Erlangen 14. Januar 1877
Lieber Manuel!
Die freudige Nachricht von der glücklichen Entbindung meiner lieben Tochter Luise hat bereits ihre glückwünschende Erwiederung durch Clara gefunden. Gottlob geht es der lieben Wöchnerin und ihrem lieblichen Mägdlein, welche wie ein Röschen voll und rund und blühend aus dem Bettchen herausschaut, ganz nach Wunsch und alles ist, wie meine Frau sagt in normaler Ordnung. Auch der kleine Enkel in München, Otto, gedeiht prächtig bei seiner Dachauer Amme, welche … heißt und mit ihm zusammen auf der Photographie abgebildet ist, die wir zu Weihnachten erhielten. Das Weihnachtsfest, welches wir still zu Hause und bei Lommels feierten, ist nun schon lang vorüber und in das neue Jahr sind wir nun bereits um einen halben Monat hineingeschritten. Doch will ich auf jenes noch mit einem andern Ereigniß zurückkommen, das | ihm schon vorherging. Ich erhielt nämlich als ein ganz überraschendes Geschenk den von dem verstorbenen König gestifteten Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst, welcher auf Vorschlag des Capitels oder Ritterausschusses in München an würdige – oder unwürdige, wie mein Beispiel beweist – Gelehrte und Künstler, in bestimmter nicht zu überschreitender Zahl, durch den König verliehen wird. Hierher nach Erlangen ist dieser Orden bisher nur einmal – an Döderlein – gekommen; jetzt hat ihn mit mir zugleich mein College der Orientalist Spiegel erhalten. Dies also habe ich vorzugsweise als mein Weihnachtsgeschenk angesehen und sorgfältig das kostbare goldene Zeichen von Lorbeerkranz und Krone in meinem Secretär verschlossen, bis es nach meinem Ableben wieder dorthin zurückgeht, von wo es hergekommen ist.
Meine liebe Susanna konnte das Weihnachtsfest auch bei Lommels mitfeiern, da ihr das milde Wetter, welches erst am zweiten Feiertag zu Kälte umschlug, | den abendlichen Ausgang gestattete, und so kann sie auch jetzt, da wir meist warme und oft auch sonnige Tage haben, gegen Mittag zur Tochter gehen, langsam zwar, weil ihr das Athmen beim Gehen beschwerlicher fällt. Außerdem bedarf sie zu Hause der Ruhe und Pflege, wie sich auch bei ihrer nervösen Schwäche jede Thätigkeit, wie selbst das Briefschreiben, von selbst verbietet. Der Arzt empfiehlt jetzt einen mehrmonatlichen Aufenthalt an einem klimatischen Kurort, wie Davos oder Meran, und zwar im März und April bis Mai. So steht uns leider eine längere schmerzliche Trennung bevor, bei welcher unser Sophiechen die Mutter begleiten soll, während Marie hier den Haushalt führt.
Für unseren Sohn Georg bietet sich unerwartet die Aussicht dar, ein Jahr früher in die Kriegsschule zu kommen, als sonst möglich erschien. Denn es fehlt bei unserer Armee so sehr an jüngerem Nachwuchs der Offiziere, daß man die Bedingungen der Aufnahme erleichtern muß. Doch ob es wirklich bis zum April geht, wird die Zukunft lehren.
Von den auswärtigen Verwandten haben wir meist gute Nachrichten, nur Marie, meine Schwägerin in Nürnberg | hatte gerade zu Weihnachten die Lungenentzündung. Friedrich und seine junge Frau Auguste besuchten uns von Nürnberg aus am zweiten Weihnachtsfeiertage. Von unserer Tochter Anna höre ich immer Gutes. Ihr Mann Felix ist noch mit der Lösung der Gleichungen 5. Grades beschäftigt.
Als Decan der Facultät habe ich für die Wiederbesetzung zweier Professuren zu sorgen; die eine für die Raumersche ist glücklich durch Berufung von Steinmeyer aus Straßburg, Sohn des Professors der Theologie in Berlin, gelungen; er war nach Neujahr hier und ich habe ihm eine hübsche Wohnung vor dem Thore verschafft. Er hat mir persönlich recht gut gefallen und wird von seinen Fachgenossen sehr gerühmt.
