Erlangen 13. Juli 1878
Lieber Manuel!
Ich erhielt vorgestern einen etwas aufgeregten Brief von Theodor wegen der Biographie, worauf ich ihm sogleich geantwortet habe: ich entschuldigte mich so gut es ging damit, daß ich mich in Rücksicht auf seine bedauerliche Lage nicht an ihn gewendet hätte, weil die Sache sehr eilig gemacht wurde. Nun ist es mir aber doch recht lieb, wie ich ihm auch geschrieben, daß er durch Adalbert noch Gelegenheit zu eigenem Zuthun erhalten hat; er verlangte nur dringend um ganz kurzen Aufschub, weßhalb ich ihn beruhigen konnte, nachdem ich mich bereits mit Wegele verständigt hatte, daß der Artikel erst am Ende des Buchstaben F erscheinen soll, nachdem er an seiner rechten Stelle bereits im Druck übergangen worden. Dies habe ich auch schon früher an Adalbert | geschrieben, der mir mittheilte, daß er in großer Bedrängniß der Wahlgeschäfte sei.
Dies schreibe ich Dir, um Dich über den Stand der Sache zu orientieren. Hoffentlich wird uns nun Theodor nicht mehr böse sein; ich verdenke es ihm nicht, daß er etwas aufgeregt war, wiewohl er nicht empfindlich zu sein versichert.
Meine Töchter, Luise und Marie, sind seit 10 Tagen in Bad Brückenau, leider haben sie schlechtes Wetter. Anna ist immer noch in Kohlgrub; ihr Kleiner bekam die Ruhr, wahrscheinlich infolge von unreifem Obst, das er im Garten aufgelesen; sie war in großer Angst, doch ging die Gefahr Gottlob vorüber.
Ich werde in 3 Wochen nach Alexanderbad gehen, nicht um die Wasserkur, sondern die Luftkur zu gebrauchen; auch gibt es dort ein Mineralbad; hoffentlich wird das Wetter bis dahin besser und wärmer. Wann werdet Ihr nach Johannisbad abgehen? |
Auch bei uns sind die Wahlvorbereitungen im Gange. Hier ist die Wiederwahl von Marquardsen gesichert, doch tritt Sonnemann aus Frankfurt als Gegencandidat auf, der in Fürth die Mehrheit haben wird, wo die sog. Volkspartei mit den Social-Demokraten zusammengeht. In Nürnberg macht den Reichstreuen und Liberalen, die sich geeinigt haben, wieder der Schlossergeselle Grillenberger Concurrenz, ein loses Schandmaul, welches das vorige Mal beinahe gewählt worden wäre; die Gegenpartei konnte in Nürnberg außer dem Advocaten und Juden Frankenburger, welcher die ehemalige Reichsstadt bisher auf dem Reichstag vertreten hat, und den die nicht fortschrittlichen Reichstreuen (bei welchen unser Vetter Friedrich Grundherr präsidirte – ungefähr gleichbedeutend mit den Nationalliberalen) nicht wieder wählen wollten – in Nürnberg selbst keinen Candidaten aufbringen und läßt sich nun einen jugendlichen Bewerber, den Mathematik Gymnasial-Professor Günther aus Ansbach, allerdings durch Geburt ein Nürnberger Kind, gefallen. Diesem vormaligen Bubenreuther wohnt eine burschenschaftliche Gesinnung | inne, welche durch eine ebenso unerschrockene als geläufige Suada unterstützt wird – ob nationalliberal oder fortschrittlich ist noch unentschieden.
Denkt denn die Reichsregierung gar nicht daran, das unsinnige Wahlgesetz zu corrigiren? Jetzt wäre vielleicht die Möglichkeit dazu gegeben, wenn nur durch die neuen Wahlen die Majorität etwas mehr nach rechts verschoben würde. Ich hoffe auf beides, wiewohl nicht gerade stark.
Mit herzlichen Grüßen an die liebe Clara und die Kinder – Willi macht wohl jetzt oder nächstens sein Examen?
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
.
Privatbesitz
1000
Flottwell
, Adalbert von: Flottwell, Eduard Heinrich von, in: ADB 8 (1878), S. 280-283.
