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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Berlin, 31. März 1878

Lieber Karl!

Wir freuen uns sehr in der Hoffnung, Dich bald bei uns zu sehen und bitten Dich uns vorher von dem Tage und Zeit Deiner Ankunft Nachricht zu geben; die Gaststube wird dann zu Deiner Aufnahme bereit sein. – Klara dankt Dir herzlich für Deinen lieben Brief; ihre Genesung schreitet, wenn auch langsam, doch stetig fort; sie hat guten Appetit und meist auch guten Schlaf und es würde gewiß rasch vorwärts gehen, wenn das Wetter es mehr gestattete, die frische Luft zu genießen. Zweimal ist sie schon ein halbes Stündchen spazieren gegangen. Wir erfreuen uns jetzt des Besuchs unserer Waldenburger mit ihren zwei Kindern; sie logiren bei Bitters, wo genügender Raum in der Seehandlung ist, kommen aber doch auch oft zu uns. Heute ist der Geburtstag der kleinen Anna, welche ihr erstes Lebensjahr vollendet; sie hat sich recht erholt und ist ein wohlgenährtes behagliches Kind. Sie werden bis nach Ostern1 hier verweilen. – Im Uebrigen leben wir still und in geregelter Ordnung, was mir auch bei anstrengender Arbeit sehr Bedürfniß ist. In allen Verhältnißen zeigt sich kritische Spannung und Gährung und in unserer Kirche werden die bevorstehenden Synoden scharfe Kämpfe hervorrufen.

Deinen Georg begleite ich zur Kriegsschule mit herzlichen Segenswünschen; möge Gott ihn dort vor Thorheiten und Verwirrungen gnädig bewahren. Wir vertrauen, daß auch darin die Gebete seiner seligen Mutter mit ihrem Segen nachwirken werden.

Der Herr behüte Dein Haus und Deine Kinder und lasse Dich dahin an Leib und Seele gestärkt zurükkehren.

In herzlicher Liebe
Dein Bruder
Immanuel