Von den Reichstagswahlen zu reden ist nicht gerade angenehm: wir in Erlangen, Fürth, Hersbruck und Lauf zusammen bildeten einen Wahlbezirk und haben doch glücklich noch unseren Marquardsen gegen einen Fürther Judensocialisten durchgebracht; aber in dem altehrwürdigen Nürnberg kämpfen noch der Schlossergeselle Grillenberger und der wenig bessere jüdische Advocat Frankenburger in der Stichwahl. Doch gegen Berlin braucht sich Nürnberg immer noch nicht zu verhüllen! |
Meine Frau läßt der lieben Clara für ihren Brief und Karte bestens danken. Selbst darauf zu antworten, wird ihr schwer, da das Schreiben d. h. die mechanische Anstrengung dabei, sie sehr ermüdet. Grüße sendet sie zugleich mit mir, ebenso wie Luise, die sie mir heute Mittag im Wochenbett auftrug.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Lommel, Eugen Cornelius JosephEugen Lommel10427615018371899Lommel, Eugen Cornelius Joseph (1837–1899), in der Rheinpfalz geborener Physiker und Mathematiker, der von 1854 bis 1858 an der Universität München studierte, Lehrer in der Schweiz und dann Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurde. 1867/68 war er Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und von 1868 bis 1886 Ordinarius an der Universität Erlangen, schließlich an der Universität München. Er war der Ehemann Luise Hegels (1853–1924), der zweitältesten Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878).
Maximilian II. Joseph von Bayern, König von BayernMaximilian II., König von BayernKönig von Bayern11857934718111864 Maximilian II. Joseph (1811–1864), war von 1848 bis 1864 König von Bayern und Gründer der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Ludwig II., König von BayernKönig Ludwig II. von Bayern11857489218451886Ludwig II. (1845–1886), bayerischer König von 1864 bis 1886.
Spiegel, FriedrichFriedrich Spiegel11912035618201905Spiegel, Friedrich (1820–1905), in Kitzingen geborener Orientalist und Iranist, der ab 1839 an den Universitäten Erlangen, Leipzig und Bonn studierte und 1842 an der Universität Jena promoviert wurde. 1849 wurde er außerordentlicher, 1853 ordentlicher Professor der orientalischen Sprachen an der Universität Erlangen.
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
Tucher, Friedrich Wilhelm Sigmund Friedrich Wilhelm Sigmund Tucher116153730918461924Tucher, Friedrich Wilhelm Sigmund (1846–1924), Sohn Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), jüngster Bruder Susanna Maria Hegels (1826–1878), Taufpate Gottlieb Friedrich Hegels (1867–1874), 1867 Forsteleve in Aschaffenburg, Ehemann Auguste Marianna Tuchers, geb. Stramer (1857–1887), nach deren Tod ab 1888 Maria Margarethe Charlotte Tuchers, geb. Anns (1852–1917).
Klein, FelixFelix Klein11856286X18491925Klein, Felix (1849–1925), in Düsseldorf geborener Mathematiker, der von 1872 bis 1875 ordentlicher Professor an der Universität Erlangen war, dann bis 1880 an der Technischen Hochschule München, bis 1886 an der Universität Leipzig und bis 1913 an der Universität Göttingen, Ehemann Anna Maria Carolina Kleins, geb. Hegel (1851–1927).
Raumer, Rudolf (Heinrich Georg)11878796918151876Raumer, Rudolf (Heinrich Georg) (1815–1876), in Breslau geborener Germanist sowie Sohn des Geographen und Pädagogen Karl Georg Raumer (1783–1865) und Bruder Johannes (Hans) Raumers (1820–1851). Er studierte von 1832 bis 1839 an den Universitäten Erlangen und Göttingen Klassische Philologie, Orientalistik und Germanische Sprachwissenschaft, wurde 1839 in Erlangen promoviert und habilitierte sich dort 1840. Zunächst Privatdozent, wurde er 1846 außerordentlicher und war von 1852 bis 1876 ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Erlangen. In den akademischen Jahren 1858/59 und 1866/67 war er deren Prorektor.
Steinmeyer, Emil EliasElias Steinmeyer11861755918481922Steinmeyer, Emil Elias (1848–1922), in der Nähe Potsdams geborener, aus preußischem Pfarrhaus stammender Germanist und Altphilologe, der nach seinem Studium an der Berliner Universität von 1873 bis 1877 außerordentlicher Professor für germanistische Mediävistik an der Universität Straßburg war, anschließend bis 1913 Ordinarius für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Erlangen.
Steinmeyer, Franz Ludwig11726315X18111900Steinmeyer, Franz Ludwig (1811–1900), aus Brandenburg stammender evangelischer Theologe, der nach Tätigkeiten als Geistlicher von 1852 bis zu seinem Ruhestand ordentlicher Professor an der Universität Berlin war, lediglich von 1854 bis 1858 zur Wahrnehmung eines Ordinariats an der Universität Bonn unterbrochen.
