Ehe Du diese Zeilen erhältst, wirst Du vermuthlich schon durch die Zeitung erfahren haben, welch schwerer Verlust uns hier betroffen hat. Mein alter vortrefflicher Freund Hofmann ist gestern (Donnerstag) Abend verschieden, im Alter von eben vollendeten 67 Jahren: heute war sein Geburtstag! Er erkrankte erst, plötzlich, am Montag früh mit einer Gehirnaffection, die ihn erst vorübergehend, dann dauernd bewußtlos machte, wozu dann noch Lungenentzündung hinzutrat. Bis dahin war er völlig gesund und anscheinend kräftig, nur seine Augen bedurften der Schonung. Noch bis in den September hinein hat er kalte Seebäder in Warnemünde gebraucht, denn er konnte sich viel zumuthen. Seine Frau, mit der er, kinderlos, innig zusammen lebte und die ein sehr lebhaftes Temperament hat, soll doch viel Fassung beweisen; ich habe sie noch nicht gesehen.
Wir sind auch wie betäubt von diesem unerwarteten
Schlage, der auch für unsere Universität einen ganz unersetzlichen Verlust gebracht hat.Auch meine liebe Susanna wurde dadurch aufs neue tief ergriffen. Die Kälte der letzte Tage, wiewohl kaum unter 3 Grad, hat ihr gleichfalls weh gethan; denn sie empfindet sie trotz ihrem gleichmäßig gewärmten Zimmer, wie das heftigere und schmerzhaftere Husten, durch welches auch ihr Schlaf in der Nacht oft unterbrochen wird, beweist. Sonst hat sich ihr Zustand nicht grade verschlimmert; gleich bleibt sich ihre Schwäche, die Beschwerde des Athmens, der rasche Puls, die völlige Appetitlosigkeit. Doch konnte sie in der letzten Zeit immer auf zwei Stunden Nachmittags außer Bett sein. Sie ist recht muthlos, aber ergeben, und spricht es aus, daß das ‚elende Leben‘, das sie verbringt, ihr nur eine Last sei. Doch läßt sie sich die Sorgen, wie jetzt um Weihnachten, nicht abnehmen und hat freilich Zeit auf ihrem stillen Lager an alles zu denken.
Wenn wir sie nur den Winter so durchbringen könnten! Das Frühjahr bringt neue Hoffnung.
Unser Weihnachtsfest wird kein fröhliches sein; doch werden wir die Kindesfreude bei Lommels sehen.
Ein heiterer Lichtblick war vor 14 Tagen der kurze Besuch unserer Anna, die ihren kleinen Otto mitbrachte, um ihn der Mutter und Familie zu zeigen: ein prächtiges, äußerst starkes und lebhaftes Kind mit einem blonden Lockenkopf, strahlend in gesunder Fröhlichkeit. Leider konnte Susanna Tochter und Enkel immer nur auf kurze Momente sehen und sprechen, weil ihr die Unruhe gleich zu viel wurde, so daß auch diese Freude mit Schmerz verbittert war.
Den Kindern hier geht es gut und mir auch im Ganzen, abgesehen von dem unordentlichen Schlaf.
Ich hoffe bald von Dir und den Deinigen zu hören. Wird Präsident Herrmann die erbetene Entlassung erhalten und wer ist als Nachfolger zu erwarten? Wird Deine Stellung durch den Wechsel unangefochten bleiben?
Ich habe die Biographie1 und die Vermischten Schriften2 durch die Buchhandlung Gsellius direct zugesendet erhalten, doch ohne Note3, was gegen meine Meinung war; wir rechnen darüber ab, wenn Du sie mir nicht schickst und ich im Frühjahr nach Berlin komme. Den Briefwechsel4 habe ich in der letzten Zeit, mit anderen Arbeiten beschäftigt, liegen lassen; doch ist schon viel abgeschrieben, was am meisten Zeit nimmt und recht lästig ist, und ich hoffe bald wieder fortzufahren.
Ich wünsche Dir und den Deinigen ein ungetrübtes Weihnachtsfest. Herzlich grüßend