Wir sind durch Deinen lieben Brief1 mit dem Bericht über Deine Rückreise mit dem angenehmen Aufenthalt in Halle und über Deine Heimkehr2, wo Dich Deine Söhne in der Nacht empfangen haben, sehr erfreut worden, und hoffen, daß, wenn Du zunächst auch eine Ermüdung empfunden hast, Dich die Reise mit allen ihren Eindrücken erfrischt und gestärkt haben werde. In Deinem Hause wird Dir freilich die schmerzliche Lüke immer fühlbar bleiben3; um so mehr wird es Dir aber Bedürfniß sein, die Lebensgüter zu pflegen, derer Du Dich noch erfreuen kannst, namentlich Deine Kinder mit allen ihren Interessen, Deinen wohlgeordneten Hausstand mit seinen freundschaftlichen Verhältnissen und endlich Deiner Arbeit, zu welcher es Dir an ernsten und umfassenden Aufgaben nicht fehlt und in der Du reiche Befriedigung findest. Wenn wir auch den Schmerz über einen großen Verlust nicht wohl unterdrüken können, so ist es doch gut und wohlthuend, uns dabei immer die Güter zu vergegenwärtigen, in deren Besitz wir uns noch befinden, und den Dank, den wir dafür Gott schuldig sind, im Herzen lebendig zu erhalten. In unserem Alter, wo es täglich bergab geht, ist es doch recht nöthig, sich dieses Gefühl zu bewahren und es auch durch den dankbaren Rückblick auf die Vergangenheit zu verstärken, weil darin, so wie in der Hoffnung auf ein ewiges Leben, die Zufriedenheit beruht, welche wir nicht entbehren mögen. Und wir Beide, die wir doch im besten Falle keine lange Pilgerfahrt mehr auf Erden zu erwarten haben, müssen doch zugestehen und anerkennen, daß wir in unserem Leben viel gute Tage, viel Glück, Freude und Segen erfahren haben. Wir wollen daher auch dafür Gottes Güte und Gnade loben und preisen und Ihm dafür von ganzem Herzen dankbar sein.
Nach Deiner Abreise haben wir noch mehrfachen Besuch im Hause gehabt, zuerst mein Neffe und Mündel Otto Trinkler, mit dem es ähnlich wie mit Deinem Georg gegangen ist; für Sprachen wenig begabt und im Arbeiten schlaff, hat es auf dem Gymnasium nicht vorwärts gehen wollen, und nachdem er endlich nach Prima versetzt worden, habe ich seinen Wünschen nachgegeben und ihn ins Heer eintreten lassen. Zunächst geht er nach Kassel, wo er in einer Privatanstalt zum Fähnrichexamen vorbe- reitet werden soll; er ist ein guter Junge, aber zu einem tüchtigen Soldat scheint er mir auch nicht die Energie zu haben. – Nach ihm kam mein Schwager Adalbert aus Marienwerder zum Besuch auf der Hin- und Rückreise von Schulpforta, wo sein älterer Sohn, ein wackerer Junge, eingesegnet wurde. Die Zeitungen berichteten, daß er nach Aachen versetzt würde; davon ist aber keine Rede und er ist auch in Marienwerder ganz zufrieden.
In der nächsten Zeit werde ich in meinem Amt ungewöhnlich beschäftigt sein; in dieser Woche Verhandlung mit Pfarrer Dr. Kalthoff, der wegen Irrlehre abgesetzt werden soll und nun in seiner Gemeinde und Umgegend bei Züllichau eine große Agitation ins Werk zu setzen sucht; es ist dies leerer Staub und Dunst, der bald wieder verschwinden wird. Dann die Pfarrerwahl an St. Jacobi in Berlin, wo sie jetzt statt Hossbach den bekannten Schramm in Bremen gewählt haben. Endlich wird am 18ten dieses Monats eine Provinzialsynode auf 14 Tage bis 3 Wochen zusammenkommen, welche auch viel Arbeit und Kämpfe bringen wird. Ich bitte Gott, daß Er mir hierbei überall gnädig beistehen und durchhelfen möge, damit Alles zu Seines Namens Ehre geschehe.
Meine Frau ist noch immer etwas angegriffen und kann die Folgen ihres Leidens, wenn es auch in der Hauptsache durch die Operation behoben ist, darin noch immer nicht ganz überwinden. Bei dem schönen Frühjahr erquickt sie sich aber im Thiergarten, welcher jetzt in glänzendem Grün prangt. – Willi hat seine erste Prüfungsarbeit abgegeben und sitzt jetzt über der zweiten. Er ist ganz wohlgemuth; doch werde ich froh sein, wenn das Ganze erst glüklich überstanden ist. Marie ist mit ihren Kindern vorgestern abgereist; wir haben uns an ihnen herzlich erfreut.
Meine Frau mit Willi und Clärchen senden Euch Allen viele herzliche Grüße.