Flottwell
, Flottwell, S. 280-283
1876
Flottwell, Adalbert JuliusAdalbert Julius Flottwell11663105818291909Flottwell, Adalbert Julius (1829–1909), in Marienwerder geborener Sohn Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und seiner zweiten Ehefrau Auguste Flottwell, geb. Lüdecke (1794–1862), der nach seinem 1849 begonnenen Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Berlin preußischer Beamter und Politiker wurde. Verheiratet mit Ella (Else) Flottwell, geb. Oppen-Gatersleben (1841–1916), war er von 1861 bis 1868 Landrat von Meseritz in der Provinz Posen, gleichzeitig von 1866 bis 1868 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, dann von 1868 bis 1872 Landesdirektor im Fürstentum Waldeck-Pyrmont, von 1872 bis 1875 Kabinettsminister im Fürstentum Lippe, von 1875 bis 1880 Regierungspräsident in Marienwerder, dazu von 1878 bis 1881 Mitglied des Deutschen Reichstages, sowie ab 1880 Präsident des seit 1871 bestehenden preußischen Bezirks Lothringen in Metz. Bis 1902 war er schließlich Direktor der Schlesischen Bodenkreditbank.
Wegele, Franz XaverFranz Xaver Wegele
HiKo
11930313218231897Wegele, Franz Xaver (1823–1897), in Landsberg am Lech geborener Historiker, der an den Universitäten München und Heidelberg studierte und sich im Jahre 1849 habilitierte. Von 1851 bis 1857 war er außerordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Jena, von 1857 bis zu seinem Tode ordentlicher Professor an der Universität Würzburg. Im Jahre 1858 gehörte er, ein Freund Karl Hegels (1813–1901), zu den Gründungsmitgliedern der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und war von 1873 bis 1897 einer der Redakteure bei der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB).
Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
Marquardsen, HeinrichHeinrich Marquardsen11678909318261897Marquardsen, Heinrich (1826–1897), in Schleswig geborener Jurist und Politiker, der nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel und Heidelberg im Jahre 1848 promoviert wurde und sich 1852 habilitierte. Als Privatdozent für Staats- und Völkerrecht wurde er 1857 in Heidelberg außerordentlicher Professor und war anschließend von 1861 bis 1897 Ordinarius an der Universität Erlangen. Im Zusammenhang mit der Schleswig-Holstein-Problematik wandte er sich der Politik zu und war 1864/65 Präsident der Schleswig-Holstein-Vereine im Königreich Bayern, war von 1868 bis 1870 als Mitglied der Fortschrittspartei Mitglied des deutschen Zollparlaments, von 1869 bis 1892 Mitglied der Abgeordnetenkammer des Bayerischen Landtages und von 1871 bis zu seinem Tode auch Mitglied des Deutschen Reichstages.
Sonnemann, Leopold11875148418311909Sonnemann, Leopold (1831–1909), aus jüdischer Familie Unterfrankens gebürtiger Bankier, Verleger, Journalist und Politiker, der 1867 alleiniger Eigentümer und Herausgeber der Frankfurter Zeitung wurde.
Grillenberger, Karl11948733018481897Grillenberger, Karl (1848–1897), in Zirndorf geborener Schlosser, Journalist und sozialdemokratischer Politiker. Von 1881 bis zu seinem Tod war er Mitglied des Deutschen Reichstages, ab 1893 auch der Bayerischen Abgeordnetenkammer.
Frankenburger, Wolf12968878918271889Frankenburger, Wolf (1827–1889), in Unterfranken geborener Jurist und Politiker, der nach seinem Studium an der Universität Würzburg im Jahre 1861 Rechtsanwalt in Nürnberg wurde und u. a. Verwaltungsmitglied der dortigen jüdischen Kultusgemeinde war. Für die Deutsche Fortschrittspartei war er von 1869 bis 1889 Mitglied der Bayerischen Abgeordnetenkammer und von 1874 bis 1878 Mitglied des Deutschen Reichstages.
Grundherr, Adolf108003427718481908Grundherr, Adolf (1848–1908), in München geborener vielseitiger bildender Künstler, vor allem Maler und Graphiker. Sein Vater war der königlich bayerische Offizier Sigmund Grundherr von Altenthann und Weiherhaus (1797–1873). Nach dem Abitur am Münchener Maximilians-Gymnasium im Jahre 1868 studierte er an der Universität München zunächst Rechtswissenschaften, wechselte aber 1871 an die Nürnberger Kunstgewerbeschule und ein Jahr später an die Münchener Kunstakademie, um sein ganzes Leben der Kunst zu widmen.
