Also ist endlich der Würfel gefallen! Du bist zu dem entscheidenden Schritt gedrängt worden, dem Du schon seit lang entgegen sahst. Dein Entschluß1 war nach Lage der Sache der einzig richtige und für ein wirkliches Glück muß ich es ansehen, daß Du nicht länger in einer unhaltbaren Position verharren und vergeblich gegen den Strom Dich stemmen und Deine letzte Kraft daran setzen mußt. Nicht länger auszuhalten war gewiß für Dich das aufgehäufte Maß des Verdrusses, welches einerseits scandalsüchtige Gemeinheit des gebildeten Pöbels, andrerseits die sogenannte Milde der Oberbehörde Dir bereitete. Ich kenne die in den mir zugekommenen Actenstücken berührten Geschichten nicht näher, da ich lange keine Berliner Zeitungen mehr angesehen habe, doch müssen sie sehr empörender Art gewesen sein – und ich will mich darüber aus den kirchlichen Blättern weiter unterrichten. Wer möchte nicht gern sich dergleichen weit vom Leibe halten, wenn man dabei doch nichts mehr nützen kann! Wie wohl wird Dir zu Muthe sein, wenn Du erst glücklich heraus bist und ungestört Deinen geistigen Interessen leben und im besten Sinne nach eigener Wahl wirken kannst! Freilich ist es schwer, den bestimmten Beruf im Amt zu entbehren, aber ich bin gewiß, daß Du Dir einen solchen schaffen wirst, der Dich für Deine übrige Lebenszeit ausfüllt und befriedigt. Für jetzt wünsche ich Dir, daß Dir der Übergang dazu nicht durch äußere Hindernisse möchte erschwert werden. Eine ehrenvolle Entlassung aus dem Staatsdienst, dem Du Deine Kräfte geopfert, wirst Du mit Sicherheit erwarten können.
Der herzlich theilnehmende Brief der lieben Clara hat meine gute arme Susanna sehr erfreut; beantworten kann sie ihn leider nicht. Ihre Krankheit ist schwer und gewiß recht bedenklich. Wir setzten unsere Hoffnung auf die Reise zu Anfang März. Aber meine liebe Susanna ist in den letzten Wochen immer schwächer geworden und dann trat die plötzliche harte Kälte bis zu 12 Grad des Morgens und Schneewetter ein, worauf die jetzige kalte Nässe gefolgt ist. Schon deßhalb war an die Reise nicht mehr zu denken, und jetzt bezweifle ich, ob sie überhaupt noch ausführbar ist. Unsere Kranke hat Abends regelmäßig Fieber und kann sich nur vom Bette aus, wenn sie gegen Mittag aufsteht, bis zum Sopha im anderen Zimmer fortbewegen. Wenn so der Zustand bleibt, wie kann man sie den unvermeidlichen Anstrengungen und Wechselfällen der Reise aussetzen? Doch lassen wir die Hoffnung noch nicht ganz sinken. Ein Stillstand der Krankheit und damit auch eine Besserung ist ja möglich; eher freilich im Süden, als hier; aber wie dort hinkommen? –
Anna hat uns alle Tage vergeblich in München erwartet. Früher wird nun allem Anschein nach unser Sohn Georg dorthin kommen: er ist zur Prüfung am 12. dieses Monats das ist Montag einberufen. Ich gebe ihm gern das Zeugniß, daß er 5 Monate lang recht fleißig gewesen ist und sich auch sonst ordentlich betragen hat; und da in diesem Jahr, wie ich Dir wohl schon schrieb, ausnahmsweise, wegen Mangel an Nachschub an Offizieren, die Bedingungen für die Aufnahme oder Prüfung zur Kriegsschule herabgesetzt worden sind, so hoffen wir, daß Georg durchkommen wird.
Bei unserer Tochter Luise geht es recht gut, die kleine Elisabeth gedeiht prächtig.
Wäre es wohl möglich, daß ich von einem Berliner Delicatessenhändler 1 ½ Dutzend Austern (die ganz frisch sein müßten) franco – das Paket wird unter dem Gewicht von 10 Pfund sein – zugeschickt erhielte? Ich würde mich in directe Beziehung mit ihm setzen und öfters Sendungen (falls wir hier bleiben) bestellen. Austern sind meiner lieben Kranken, die sehr wenig essen mag, vorzugsweise empfohlen; aber nur ein einziges mal konnte ich solche in Nürnberg bekommen. Susanna konnte täglich nicht mehr als 4 davon verzehren; darum der geringe einmalige Bedarf, weil sie bei größerer Quantität nur verderben würden.
Herzliche Grüße an die liebe Klara