Ich habe heute Nachmittag den Miethvertrag mit der Frau Fleischmann, welche allein der redende Theil der beiden Eheleute ist, mündlich abgeschlossen.
Als Miethpreis für die ganze Wohnung nebst Mansardenzimmer, Bodenraum, Keller, Holzlager und Mitbenutzung der Waschküche, wozu auch ein Badezimmer gehört, habe ich 500 florin bestimmt und, mit Abrundung auf 860 Mark, daran festgehalten, welcher auch zugestanden worden ist. Dabei übernimmt der Vermiether auf seine Kosten die Herstellung einer Eingangsthür statt eines Fensters nach Ihrer späteren Bestimmung und eines fünften Ofens für eines der | hinteren Zimmer. Die Zahlungs- und Kündigungstermine sind vierteljährlich, nach hiesiger Gewohnheit1 zu Anfang Mai, August usw., NotabeneNotabene also ist, wenn Sie die Wohnung, wie ausgemacht worden, schon vom 1. April an nehmen, für den Monat April die Miethe vor dem ersten Vierteljahr besonders zu vergüten. Die Kündigungsfrist aber ist halbjährlich, das heißt die Kündigung muß von beiden Seiten ein halbes Jahr vor dem beabsichtigten Auszuge stattfinden.
Frau Fleischmann sagte mir, daß ihr Mann einen schriftlichen Contract nicht für nöthig halte; ich glaube, die Schwierigkeit liegt für ihn darin, daß er damit kaum recht zu Stande zu kommen wüßte. Da aber nicht Sie selbst die mündliche Nachhandlung geführt haben, so müsste es sich doch wohl empfehlen, daß Sie die oben angegebenen Bestimmungen in doppelter Ausfertigung zu Papier brächten und die eine dann selbst unterzeichneten, wogegen der Vermiether die andere zu unterzeichnen hätte. Die Wohnung erscheint mir sehr preiswürdig und eine der besten, die hier überhaupt zu haben sind; |mit den wirtschaftlichen Bequemlichkeiten, nebst Hofraum und Garten, welche sie darbietet, wird sich kaum eine andere hiesige Miethswohnung vergleichen können, und mit den gutmüthigen Wirthsleuten wird gewiß auch gut auszukommen zu sein. So hoffe und wünsche ich, daß es Ihnen in diesem neuen Heim gut gefallen werde, und sicher noch besser, wenn Sie erst einen eigenen Hausstand darin begründen.
Was die andere Angelegenheit der „Professur der französischen und englischen Sprache und Literatur“ betrifft, so ist an ProfessorSuchier nicht weiter zu denken, da wir nicht hoffen können, ihn für uns zu gewinnen (wie wir unterdessen sicher erfahren haben); um so mehr an Dr. Vollmöller, der uns wie von Ihnen, so auch von anderen Seiten, namentlich von Suchier selbst, dringend empfohlen worden ist. Ich werde daher unserer Facultät empfehlen, ihn allein vorzuschlagen, und zwar als außerordentlicher Professor mit dem Normalgehalt von 3180 Mark, wozu die Quinquennalzulagen| von je 180 Mark hinzukommen; jedoch ist bei der Qualification von Dr. Vollmöller nicht anzunehmen, daß er ein ganzes Quinquennium oder länger auf die Beförderung zum ordentlichen Professor werde warten müssen. Ich setze voraus, daß Dr. Vollmöller geneigt sei, dem Rufe hierher unter den angegebenen Bedingungen zu folgen, bitte Sie aber ihn dennoch zu fragen und auch, ob er schon zu Ostern2 kommen könne. Sodann wären mir noch einige Daten über ihn erwünscht, um davon für meinen Bericht Gebrauch zu machen: Lebensalter, Studiengang und Schriften – alles nur ganz in Kürze. Von Schriften ist mir nur bekannt die Tübinger
Preisschrift; angekündigt und zum Theil gedruckt soll sein: die Übersetzung des Gottfried von Monmouth, unter Mitwirkung von Conrad Hofmann, angekündigt auch eine neue Ausgabe des Poema del Cid. – Ich werde die Anberaumung der Facultätssitzung bis dahin verschieben, wenn ich die gewünschten Nachrichten erhalten habe.