Günther, Siegmund11871918118481923Günther, Siegmund (1848–1923), in Nürnberg geborener Gymnasialprofessor und Politiker, der von 1865 bis 1870 an den Universitäten Erlangen, Heidelberg, Leipzig, Berlin und Göttingen Mathematik und Physik studierte und 1870 promoviert wurde. Nach dem Krieg von 1870/71 ging er in den Schuldienst und war von 1876 bis 1886 Gymnasialprofessor in Ansbach. Von 1878 bis 1884 war er als Angehöriger der Deutschen Fortschrittspartei Mitglied des Deutschen Reichstages.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Brückenau50.3101036,9.7892824Heilbad in der Rhön, seit 1816 zum Königreich Bayern gehörend.
Kohlgrub47.6659196,11.0519029Etwa 75 Kilometer südwestlich von München und etwa 25 Kilometer südlich von Weilheim in den oberbayerischen Alpen gelegener Kurort mit Moorheilbad.
Alexandersbad50.0165192,12.0157353Im Fichtelgebirge gelegener Kurort, etwa zwei Kilometer südlich von Wunsiedel, benannt nach dem letzten, im Jahre 1791 abgedankten Markgrafen Alexander von Brandenburg-Ansbach-Bayreuth (1736-1806).
Johannisbad50.6305685,15.7806938Etwa 150 Kilometer südwestlich von Breslau auf circa 520 Meter Höhe im böhmischen Riesengebirge gelegen.
Frankfurt (Main)50.1106444,8.6820917Ehemalige Reichsstadt am Main, oftmaliger Wahl- und Krönungsort der Könige des Heiligen Römischen Reiches sowie Freie Stadt innerhalb des Deutschen Bundes, dessen Bundestag sich dort versammelte. Die Frankfurter Paulskirche war von Mai 1848 bis Mai 1849 der Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung, die die Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 erarbeitete. Seit dem Mittelalter war es eine bedeutende Messestadt und ein Finanzplatz mit Wertpapierbörse für den Handel mit Staatsanleihen und Aktien.
Fürth49.4772475,10.9893626Etwa zehn Kilometer westlich von Nürnberg am Zusammenfluß von Pegnitz und Rednitz gelegene Stadt des Königreichs Bayern (1808/1818), die 1835 als Endpunkt der ersten deutschen Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth mit der beginnenden Industrialisierung in Berührung kam, 1843 Anschluß an den Ludwig-Donau-Main-Kanal fand und sich mit den Eisenbahnanschlüssen an die Ludwig-Süd-Nord-Bahn und die Ludwigs-West-Bahn der 1860er Jahre zu einer modernen Industriestadt entwickelte.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Ansbach49.3028611,10.5722288Ehemalige Haupt- und Residenzstadt des Markgraftums Brandenburg-Ansbach, etwa 100 Kilometer südlich von Schweinfurt und etwa 50 Kilometer südwestlich von Erlangen gelegen.
RuhrInfektion des Darmes.
SozialdemokratieDie aus Arbeitervereinen hervorgegangenen Parteien wie der 1863 von Ferdinand Lassalle (1825-1864) gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiterverein und die 1869 von August Bebel (1840-1913) und Wilhelm Liebknecht (1826-1900) gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschlands schlossen sich 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands zusammen.
LiberalismusNeben dem Sozialismus und dem Konservativismus die dritte große politische Ideologie im 19. Jahrhundert, deren vielfältige Programme und Erscheinungsformen keine eindeutige Definition zulassen.
Nationalliberale ParteiAls Abspaltung des rechten Flügels der Deutschen Fortschrittspartei gegründete Partei, die vor allem die Interessen des national und liberal denkenden Bildungs- und Besitzbürgertums in einem konstitutionellen parlamentarischen Rechtsstaat vertrat.
BubenreutherDie im Jahre 1817 nach dem Wartburg-Fest als „Allgemeine Erlanger Burschenschaft“ gegründete Studentenverbindung an der Universität Erlangen, die nicht zu den „Corps“ genannten studentischen Vereinigungen gehörte, wurde später nach dem Dorf Bubenreuth bei Erlangen benannt. – Gottlieb Karl Sigmund von Tucher (1830-1850) studierte seit dem Wintersemester 1849/50 Rechtswissenschaft in Erlangen und war Mitglied der „Bubenreuther“, zu denen aus dem Tucherschen Bekanntenkreis zum Beispiel auch Hans Philipp Werner von und zu Aufseß (1801-1872), Hermann Friedrich Jakob Beckh (1806-1886) und Hans von Raumer (1820-1851) gehörten.