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Karl Hegel an Immanuel und Clara Hegel, Erlangen, 30. Mai 1878

Lieber Manuel und liebe Clara!

Erst spät bringe ich Euch die frohe Nachricht von der glücklichen Entbindung meiner Tochter Luise Lommel von einem kräftigen Knäblein, das am Tage nach seiner Geburt gerade 8 Pfund wog – am 22. dieses Monats morgens nach kurzer Anstrengung. Das Befinden der lieben Wöchnerin ist recht gut und sie wird sich hoffentlich rascher erholen als sonst, da sie auf Anordnung des Arztes das Selbstnähren diesmal von vorn herein aufgegeben hat; der Kleine ist mit verdünnter Kuhmilch bis jetzt vollkommen zufrieden.

Welche Freude hätte meine geliebte Susanna bei diesem glücklichen Verlauf empfunden, dessen Bevorstehen sie noch in der letzten Zeit ihres Krankenlagers mit vieler Sorge erfüllte! Sie ist bei Gott und mit uns, die sie so viel geliebt hat; sie war auch heute bei uns in feierlicher Stunde, da wir zum erstenmal ohne sie zum Heiligen Abendmahl gingen!

Anna und Georg fehlten. Die erstere ist zu Ende vorigen Monats aus Italien zurückgekehrt, sehr befriedigt von den neuen Eindrücken der Reise, und hat ihren kleinen Otto bei uns abgeholt. Jetzt ist sie vor einigen Tagen nach Kohlgrub mit dem Kinde abgereist, um dort 4 Wochen eine Badekur zu gebrauchen, welche ihre wenn auch nicht leidende Gesundheit befestigen soll; Felix, der eigentlich der Erholung mehr bedürfte, wird Ende jeder Woche auf 2 – 3 Tage sie besuchen.

Georg schreibt recht frohe Briefe aus München, wiewohl er versichert, daß er sehr angestrengt zu arbeiten und kaum Zeit habe, ein paar Gläser Bier zu trinken. Die neuen Gegenstände des praktischen Unterrichts verbunden mit körperlichen Übungen haben viel Reiz für ihn und er ist mit ganzer Seele Soldat! Ich danke Gott, daß ich ihn endlich so weit gebracht habe.

In meinem Hause ist es lebendig geworden durch die beiden Enkel, die ich zu Luisens Erleichterung zu mir genommen habe; nur die kleine Elise ist bei ihr geblieben, für welche die große Fräulein Elise, die Schwäbin, sorgt, welche den Haushalt bei Lommels führt, ein gutes, wackeres Mädchen aus Eßlingen.

Von meinen beiden andern Töchtern lege ich hier die Photographien1 bei, welche in jüngster Zeit angefertigt worden sind, um sie Euch zu vergegenwärtigen; es sind zwei liebe Mädchen, die ihrer Mutter noch recht viel Freude gemacht haben würden. Dasselbe kann ich von dem guten ehrlichen Mundel sagen, der jetzt Käfer, Schnecken, Frösche und anderes Gethier sammelt.

Ich habe in den letzten Tagen u. a. Deine Briefe aus München und die der lieben seligen Mutter aus Berlin vom Jahr 18342 mit vielem Interesse gelesen und habe in einem der Deinigen eine Stelle gefunden, wo Du Dich in gleichem Sinne, wie kürzlich in Berlin, über unseres Vaters Briefe aussprichst, welche Dir der alte Niethammer mitgetheilt hatte; ich wundere mich, wie gut Du das im Gedächtniß behalten hast.

Ich bin wiederum mit mehreren Commissionen von unserem Ministerium bedacht worden3; des einen gedenke ich mich in der nächsten Woche zu Würzburg zu entledigen, und von dort aus werde ich, wie ich versprochen, meine alte Freundin Gervinus in Heidelberg an den Pfingstfeiertagen4 besuchen.

Du wirst jetzt vollauf mit der Provinzialsynode beschäftigt sein.

Den jungen Lepsius5 habe ich ein paar mal eingeladen; er hat mir in seinem stillen, sinnigen und anspruchslosen Wesen recht wohl gefallen; auch scheint es ihm in der idyllischen Einsiedelei, die er sich unter Blüthenbäumen auf der Höhe des Altstädter Bergs ausgesucht hat, wo er in der Hängematte studiert, nicht übel zu gefallen.

Mit herzlichen Grüßen
Euer Karl.

P. S. Ich bitte Willi, den ich bestens grüße, für mich bei Heyl6 ½ hundert Stahlfedern, breite Sommerville (Birmingham)7 wie ich bei Dir gefunden, zu kaufen und den Betrag nebst Porto (20 Pfennig) durch Postnachnahme zu erheben.