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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 15. Juni 1876

Theurer Freund!

Hoffentlich sind Sie wohlbehalten und mit reicher Ausbeute von Ihrer italienischen Reise1 zurückgekehrt!

Was mich betrifft, so habe ich mir zu Pfingsten2 einen 14 tägigen Urlaub genommen, um in den Archiven von Cöln und Düsseldorf Nachlese für meine Zwecke zu halten und der hanseatischen Geschichtsversammlung beizuwohnen. In beiden Beziehungen war meine Reise nicht vergeblich. Mit Mantels, von Bippen und Hänselmann habe ich persönliche Rücksprache über ihre Arbeiten zu den Chroniken genommen und von allen Dreien die beste Zustimmung erhalten; Mantels versprach, einen guten Theil seines Manuscripts bis zum Herbst zu liefern; die beiden anderen sind mit der Chronikenarbeit fortdauernd beschäftigt. Dr. Cardauns, der leider jetzt durch die von ihm übernommene Redaction der ultramontanen Cölnischen Volkszeitung den wissenschaftlichen Studien entfremdet ist, hat doch vorher noch die Bearbeitung der Cölnischen Chroniken nahezu vollendet und der zweite Band3 geht im Druck seinem nahen Ende entgegen. Ich kann nicht genug bedauern, daß Reifferscheid die sprachliche Revision nebst Glossar abgelehnt hat, so daß ich auf den weit weniger gut qualificirten Birlinger zurückkommen muß. Um aber auf die nächste Veranlassung dieses meines Schreibens zu kommen, so hat der eben genannte Reifferscheid sie mir durch die von ihm veröffentlichten Briefe von Everhard von Groote, dem Herausgeber der Hagen’schen Reimchronik, gegeben, wobei auch ein Brief von Jacob Grimm, aus Cassel, 17. Januar 1824, an diesen abgedruckt ist, in welchem es in Bezug auf die Cölnische Reimchronik heißt: ‚Handschriften in meinem Bereich wüßte ich keine, aber zu Rom steckt noch eine (nicht zur Heidelberger Bibliothek gehörige); fragen Sie Niebuhr darum, der sich schon vor Jahren selbst für das Werk interessierte. Ich frage nun Sie, ob Ihnen etwa bei Ihren Nachforschungen im Vatican eine solche Handschrift begegnet ist, oder wenn nicht, ob Sie eine Gelegenheit wissen, um der Sache noch weiter nachzugehen? Ich meine, daß es sich wohl der Mühe verlohnen würde, da der durch eine einzige späte Handschrift überlieferte Text noch arg viel zu wünschen übrig läßt.

Mit herzlichem Gruß
der Ihrige
Carl Hegel.