Mit herzlichem Gruß
ergebenst der Ihrige Carl Hegel
1Dies bezieht sich auf die geschäftlichen Gepflogenheiten bezüglich der Anmietung bzw. Vermietung von Wohnungen, Wohnräumen in der Stadt Erlangen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 21./2. April 1877.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Steinmeyer, Emil EliasElias Steinmeyer11861755918481922Steinmeyer, Emil Elias (1848–1922), in der Nähe Potsdams geborener, aus preußischem Pfarrhaus stammender Germanist und Altphilologe, der nach seinem Studium an der Berliner Universität von 1873 bis 1877 außerordentlicher Professor für germanistische Mediävistik an der Universität Straßburg war, anschließend bis 1913 Ordinarius für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Erlangen.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg (GNM), Historisches Archiv: Akten, K. 9: 1 Bd. „Matrikel des GelehrtenAusschusses“; K. 10: Nr. 3; K. 188: Bibliothek, Schenkungen 1878-1881, 1 Mappe Korrespondenzen (unfoliiert); Akten, Nr. 750: 1 Bd. „Verwaltungsausschuß Jahreskonferenz 1901“
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GNM Nürnberg1000
Fleischmann, Eheleute-um 1877 wirkendDie Eheleute Fleischmann, um 1877 in Erlangen wirkend, waren Wirtsleute sowie Eigentümer bzw. Eigentümerin von Haus/Wohnung in Erlangen, welche sie teilweise auch vermieteten; so mietete der Erlanger Germanist Elias Steinmeyer (1848–1922) unter Vermittlung Karl Hegels (1813–1901) von diesen seine Wohnung.
Suchier, Heinrich Ludwig Hermann11861983718481914Suchier, Heinrich Ludwig Hermann (1848–1914), war ein aus einer Hugenottenfamilie stammender deutscher Germanist und Romanist, der 1871 in Leipzig zum Dr. phil promoviert worden war. Es folgte die Habilitation in Marburg, wo er auch Extraordinarius wurde; in dieser Funktion wechselte er 1874 nach Zürich, um im Folgejahr auf den Lehrstuhl der Königlichen Theologischen und Philosophischen Akademie zu Münster berufen zu werden; seit 1876 war er Ordinarius in Halle, wo er bis zu seinem Tode blieb.
Vollmöller, KarlKarl Vollmöller10132835418481922Vollmöller, Karl (1848–1922), in Ilsfeld in der Nähe Heilbronns geborener Neuphilologe (Anglistik und Romanistik), der von 1870 bis 1875 an den Universitäten Tübingen, Bonn, München und an der Sorbonne in Paris Klassische, Germanistische und Romanische Philologie studierte und sich 1875 an der Universität Straßburg habilitierte. Im Jahre 1877 wurde er außerordentlicher Professor für Romanische und Englische Philologie an der Universität Erlangen, bevor er 1881 auf das neuphilologische Ordinariat an der Universität Göttingen berufen wurde, das er zehn Jahre später aus privaten Gründen aufgab. Er zog mit seiner Familie nach Dresden, wo er als Privatgelehrter, Herausgeber, Autor und Stifter wirkte. Unter anderem begründete er die Zeitschrift „Romanische Forschungen“ und veröffentlichte eine Vielzahl wissenschaftlicher Schriften.
Geoffrey von Monmouth118716883um 1100um 1154Geoffrey von Monmouth, walisisch Gruffudd ap Arthur, auch Sieffre o Fynwy; lateinisch Galfridus Monemutensis (um 1100-ca. 1154), war ein britischer Geistlicher, Gelehrter und Geschichtsschreiber.
Hofmann, Conrad (Konrad)Konrad Hofmann116951796 11695179618191890Hofmann, Conrad (Konrad) (1819–1890), war Romanist, Germanist und Mediävist; er wurde unter Förderung des Germanisten und bayerischen Sprachforschers Johann Andreas Schmeller (1785–1852) dessen Nachfolger in München (seit 1853 außerordentlicher Professor, ab 1856 Ordinarius für altdeutsche Literatur).
Cid118838989zwischen 1045 bis 10501099„El Cid“, eigentlich Rodrigo Díaz de Vivar (um 1045/1050–1099), kastilischer Ritter und Söldnerführer zur Zeit der „Reconquista“, der in der Neuzeit zum spanischen Nationalhelden avancierte; sein Beiname „El Cid“, unter dem er eigentlich bekannt ist, stammt aus dem Arabischen und meint: „der Herr“ oder: „mein Herr“.
MansardenzimmerZumeist bewohnbare Dachkammer, Dachwohnung, Zimmer in einem ausgebauten Dachboden zumeist mit Dachschrägen, auch: Mansarde, siehe auch: Bodenzimmer.
BodenraumDachboden, Raum innerhalb eines Dachbodens, Speicher, Abstellraum im Dachgeschoss; siehe auch: Bodenzimmer.
HolzlagerGesonderter Lagerplatz, Lagerraum oder Schuppen zur Lagerung von Holz, hier im Sinne von Brennholz für die Öfen.
WaschkücheGesonderter und entsprechend eingerichteter Raum innerhalb eines Hauses, Mehrfamilienhauses oder einer Wohnanlage zum Wäschewaschen.
Florin, florin (fl.)Gulden, von 1849 bis 1936 Silbermünze zu zwei Schilling; siehe auch: Gulden.
