Ich habe Ihre beiden Briefe vom 14. und 15. Januar 18771 mit Dank empfangen. Meine geringen Bemühungen in Ihrer Wohnungsangelegenheit schlagen Sie viel zu hoch an; es ist selbstverständlich, daß ich sie so gehandelt habe, wie wenn sie mich selbst anginge, und Mühe und Zeit hat sie mich wenig genug gekostet. Ich übersende Ihnen jetzt den unterzeichneten Contract2, um sie zum Abschluß zu bringen.
Für Ihre gefällige Auskunft über Dr. Vollmöller bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet. Unter Heilsbronn, von wo er her ist, habe ich wohl nicht das bei Ansbach zu verstehen, sonst wüßten wir hier doch gewiß schon mehr von ihm, sondern Heilbronn in Würtemberg| oder genauer einen Ort, auf dessen Namen nichts ankommt, dort in der Nähe. Demnach dürfen wir in Dr. Vollmöller einen Würtemberger begrüßen und wohl auch einen christlichen, weil das Gegentheil gewiß von Ihnen angegeben worden wäre. Es ist immerhin angenehm, nicht noch mehr Israeliten in unser Professorencollegium zu bekommen, als zur Zeit schon darin sind, übrigens durchaus keine unangenehmen, sondern sehr ehrenwerten und anständigen Collegen. Schon in Ihrem ersten Brief schreiben Sie von dem Vorhaben Vollmöllers im nächsten Frühjahr nach England zu reisen, womit dem Bedenken, welches ich in meinem zweiten Ausspruch, schon entgegengekommen war. Unterdeß haben wir uns näher nach Knauer erkundigt und nichts über ihn erfahren, was uns bestimmen könnte, ihm den Vorzug zu eben. Wie weit er Vollmöller in der Kenntniß des Englischen etwas übertrifft wissen wir nicht; geschrieben hat er auch nichts | in diesem Fach, und was Vollmöller fehlt, wird er gewiß durch Ausführung seines Vorhabens, den nächsten Sommer in England zuzubringen, vollkommen ersetzen. Ich bin daher der Meinung, daß man ihm dazu Zeit lassen und ihn nicht drängen soll, schon zu Ostern3 hierherzukommen, wodurch sein Aufenthalt in England allzu sehr verkürzt und der Zweck nicht erreicht würde; auch wären die wenn auch längeren Herbstferien zur Reise dorthin viel weniger geeignet, wenn die eigentliche season in London vorüber ist. Wenn also die Facultät, wie ich hoffe, in der Sitzung die ich in nächster Woche halten werde, meinem Rathe folgt, so wird sie Vollmöller allein vorschlagen. Bei dem weiteren Gang, den die Berufungsangelegenheit nimmt, wird die Berufung gegen Ende Februar erfolgen und Vollmöller kann dann seine Annahme erklären unter der Bedingung, daß er die Professur erst im Herbst antrete, was nicht den geringsten Anstand finden wird. | So wird es, wie ich meine, für beide theile, die Universität und ihn, das beste sein.
Wenn die Facultät ihren Beschluß gefaßt hat, werde ich Herrn Dr. Vollmöller darüber vertrauliche Mittheilung machen, denn es ist nothwendig, daß vorläufig nach außen nichts davon verlaute, damit wir nicht Verdruß bei unserem Ministerium4 bekommen, wie es schon einmal, wie wohl ohne unsere Schuld, der Fall gewesen ist.
Bestens grüßend
Ihr hochachtungsvoll ergebener Carl Hegel.
1Beide Briefe bislang noch nicht aufgefunden. 2Mietvertrag. 31./2. April 1877. 4Das bayerische Kultusministerium.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Steinmeyer, Emil EliasElias Steinmeyer11861755918481922Steinmeyer, Emil Elias (1848–1922), in der Nähe Potsdams geborener, aus preußischem Pfarrhaus stammender Germanist und Altphilologe, der nach seinem Studium an der Berliner Universität von 1873 bis 1877 außerordentlicher Professor für germanistische Mediävistik an der Universität Straßburg war, anschließend bis 1913 Ordinarius für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Erlangen.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg (GNM), Historisches Archiv: Akten, K. 9: 1 Bd. „Matrikel des GelehrtenAusschusses“; K. 10: Nr. 3; K. 188: Bibliothek, Schenkungen 1878-1881, 1 Mappe Korrespondenzen (unfoliiert); Akten, Nr. 750: 1 Bd. „Verwaltungsausschuß Jahreskonferenz 1901“
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GNM Nürnberg1000
Vollmöller, KarlKarl Vollmöller10132835418481922Vollmöller, Karl (1848–1922), in Ilsfeld in der Nähe Heilbronns geborener Neuphilologe (Anglistik und Romanistik), der von 1870 bis 1875 an den Universitäten Tübingen, Bonn, München und an der Sorbonne in Paris Klassische, Germanistische und Romanische Philologie studierte und sich 1875 an der Universität Straßburg habilitierte. Im Jahre 1877 wurde er außerordentlicher Professor für Romanische und Englische Philologie an der Universität Erlangen, bevor er 1881 auf das neuphilologische Ordinariat an der Universität Göttingen berufen wurde, das er zehn Jahre später aus privaten Gründen aufgab. Er zog mit seiner Familie nach Dresden, wo er als Privatgelehrter, Herausgeber, Autor und Stifter wirkte. Unter anderem begründete er die Zeitschrift „Romanische Forschungen“ und veröffentlichte eine Vielzahl wissenschaftlicher Schriften.
