Indem ich Ihnen hierneben Ihre Notizenblätter zurückschicke1, wiederhole ich Ihnen meinen und unserer ganzen Facultät wärmsten Dank für den wichtigen Dienst, den Sei uns durch Ihren gefälligen Beirath geleistet haben. Durch unsere vereinten Bemühungen sind wir schnell zum glücklichen Ende Ziel gelangt.
Steinmeyer ist der unserige geworden in dem Moment, da wir ihn zu verlieren fürchteten Wir danken es hauptsächlich unserem Ministerium, daß es unseren Wünschen so bereitwillig entgegenkam und mit Hülfe der Telegraphen die Entscheidung im königlichenCabinet so ungewöhnlich rasch herbeiführte. So wurde die peinliche Lage, in der sich Steinmeyer ein paar Tage hindurch befand,| bald ganz gehoben, und er hat es von seiner Seite ebenso wenig an rascher Entschließung fehlen lassen, wofür wir ihm zu vielem Dank verpflichtet sind.
Sie wissen, daß unser eventueller Vorschlag auf Martin gieng, von dem wohl anzunehmen war, daß er – besonders nach den neuesten häßlichen Czechen-Demonstrationen2 – gern von Prag weggehen würde. Schönbach wäre als dritter an die Reihe gekommen, falls es auch nöthig erschienen wäre, einen Dritten zu nennen. Er sehnt sich, wie wir wissen, von Gratz fort. Über die Vorschläge, die uns von anderen Seiten zukamen – Schröer, Kelle, selbst Bechstein – habe ich mich wirklich gewundert. Nur die Ihrigen habe ich solide und zuverlässig gefunden.
Möge es nun unserem Steinmeyer bei uns wohl gefallen! Ich fürchte zunächst für ihn die Wohnungsnoth, | über die er vielleicht so bald nicht hinauskommen wird. Auch Andere haben sich eine Zeitlang mit einem Provisorium behelfen müssen, bis sich etwas besseres aufthat. Die Nachfrage ist immer größer als das Angebot, und was nun gebaut wird, genügt kaum den mäßigsten Ansprüchen. Doch Steinmeyer wird ja bald selbst zusehen; wir freuen uns sehr darauf, ihn schon jetzt bei uns zu begrüßen.
Mit aufrichtiger Hochachtung
der Ihrige Carl Hegel.
1Nicht beiliegend. 2Aufkommende Nationalbewegung im Königreich Böhmen unter der habsburgischen Herrschaft, deren erste Vorläufer ab Ende des 18. Jahrhunderts auszumachen sind; hier ist der Kontext der „Dezemberverfassung“ von 1867 zu sehen.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Scherer, WilhelmWilhelm Scherer11860720018411886Scherer, Wilhelm (1841–1886), war Germanist und Literaturhistoriker. Seit 1868 wirkte er als ordentlicher Professor für Deutsche Philologie an der Universität Wien, 1872 folgte er dem Ruf an die neugeschaffene Kaiser-Wilhelms-Universität in Straßburg, um fünf Jahre später schließlich an die Universität Berlin zu wechseln, wo er Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte wurde.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin
: PAW (1812-1945), II-III-121. 123; II-V-53, 64, 77, 153.
BBAW Berlin1000
Steinmeyer, Emil EliasElias Steinmeyer11861755918481922Steinmeyer, Emil Elias (1848–1922), in der Nähe Potsdams geborener, aus preußischem Pfarrhaus stammender Germanist und Altphilologe, der nach seinem Studium an der Berliner Universität von 1873 bis 1877 außerordentlicher Professor für germanistische Mediävistik an der Universität Straßburg war, anschließend bis 1913 Ordinarius für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Erlangen.
Martin, Ernst11680351718411910Martin, Ernst (1841–1910), war Germanist und Romanist, der nach einem Studium in Jena zunächst als Gymnasiallehrer in Berlin wirkte, sich 1866 in Heidelberg habilitierte, 1868 wurde er Extraordinarius in Freiburg im Breisgau, dort 1872 dann Ordinarius, bevor er 1874 nach Prag ging. 1877 erfolgte seine Berufung nach Straßburg; er war auf der Berufungsliste für die Besetzung des Erlanger Lehrstuhls im Jahr 1876 auf Platz zwei hinter dem Germanisten Elias Steinmeyer (1848–1922), der schließlich an die Universität Erlangen berufen wurde.
Schönbach, Anton Emanuel11685998918481911Schönbach, Anton Emanuel (1848–1911), war Germanist, Kultur- und Literaturwissenschaftler, der seit 1873 als außerordentlicher Professor an der Universität Graz wirkte, seit 1876 als Ordinarius.
Schroeer, Karl JuliusKarl Julius Schroeer11882756118251900Schroeer, Karl Julius (1825–1900), auch Schröer, Literaturhistoriker, Germanist, Goetheforscher und Dichter, war seit 1852 Professor in Preßburg. 1861 wechselte er nach Wien und wurde dort zunächst Direktor der evangelischen Schule. Später erhielt er an der Polytechnischen Hochschule Wiens eine Professur.
Kelle, Johann 11611690018281909Kelle, Johann (1828–1919), war Hofrat, Professor an der Universität Prag und wirkte dort als Germanist und Philologe.
Bechstein, Reinhold Ludwig Bernhard MatthäusReinhold Bechstein102236400618331894Bechstein, Reinhold Ludwig Bernhard Matthäus (1833–1894), war Germanist, Philologe und zunächst Extraordinarius an der Universität Jena (seit 1869), bevor er 1871 an die Universität nach Rostock wechselte. Er war erstgeborener Sohn des Schriftstellers, Archivar und Leiters der Meininger Herzoglichen Bibliothek Ludwig Bechstein (1801–1860), die der Sohn zunächst nach dessen Tod fortgeführt hatte, während er dort den erkrankten Vater zuvor schon unterstützt hatte.
Prag50.0874654,14.4212535Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Böhmen, an der Moldau gelegen.
Graz47.0708678,15.4382786Etwa 180 Kilometer südwestlich von Wien an der Mur gelegene Hauptstadt der Steiermark.
MinisteriumSeit dem 19. Jahrhundert gebräuchlicher Begriff für die höchste Verwaltungsbehörde eines Landes mit einem bestimmten, ihr zugewiesenen Aufgabenbereich im Sinne von Ressort sowie Dienststelle; darüber hinaus auch die Gesamtheit der Minister, Ministerrat und Regierung bedeutend.
Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten, Staats-Ministeriums des Innern für Kirchen- und Schul-Angelegenheiten (Bayern)Von 1849 bis 1918 offizielle Bezeichnung für das Bayerische Kultusministerium.
TelegraphenFernschreiber, der mit Hilfe akustischer, optischer oder elektrischer Signale Fern-Nachrichten (Fernschreiben, Telegramme) in kürzester Zeit im Gegensatz zum Versand von Nachrichten per Briefpost oder Boten übermittelt.
königlichAuf einen König bzw. auf ein Königreich bezogen, dazu gehörend, diesem zuzuordnen.
WohnungsnothWohnungsnot bedeutet, dass auf dem Immobilienmarkt hinsichtlich Angebot und Nachfrage ein Missverhältnis (zu hohe Nachfrage nach Wohnraum) vorliegt, infolgedessen es zu wenig bezahlbaren Wohnraum (Miete oder Kauf) für die an einem bestimmten Ort lebenden Menschen gibt, wo diese Wohnungsnot (= Wohnraummangel) herrscht (z. B. bezogen auf eine Stadt, ein Land etc.).
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis