Erlangen 8 December 1876
Abends.
Sehr geehrter Herr College!
Ich habe Ihr mir sehr angenehmes Schreiben vom gestrigen Datum heute Nachmittag erhalten und komme so eben aus der Senatssitzung, in welcher unsere, der Facultät, Vorschläge wie zu erwarten einstimmig angenommen wurden; auch bin ich Ihnen dieses mitzutheilen vom akademischen Senat ausdrücklich beauftragt. Unser Vorschlag aber geht eigentlich allein auf Ihre Berufung mit der dringenden Bitte, dies so viel als möglich zu beschleunigen und nur eventuell, für den Fall wenn Sie nicht mehr für uns zu haben wären, haben wir noch Martin in Prag an zweiter Stelle in Vorschlag gebracht. Der Bericht des Prorectors, Professor
Bechmann, wird morgen nach München
| mit dem meinigen abgehen, und Ihre definitive Berufung ist jetzt nichts als eine Zeitfrage, welche von der Erledigung im königlichen
Cabinet abhängt, das sich zur Zeit noch in Hohenschwangau aufhält. Da aber die Beschleunigung der Sache hoffentlich ebenso von dem Minister
Lutz, wie von uns, betrieben werden wird, so ist die königliche Bestätigung doch wohl noch vor Weihnachten zu erwarten. Nöthigenfalls werden wir drängen, und sollten Sie mich unterdeß telegraphisch von der erfolgten Berufung nach Bonn benachrichtigen, so werden wir weiter nach München
telegraphieren und uns Auskunft erbitten.
Sobald die königliche Bestätigung erfolgt ist, beauftragt der Minister unseren Prorector, die officielle Verhandlung zur Berufung mit Ihnen zu führen und es genügt die Erklärung Ihrer Annahme, um die Sache zum Abschluß zu bringen. Sie | können 1200 Mark und nach Umständen auch mehr – ich weiß nicht einmal, ob Sie verheiratet sind – Umzugskosten verlangen und, wie ich meine, unbedenklich am 24. Ihre Wohnung in Straßburg kündigen, da Sie doch gewiß nicht mehr Gefahr laufen, sich zwischen zwei Stühle zu setzen.
Sie haben mich speciell sehr erfreut durch Ihre erneute Versicherung, daß Sie gern zu uns kommen, und ich bin gewiß, daß es Ihnen bei uns wohlgefallen wird. Wir wollen Sie wenigstens mit offenen Armen empfangen.
Ich bitte Ihren vortrefflichen Collegen Scherer von mir zu grüßen und ihm zu sagen, daß ich ihm nächstens schreiben werde.
Mit vorzüglicher Hochachtung
der Ihrige
Carl Hegel.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Steinmeyer, Emil EliasElias Steinmeyer11861755918481922Steinmeyer, Emil Elias (1848–1922), in der Nähe Potsdams geborener, aus preußischem Pfarrhaus stammender Germanist und Altphilologe, der nach seinem Studium an der Berliner Universität von 1873 bis 1877 außerordentlicher Professor für germanistische Mediävistik an der Universität Straßburg war, anschließend bis 1913 Ordinarius für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Erlangen.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Universitätsbibliothek (UB) Erlangen-Nürnberg, Erlangen: Ms. 2053; Ms. 2069; Ms. 2306; Rar V, 11
.
UB Erlangen-Nürnberg
1000
Martin, Ernst11680351718411910Martin, Ernst (1841–1910), war Germanist und Romanist, der nach einem Studium in Jena zunächst als Gymnasiallehrer in Berlin wirkte, sich 1866 in Heidelberg habilitierte, 1868 wurde er Extraordinarius in Freiburg im Breisgau, dort 1872 dann Ordinarius, bevor er 1874 nach Prag ging. 1877 erfolgte seine Berufung nach Straßburg; er war auf der Berufungsliste für die Besetzung des Erlanger Lehrstuhls im Jahr 1876 auf Platz zwei hinter dem Germanisten Elias Steinmeyer (1848–1922), der schließlich an die Universität Erlangen berufen wurde.