Knauer, Otto 10469045071843Knauer, Otto (* 1843), war Philologe, Romanist, Oberlehrer und Gymnasiallehrer in Leipzig.
Heilsbronn49.3378853,10.7887166Auf das 8. Jahrhundert zurückgehende, seit 1806 zum Königreich Bayern gehörende mittelfränkische Stadt und etwa 17 Kilometer östlich von Ansbach gelegen, circa 26 Kilometer südwestlich von Nürnberg entfernt.
Ansbach49.3028611,10.5722288Ehemalige Haupt- und Residenzstadt des Markgraftums Brandenburg-Ansbach, etwa 100 Kilometer südlich von Schweinfurt und etwa 50 Kilometer südwestlich von Erlangen gelegen.
Heilbronn49.142291,9.218655Am Neckar gelegene ehemalige Reichsstadt, ca. 50 Kilometer nördlich von Stuttgart im heutigen Norden Baden-Württembergs.
Würt(t)embergVon 1806 bis 1918 Königreich, ab 1815 im Deutschen Bund, ab 1871 im Deutschen Reich.
EnglandNeben Schottland, Wales und Nordirland der größte Teil des Vereinigten Königreichs von Großbritannien mit London als Hauptstadt.
London51.5156177,-0.0919983An der Themse gelegene Hauptstadt des Vereinigten Königreichs Großbritannien.
ContractVertrag
Würt(t)embergisch, würt(t)emberger, Würt(t)embergerZu Württemberg gehörend, Württemberg zuzuordnen, auf Württemberg bezogen; in Württemberg lebender oder von dort stammender Mensch.
christlichZum Christentum gehörend.
IsraelitIm Europa des 19. und 20. Jahrhunderts gängiges Synonym für Jude.
Englisch/englischZu England gehörend, England zuzuordnen, auf England bezogen; englischsprachig; Englisch als Sprache bzw. schulisches oder universitäres Fach.
seasonSaison; hier bezogen auf den traditionell im Frühling und Sommer eines jeden Jahres stattfindenden Zeitraum der sogenannten „season“, auch: „social season“, in London, die in enger Verbindung stand mit den Parlamentssitzungen des „House of Lords“ und das gesellschaftliche Leben der britischen sozialen Elite, welche vom Adel dominiert war, beschreibt, das dort mit Bällen, Abendgesellschaften, Wohltätigkeitsveranstaltungen etc. im vollen Gange war.
Philosophische Facultät (Fakultät) der Universität ErlangenDie Philosophische Fakultät an der Universität Erlangen war in zwei Sektionen gegliedert, was in dieser Form innerhalb der Universität nur in der Philosophischen Fakultät existierte. 1881, kurz nachdem alle naturwissenschaftlichen Fächer in die Philosophische Fakultät übergegangen waren, hatte man diese in eine „Philosophisch-historische“ und eine „Mathematisch-naturwissenschaftliche“ Sektion unterteilt. Ab dem Sommersemester 1903 findet sich die Unterteilung in Sektionen auch im akademischen Personalstandsverzeichnis, und 1922 wurde die Bezeichnung „Sektion“ in „Abteilung“ geändert. 1928 wurden die naturwissenschaftlichen Fächer in eine eigene Fakultät ausgegliedert.
BerufungHier im Sinne von: Ruf auf eine Professur und damit Angebot für ein wissenschaftliches Amt.
Professur, ProfeßurLehramt an einer Universität oder Hochschule.
Universität ErlangenDie im Jahre 1743 gegründete Universität Erlangen gewann im 19. Jahrhundert innerhalb des katholisch geprägten Königreichs Bayern durch ihre evangelische Theologische Fakultät als wissenschaftliche Ausbildungsstätte protestantischer Geistlicher für die neue, nach 1806 erst entstehende Bayerische Landeskirche eine besondere Bedeutung. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die „Erlanger Theologie“ durch große Geschlossenheit und Einheitlichkeit im Sinne des „Neuluthertums“ gekennzeichnet.
Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten, Staats-Ministeriums des Innern für Kirchen- und Schul-Angelegenheiten (Bayern)Von 1849 bis 1918 offizielle Bezeichnung für das Bayerische Kultusministerium.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis