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Karl Hegel an Ludwig Löffelholz, Erlangen, 17. Februar 1878

Lieber Schwager!

Mit herzlichem Dank erwieder ich den liebevollen Ausdruck Deiner warmen Theilnahme für das schwere Geschick, das mich wie ein dunkles Verhängniß betroffen hat und immerfort meine Seele betrübt. Ich nehme es in Ergebenheit als durch die Hand der allgütigen Vorsehung auferlegt, wie meine geliebte Susanna selbst das erhabene Vorbild der Geduld im langen Leiden gegeben hat. Sie sagte mir einmal, es sei ihr immer ein erschrecklicher Gedanke gewesen, daß sie mir die Augen zudrücken müsse; dessen ist sie nun überhoben worden, und vielleicht hätte sie, mich überlebend, das Alleinsein schwerer als ich ertragen! Jetzt muß ich ihre liebe Gegenwart entbehren, aber ich habe das Gefühl, als ob ihr Geist, ihr unkörperliches Selbst, mich beständig liebend umschwebe und mich zu ihr hinauf erhebe. Unsere Trennung kann nicht mehr lange dauern; meine Lebensjahre neigen sich dem Ende zu, und der Tod hat für mich seinen Schrecken verloren, seitdem er mir das Theuerste genommen hat. Mein Lebensglück liegt in der Vergangenheit, mit der ich mich jetzt durch das Lesen ihrer köstlichen Briefe am liebsten beschäftige; meine Hoffnung in der Ewigkeit. –

Ich lege für Euch die im Jahre 1870 aufgenommene Photographie meiner Susanna bei; solltet Ihr sie bereits besitzen, so bestimme ich sie der guten Wilhelmine, der ich übrigens im andern Fall gern gleichfalls eine schicken werde: einstweilen bitte ich Deine liebe Luise, sie von mir zu grüßen und ihr meinen Dank für ihren innigen und treu freundschaftlichen Brief1 auszusprechen.

Mit vieler Freude habe ich vor kurzem in Nürnberg durch Marie vernommen, daß Du Dich entschlossen hast, dorthin überzusiedeln. Dadurch wird die leidige Trennung zwischen uns so gut wie aufgehoben und wir dürfen hoffen, uns recht oft hier oder dort zu sehen. Eure lieben Kinder kenne ich jetzt fast nicht mehr. Den meinigen und auch Luise Lommel geht es gut. Anna wird uns Ende März ihren kleinen Otto zur Aufbewahrung bringen, da ihr Mann mit ihr auf einige Wochen nach Italien reisen will.

Ich grüße Deine liebe Luise, deren Kommen mich am Tage meines bittersten Schmerzes erquickt hat, für das ich ihr und Dir gleich sehr danke.

In treuer Liebe
Dein Schwager
C. Hegel.