Marquardsen, HeinrichHeinrich Marquardsen11678909318261897Marquardsen, Heinrich (1826–1897), in Schleswig geborener Jurist und Politiker, der nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel und Heidelberg im Jahre 1848 promoviert wurde und sich 1852 habilitierte. Als Privatdozent für Staats- und Völkerrecht wurde er 1857 in Heidelberg außerordentlicher Professor und war anschließend von 1861 bis 1897 Ordinarius an der Universität Erlangen. Im Zusammenhang mit der Schleswig-Holstein-Problematik wandte er sich der Politik zu und war 1864/65 Präsident der Schleswig-Holstein-Vereine im Königreich Bayern, war von 1868 bis 1870 als Mitglied der Fortschrittspartei Mitglied des deutschen Zollparlaments, von 1869 bis 1892 Mitglied der Abgeordnetenkammer des Bayerischen Landtages und von 1871 bis zu seinem Tode auch Mitglied des Deutschen Reichstages.
Grillenberger, Karl11948733018481897Grillenberger, Karl (1848–1897), in Zirndorf geborener Schlosser, Journalist und sozialdemokratischer Politiker. Von 1881 bis zu seinem Tod war er Mitglied des Deutschen Reichstages, ab 1893 auch der Bayerischen Abgeordnetenkammer.
Frankenburger, Wolf12968878918271889Frankenburger, Wolf (1827–1889), in Unterfranken geborener Jurist und Politiker, der nach seinem Studium an der Universität Würzburg im Jahre 1861 Rechtsanwalt in Nürnberg wurde und u. a. Verwaltungsmitglied der dortigen jüdischen Kultusgemeinde war. Für die Deutsche Fortschrittspartei war er von 1869 bis 1889 Mitglied der Bayerischen Abgeordnetenkammer und von 1874 bis 1878 Mitglied des Deutschen Reichstages.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Dachau48.2592477,11.4354419Etwa 20 Kilometer nordwestlich von München gelegener Ort an der Amper mit Eisenbahnanschluß seit 1867.
Davos46.796198,9.8236892Luftkurort in den Graubündener Alpen in der Schweiz, etwa 60 Kilometer westlich von Chur.
Meran46.6695547,11.1594185Landeshauptstadt Tirols an der Etsch und Kurort, südlich des Brenners und circa 30 Kilometer nördlich von Bozen gelegen.
Straßburg48.584614,7.7507127Ehemalige Reichs-, Universitäts- und Bischofsstadt am Westufer des Rheines und an der Ill zwischen Vogesen im Westen und Schwarzwald im Osten gelegen.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Fürth49.4772475,10.9893626Etwa zehn Kilometer westlich von Nürnberg am Zusammenfluß von Pegnitz und Rednitz gelegene Stadt des Königreichs Bayern (1808/1818), die 1835 als Endpunkt der ersten deutschen Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth mit der beginnenden Industrialisierung in Berührung kam, 1843 Anschluß an den Ludwig-Donau-Main-Kanal fand und sich mit den Eisenbahnanschlüssen an die Ludwig-Süd-Nord-Bahn und die Ludwigs-West-Bahn der 1860er Jahre zu einer modernen Industriestadt entwickelte.
Hersbruck49.5085843,11.4285065Etwa fünf Kilometer nordöstlich von Henfenfeld an der Pegnitz und etwa 30 Kilometer östlich von Nürnberg gelegen.
Lauf49.5118126,11.2813381Stadt an der Pegnitz, etwa 13 Kilometer südwestlich von Simmelsdorf und etwa 18 Kilometer nordöstlich von Nürnberg gelegen.
Maximiliansorden (Bayern)Der Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst wurde am 28. November 1853 von König Maximilian II. Joseph von Bayern (1811-1864) gestiftet.
Kriegsschule (München)In München 1858 gegründete militärische Fachschule zur Heranbildung von Offizieren der königlich-bayerischen Armee. Nachdem das Gebäude an der Schwabinger Landstraße im Jahr 1866 zu klein geworden war, erfolgte der Umzug in die „Maxburg“, wo 1867 der Lehrbetrieb der Kriegsschule, der Artillerie- und der Genieschule sowie der Kriegsakademie aufgenommen wurde.
StichwahlLetzter Wahlgang innerhalb eines mehrstufigen Wahlverfahrens, in dem die Mehrheitsentscheidung zwischen zwei Kandidaten fällt.