Um Dir und der lieben Clara doch einmal wieder Nachricht von uns zu geben, will ich weniges schreiben. Ich kann es kaum aussprechen, wie mich die beständige Sorge um meine liebe Susanna bisweilen niederdrückt; kaum wage ich noch eine freundliche Hoffnung zu ergreifen, wenn auf Momente sich eine Verbesserung ihres Zustandes anzukündigen scheint. Seit 14 Tagen liegt sie ganz zu Bette. Clara’s Schlummerrolle unter dem Haupt, das Aufstehen auf einige Stunden war ihr nur beschwerlich und vermehrte die Schwäche durch Ermattung. Kurzer Athem, rascher Puls und häufig quälender Husten setzen sich unverändert fort; das Sprechen ist langsam und beschwerlich. Ihre Stimmung ist oft recht trübe, doch nimmt sie fortwährend theil an allem, was im Hause vorgeht und hofft auf endliche Wiedergenesung. Die beiden letzten Nächte waren ruhiger mit natürlichem Schlaf, als die früheren, und so fange auch ich wieder an zu hoffen, daß es doch noch wieder besser werden könnte. Es hat eine Zeit gegeben, im vergangenen Frühjahr, da es anscheinend schlimmer stand als jetzt, nur wieder eine andere, im September, wo eine wirkliche Reconvalescenz zu beginnen schien. So schwanke ich zwischen Furcht und Hoffnung und suche Ruhe zu gewinnen durch Ergebung in den Willen Gottes und Zerstreuung, wo möglich, durch mancherlei Beschäftigung und Arbeit. Eine Wohlthat ist für mich unter diesen Umständen der Wiederbeginn der Vorlesungen, die größere Abwechslung der Thätigkeit mit sich bringen und mich wieder mehr in den Verkehr mit den Collegen setzen. Wir hatten gestern Rectorratswechsel1, wobei Freund Heineke das Amt mit einer öffenlichen Rede antrat; ich selbst übergab das Decanat der philosophischen Fakultät an meinen Nachfolger Pfaff. Wir leben sehr still im Haus, denn alle Besuche, außer denen des Arztes und denen von Lommels und unseren Enkeln, sind verbeten; nur die Kinder haben noch ihren gewöhnlichen Verkehr, und Georg kommt zu den Mahlzeiten aus der Kaserne. Er hat die Qualification als Fähnrich erhalten, aber noch nicht die Ernennung, die alle Tage erwartet wird; schon länger dient er als Unteroffizier oder Oberjäger und exerciert eine Abtheilung von Freiwilligen ein, zu denen morgen noch andere Recruten kommen werden. Für ihn selbst ist es die beste Lebensdisciplin, daß er bei den Untergebenen streng auf Zucht und Ordnung und Gehorsam achten muß; und er hat mit dem Gefühl seiner Stellung und Pflicht auch Selbstachtung gewonnen, die ihn über die niedrige Gemeinheit erhebt. Möchte er auf diesem gute Wege bleiben!
Von Anna haben wir erwünschte Nachrichten über ihr Befinden und des kleinen Otto Fortschreiten.
Mit unseres Vaters Briefen an Niethammer bin ich schon ziemlich weit fortgeschritten.2 Einigermaßen schwierig wird noch die strengere Auswahl sein, denn es ist vieles darin, was ohne Interesse und überflüssig mitzutheilen ist. Erwünscht wäre mir nur ein Exemplar von Rosenkranz, Hegel‘s Leben3, zu erlangen, das ich wegen der dort schon abgedruckten Briefe, die nur mit den Originalen zu collationiren sind, benutzen könnte. Ich könnte mich deshalb wohl an die Verlagshandlung Duncker und Humblot (Geibel) in Leipzig wenden4, möchte aber doch nicht schon mich, durch diesen Schritt, an sie binden, da ich nicht viel Gutes sonst von ihr gehört habe. Ich bitte daher den lieben Willi, sich bei einigen größeren Antiquariatshandlungen in Berlin zu erkundigen, ob nicht das Buch für einen mäßigen Preis zu haben sei. Auch der 2. Theil der Vermischten Schriften5 wird mir später zu demselben Zweck nöthig sein und könnte auch nach diesem gefragt werden; doch habe ich viel geringere Hoffnung, diesen oder alle 2 Bände der Vermischten Schriften6, als die Biographie zu erhalten.
Du bist gewiß sehr mit neuer Arbeit überhäuft, außerdem lese ich von heftiger Opposition in der Berliner Stadtsynode, welche die Bewilligung der Kirchensteuern von Annahme ihrer Bedingungen abhängig machen will!