MarkIm Jahre 1871 eingeführte Währung des Deutschen Reiches, die in 5, 10 und 20 Stücken geprägt wurde. Da sie eine zu einem Drittel goldgedeckte Währung war, wurde sie auch als Goldmark bezeichnet.
Notabene, nota beneAus dem Lateinischen stammende formelhafte Redewendung mit der wörtlichen Bedeutung „merke wohl“ in Sinne von „wohlgemerkt“ oder „übrigens“ und „nebenhergesagt“.
ContractVertrag
HofraumGesondert abgegrenzter, überdachter oder auch geschlossener Raum innerhalb eines Haushofes.
WirthsleuteEhepaar, welches eine Gastwirtschaft betreibt, auch als Vermietende von Zimmern im Sinne einer Herberge oder Unterkunft in einem Wirts- oder Gasthof, auch von Eigentumswohnungen.
HausstandHier als Synonym für Haushalt gebraucht.
Professor, ProfeßorBerufs- oder Amtsbezeichnung und Anrede für den Inhaber einer Professur an einer Universität oder Hochschule, wobei nicht jeder Professor eine Professur bekleidet; früher auch Bezeichnung für einen Gymnasiallehrer (Gymnasial-Professor) bzw. Lehrer an einer Lateinschule.
QuinquenniumAus dem Lateinischen stammender Begriff, der einen Zeitraum von fünf Jahren beschreibt.
Ordentliche Professur, ordentlicher Professorsiehe: Ordinarius
Tübinger Preisschrift (Vollmöller)Publikation und Preisschrift des Romanisten und Anglisten Karl Vollmöller (1848-1922), der 1877 als Extraordinarius nach Erlangen berufen wurde, unter der bibliographischen Angabe: Karl Vollmöller: Kürenberg und die Nibelungen, Stuttgart 1874 (Preisschrift).
TübingerZu Tübingen gehörend, auf Tübingen bezogen, Tübingen zuzuordnen.
Preisschrift(en)Schrift, die an einer Ausschreibung um einen wissenschaftlichen Preis teilnimmt und nach entsprechenden Gutachten mit diesem ggf. ausgezeichnet wird als entsprechend herausragende wissenschaftliche Arbeit.
Übersetzung des Gottfried von Monmouth (Hofmann, Vollmöller)1877 in Halle an der Saale erschienene Publikation unter dem Titel: „Der Munchener Brut: Gottfried von Monmouth in Französischen Versen des XII Jahrhunderts. Aus der einzigen Münchner Handschrift zum ersten Mal herausgegeben von Konrad Hofmann und Karl Vollmöller“.
Poema del CidAltspanischer Heldenepos auf „El Cid“ (= Rodrigo Díaz de Vivar, um 1045/1050-1099, kastilischer Ritter und Söldnerführer zur Zeit der „Reconquista“, der in der Neuzeit zum spanischen Nationalhelden avancierte); sein Spitz- bzw. Beiname „El Cid“ stammt aus dem Arabischen für: „der Herr“ oder: „mein Herr“), das Heldenlied wurde ursprünglich genannt: „Cantar de Mio Cid“, zu Deutsch: „Lied von meinem Cid“), auch „Poema del Cid“, zu Deutsch: „Gedicht von Cid“; über dieses Thema hatte sich neben einer weiteren Schrift der Romanist und Anglist sowie Schüler des Philologen, Germanisten und Romanisten Konrad Hofmanns (1819-1890), Karl Vollmöller (1848-1922), welcher 1877 als Extraordinarius nach Erlangen berufen wurde und dort bis 1881 wirkte, im Jahr 1875 in Straßburg habilitiert; das Buch erschien 1879 in Halle an der Saale unter dem Titel: „Poema del Cid. Nach der einzigen Madrider Handschrift mit Einleitung, Anmerkungen und Glossar“.
Facultätssitzung(en)Sitzungen einer Fakultät innerhalb einer Universität.
Philosophische Facultät (Fakultät) der Universität ErlangenDie Philosophische Fakultät an der Universität Erlangen war in zwei Sektionen gegliedert, was in dieser Form innerhalb der Universität nur in der Philosophischen Fakultät existierte. 1881, kurz nachdem alle naturwissenschaftlichen Fächer in die Philosophische Fakultät übergegangen waren, hatte man diese in eine „Philosophisch-historische“ und eine „Mathematisch-naturwissenschaftliche“ Sektion unterteilt. Ab dem Sommersemester 1903 findet sich die Unterteilung in Sektionen auch im akademischen Personalstandsverzeichnis, und 1922 wurde die Bezeichnung „Sektion“ in „Abteilung“ geändert. 1928 wurden die naturwissenschaftlichen Fächer in eine eigene Fakultät ausgegliedert.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis