Tage zum andern in der Erwartung der Dinge, die nach Gottes Fügung kommen werden und uns vielleicht die Fragen und Räthsel, mit denen wir uns quälen, lösen können.
legen kann, daß das Nothwendige beschafft und abgethan worden ist uIn Deinem Briefe6 machst Du die interessante Mittheilung, daß die Tuchersche Familie die Absicht habe, einen ländlichen Grundbesitz anzukaufen, dessen Bewirthschaftung oder Pachtung dem guten Vetter August übergeben werden könnte. Es wäre dies ein glücklicher Ausweg, diesem Bräutigam eine passende Existenz zu verschaffen und würde mich besonders in der aufrichtigen Theilnahme für seine von allen Seiten als ebenso achtungswerth wie liebenswürdig geschilderte Braut sehr erfreuen, welcher er doch schuldig ist, eine befriedigende Heimath zu schaffen.
Gestern, Sonntag, Nachmittag machten wir nach langer Zeit wieder einen Besuch bei Lepsius, wo sich ein größerer Kreis von notablen Personen zusammen fand; unter ihnen ein sehr glückliches, eben verlobtes Brautpaar, Professor Steindorff aus Göttingen, der Dir auch als Gehülfe von Waitz wohl bekannt ist, mit der jüngeren Tochter dieses seines Lehrers; beide machten einen sehr fröhlichen Eindruck.
Von Clara und den Kindern die herzlichsten Grüße mit dem Ausdruck ihres verbindlichsten Dankes für die freundlichen Gaben, die zum Theil schon genossen sind, zum größeren Theil aber ihr Geschick noch erwarten oder dazu vorbereitet werden.
Mit herzlichen Wünschen und Grüßen für Dich und Dein ganzes Haus