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Käthe Roser Naumann an Karl Hegel, Stuttgart, 8. Januar 1878

Geehrtester Herr und Freund!

Ihre gütige Anzeige von dem Hinscheiden der geliebten Gattin, meiner unvergeßlichen Jugendfreundin, hat mich tief bewegt und spreche ich Ihnen und deren theuren Geschwistern meine und meines Ernst tiefgefühlte Theilnahme dafür aus. –

Ob sie wohl meine unvollkommenen Zeilen vergangenen Jahres noch erhalten hat, ich wollte ihr wenigstens darinnen die Versicherung geben, wie sehr theilnehmend ich ihrer gedenke!

So echt die Sehnsucht in mir wach wurde, meine geliebte Heimat noch ein Mal im Leben wiedersehen zu mögen, so stendt ihr liebes Licht, ihre treue Persönlichkeit zunechst vor mir; nehmen Sie wiederholt meinen innigsten Dank dafür hin, daß Sie mir die geliebte Selige zunechst wieder in Hamburg zuführten, mir dann gestatteten einige Tage Ihr liebliches Familienleben zu Rostock kennen zu  lernen, daß Sie aber auch nicht verschmäht haben, mit der geliebten Gattin unser Familienleben hier, kennen zu lernen.2

Daß Gefühl innigster Verbindung mit Ihrer treuen Susanna, möge Ihren Schmerz mit Gottes Hülfe täglich mehr lindern, Ihren Glaubensblick nach Oben immer mehr schicken und erhellen!

Mit inniger Theilnahme las ich auch von dem Abscheiden des würdigen Herrn Professor Hoffmann, möge der Herr auch der gebeugten Wittwe nahe sein. Ihre theuren Kinder wolle der reiche Gott und Herr ferner segnen und behüten auf all ihren Wegen, welche Freude würde es mir machen, sie alle einzeln noch kennen lernen zu dürfen –, ich nehm den herzlichsten Antheil an Ihren Eltern und Großelternfreuden!

Zu meinem Beileidschreiben eignen sich freilich keine weitern Notizen über unser hiesiges Ergehen; dennoch erlaube ich mir noch beizufügen, daß von einmal 6 Kindern, noch die 3 eigenen in der Schule und im elterlichen Hause leben, Doch so, daß meine älteste Tochter Auguste eben alleine meine Stütze ist, rührend ihre Schwester Luise noch 1 Jahr in dem Herrnhuter Institut Königsfeld, weilt; der Sohn Johannes, in der Lederfabrik zu Eßlingen, dem Vater schon eine künftige Stütze zu werden verspricht, indem er, zunechst als Gerber, ihm einige Jahre dienet, um nachher rasch der Handelswissenschaft zu seiner weiteren Ausbildung zu leben, von den 3 mehr Töchtern und 11 Enkelkindern könnte auch manches berichtet werden, doch dieß genüge, daß sie eine dem Herrn zum Segen und Freude täglich mehr 3 – die einzige geistige Aussprung, die ich mir in meinem kleinen Lesezirkel gönne. Sie hat mich ächter mit der theuren Auguste Kieser zu sammen, deren liebliche Töchter Herzensfreundinnen meiner Auguste geworden sind; von ihnen darf ich einiche liebe Nachrichten über die geehrte Familie erfahren.

Entschuldigen Sie, geehrter Freund, meine unbescheidene Weitläufigkeit, doch es soll ja gewiß nicht sobald mehr meine schwache Feder Sie belästigen, darf ich doch noch ferne von der theuren Freundin Auguste, über Ihre allen Einzelnen hören!

Ich schließe mit wiederholter Versicherung meiner tiefgefühltesten Theilnahme, auch von Seiten meines Ernsts

als Ihre ergebene Freundin,
Käthe Roser Naumann.