Bechmann, Georg Karl August11886906X18341907Bechmann, Georg Karl August (1834–1907), in Nürnberg geborener Rechtswissenschaftler, der nach Studium an den Universitäten München und Berlin, Promotion an der Universität Erlangen und Habilitation an der Universität Würzburg ordentlicher Professor an den Universitäten Basel (1862–1864), Marburg (1864), Kiel (1864–1870), Erlangen (1870–1880), Bonn (1880–1888) und München (1888–1907) war, in Kiel (1869/70), Erlangen (1876/77) und München (1894/95) auch Prorektor beziehungsweise Rektor.
Lutz, Johann11894013918261890Lutz, Johann (1826–1890), im unterfränkischen Münnerstadt geborener bayerischer Politiker, der von 1843 bis 1848 an der Universität Würzburg Rechtswissenschaften studierte und als bayerischer Delegierter an der Abfassung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches mitwirkte. 1862 wurde er Assessor im Bayerischen Justizministerium und war von 1867 bis 1870 Bayerischer Justizminister, von 1869 bis 1890 Bayerischer Kultusminister sowie von 1880 bis 1890 zugleich Vorsitzender des Bayerischen Ministerrates (Bayerischer Ministerpräsident).
Scherer, WilhelmWilhelm Scherer11860720018411886Scherer, Wilhelm (1841–1886), war Germanist und Literaturhistoriker. Seit 1868 wirkte er als ordentlicher Professor für Deutsche Philologie an der Universität Wien, 1872 folgte er dem Ruf an die neugeschaffene Kaiser-Wilhelms-Universität in Straßburg, um fünf Jahre später schließlich an die Universität Berlin zu wechseln, wo er Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte wurde.
Prag50.0874654,14.4212535Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Böhmen, an der Moldau gelegen.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Hohenschwangau47.5562147,10.7409808In Höhe von etwa 800 Metern gelegenes Dorf im Ostallgäu zu Füßen des Schlosses Hohenschwangau, einer Sommerresidenz der bayerischen Könige, etwa vier Kilometer südöstlich von Füssen entfernt.
BonnAuf eine römische Gründung zurückgehende alte kurfürstliche Residenzstadt am Rhein mit menschlichen Besiedlungsspuren, die ca. 14.000 Jahre zurückreichen, nach französischer Herrschaft ab 1815 eine Stadt des Königreiches Preußen, etwa 30 Kilometer nördöstllich von Köln gelegen.
Straßburg48.584614,7.7507127Ehemalige Reichs-, Universitäts- und Bischofsstadt am Westufer des Rheines und an der Ill zwischen Vogesen im Westen und Schwarzwald im Osten gelegen.
Senat, akademischer (Universität Erlangen)Akademischer Senat der königlichen Universität Erlangen.
Prorector, Prorektor (Erlangen)Wie an der Universität Erlangen war an allen Universitäten des Königreichs Bayern stets der König Universitätsrektor, ein jährlich neu gewählter Professor sein Vertreter als Prorektor.
Professor, ProfeßorBerufs- oder Amtsbezeichnung und Anrede für den Inhaber einer Professur an einer Universität oder Hochschule, wobei nicht jeder Professor eine Professur bekleidet; früher auch Bezeichnung für einen Gymnasiallehrer (Gymnasial-Professor) bzw. Lehrer an einer Lateinschule.
königlichAuf einen König bzw. auf ein Königreich bezogen, dazu gehörend, diesem zuzuordnen.
MinisterAus dem Lateinischen für: „Diener“ herkommende Bezeichnung und auf mittelalterliche Hofämter zurückgehender Titel, der sich bis zum 19. Jahrhundert für Inhaber der höchsten Regierungsämter eines Landes bzw. Staates durchsetzte.
telegraphischEine durch Telegramm übermittelte Botschaft.
telegraphierenEine Nachricht per Fernschreiben (= Telegramm) übermitteln.
BerufungHier im Sinne von: Ruf auf eine Professur und damit Angebot für ein wissenschaftliches Amt.
MarkIm Jahre 1871 eingeführte Währung des Deutschen Reiches, die in 5, 10 und 20 Stücken geprägt wurde. Da sie eine zu einem Drittel goldgedeckte Währung war, wurde sie auch als Goldmark bezeichnet.
Umzugskosten, UmzugszuschußKosten für einen erforderlichen Umzug, die im Zuge einer Berufung an eine Universität anfallen und ggf. von dieser übernommen bzw. getragen oder erstattet werden.