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Karl Hegel an Elias Steinmeyer, Erlangen, 19. Januar 1877

Sehr geehrter Herr College!

Ich habe Ihre beiden Briefe vom 14. und 15. Januar 18771 mit Dank empfangen. Meine geringen Bemühungen in Ihrer Wohnungsangelegenheit schlagen Sie viel zu hoch an; es ist selbstverständlich, daß ich sie so gehandelt habe, wie wenn sie mich selbst anginge, und Mühe und Zeit hat sie mich wenig genug gekostet. Ich übersende Ihnen jetzt den unterzeichneten Contract2, um sie zum Abschluß zu bringen.

Für Ihre gefällige Auskunft über Dr. Vollmöller bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet. Unter Heilsbronn, von wo er her ist, habe ich wohl nicht das bei Ansbach zu verstehen, sonst wüßten wir hier doch gewiß schon mehr von ihm, sondern Heilbronn in Würtemberg oder genauer einen Ort, auf dessen Namen nichts ankommt, dort in der Nähe. Demnach dürfen wir in Dr. Vollmöller einen Würtemberger begrüßen und wohl auch einen christlichen, weil das Gegentheil gewiß von Ihnen angegeben worden wäre. Es ist immerhin angenehm, nicht noch mehr Israeliten in unser Professorencollegium zu bekommen, als zur Zeit schon darin sind, übrigens durchaus keine unangenehmen, sondern sehr ehrenwerten und anständigen Collegen. Schon in Ihrem ersten Brief schreiben Sie von dem Vorhaben Vollmöllers im nächsten Frühjahr nach England zu reisen, womit dem Bedenken, welches ich in meinem zweiten Ausspruch, schon entgegengekommen war. Unterdeß haben wir uns näher nach Knauer erkundigt und nichts über ihn erfahren, was uns bestimmen könnte, ihm den Vorzug zu eben. Wie weit er Vollmöller in der Kenntniß des Englischen etwas übertrifft wissen wir nicht; geschrieben hat er auch nichts in diesem Fach, und was Vollmöller fehlt, wird er gewiß durch Ausführung seines Vorhabens, den nächsten Sommer in England zuzubringen, vollkommen ersetzen. Ich bin daher der Meinung, daß man ihm dazu Zeit lassen und ihn nicht drängen soll, schon zu Ostern3 hierherzukommen, wodurch sein Aufenthalt in England allzu sehr verkürzt und der Zweck nicht erreicht würde; auch wären die wenn auch längeren Herbstferien zur Reise dorthin viel weniger geeignet, wenn die eigentliche season in London vorüber ist. Wenn also die Facultät, wie ich hoffe, in der Sitzung die ich in nächster Woche halten werde, meinem Rathe folgt, so wird sie Vollmöller allein vorschlagen. Bei dem weiteren Gang, den die Berufungsangelegenheit nimmt, wird die Berufung gegen Ende Februar erfolgen und Vollmöller kann dann seine Annahme erklären unter der Bedingung, daß er die Professur erst im Herbst antrete, was nicht den geringsten Anstand finden wird. So wird es, wie ich meine, für beide theile, die Universität und ihn, das beste sein.

Wenn die Facultät ihren Beschluß gefaßt hat, werde ich Herrn Dr. Vollmöller darüber vertrauliche Mittheilung machen, denn es ist nothwendig, daß vorläufig nach außen nichts davon verlaute, damit wir nicht Verdruß bei unserem Ministerium4 bekommen, wie es schon einmal, wie wohl ohne unsere Schuld, der Fall gewesen ist.

Bestens grüßend
Ihr
hochachtungsvoll ergebener
Carl Hegel.