Marienbad 16. August 1878
Meine liebe Luise!
Deinen lieben Brief vom 11. August habe ich erhalten, gleichzeitig mit einem von der guten Lina. Gestern bekam ich die Briefe von Mariechen, Mundel und Sophiechen. Deine Rückkehr und Dein Wohlbefinden, welches noch besser zu werden verspricht, waren mir erfreulich; recht bedauerlich hingegen Mundels seltsame Krankheit, die vielleicht schon länger bei ihm vorbereitet war. Dadurch ist seine Abreise nach Simmelsdorf aufgeschoben worden; sorgt nur dafür, daß er sie nicht früher antritt, als bis er völlig genesen ist! Es ist doch gut, daß ihn die Krankheit nicht in Simmelsdorf befallen hat; überdies ist jetzt das Wetter voraussichtlich auch bei Euch so schlecht, wie hier und kann Mundel auch in dieser Beziehung sich auf bessere Tage vertrösten. Er schrieb mir von den Dummheiten, wie er sich etwas stark ausdrückte, seines | Neffen Felix! Hoffentlich bist Du nicht zu sehr davon erschreckt worden: das merkwürdigste ist dabei gewiß deren Wiederholung. Sophiechens Brief hat mir viel Spaß gemacht; sie ist vergnügt und offenbar guten Humors, ich werde ihr selbst schreiben.
Georg schrieb aus Ingolstadt am 8. August, daß er nach München und von dort nach Dachau abgehen werde und daß sein Geld noch bis zum 20. August reiche. Ich ertheile deßhalb an Mimi hiermit den Auftrag, ihm jetzt lezlich 80 Mark durch Postanweisung (per Karte zu 20 Pfennig mit Einzahlung auf die Post in Erlangen) nach Dachau zu schicken. Seine Adresse ist: Fähnrich Hegel in der Kriegsschule, zur Zeit in Dachau.
Ich erhielt gestern auch zwei Sendungen der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Da ich jedoch diese hier ganz bequem zu lesen bekomme, so kann Mariechen diese Sendungen künftighin unterlassen.
Dein Mann wird nun wohl nach dem schönen Salzkammergut abgereist sein: möchte er nur bald gutes Wetter bekommen; ich gönne ihm die Erholung von Herzen und grüße ihn bestens.
Von Anna habe ich viel zu lange nichts gehört.
Ich befinde mich hier relativ wohl, nämlich mit Ausnahme des Schlafs, den ich mir besser wünsche. Ich beschränke mich auf die Luftkur und Spaziergänge in der schönen Umgebung bei guter Unterhaltung. Ich wohne in demselben Hause, Villa Schönbrunn, in schöner hoher Lage, mit Giesebrechts, mit denen ich beständig zusammen bin. Mittags und Abends und auf dem Nachmittagsspaziergang begleiten uns noch der Mathematiker Professor Seidel aus München und seine Schwester. Man macht sonst keine Bekanntschaften in dieser großen Badewelt, die aus allen Ländern zusammengeflossen ist: sie sieht bunt genug aus, besonders die Kinder mit blauen, rothen, violetten oder Zebrastrümpfen, und was für Fässer oder Tonnen sind diese Weiber, welche täglich Morgens in drei Colonnen nebeneinander mit ihren an Riemen hängenden Gläsern zum Kreuzbrunnen wallfahrten und Abends bei der Musik auf der Promenade im glänzendsten Staat cokettiren! Mit Hunderten zusammen nehme ich des Morgens den Caffe im Bellevue, wo man alle Zeitungen der Welt zusammen findet. Mittags vor dem Essen versammelt sich die Gesellschaft wieder bei der Waldquelle, wo ebenfalls Musik ist; dort trinke ich auch bisweilen ein Glas. Auch habe ich einigemal in der Marienquelle | gebadet, deren Wasser wie Champagner in zahllosen Bläschen die Kohlensäure aufsteigen läßt. Daneben gibt es Stahlbäder und Moorbäder in anderen ausgedehnten Badeanstalten.
Von Marquardsens Sieg bei den Stichwahlen am 13. August habe ich gelesen. Andere Neuigkeiten von Erlangen wünsche ich durch Euch zu erfahren. Mariechen soll mir nur gleich wieder über Mundels Befinden schreiben und alles genau nach der Wirklichkeit berichten.
Herzlich grüßend
Euer Euch liebender Papa.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Marienbad49.9739518,12.703319Etwa 270 Kilometer nördlich von München gelegener Kurort im westböhmischen Bäderdreieck von Karlsbad, Franzensbad und Marienbad.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
Hegel, Sigmund (Mundel, Mundulus, Munerle)Sigmund Hegel11657085718631945Hegel, Sigmund (1863–1945), sechstes Kind (zweiter Sohn) Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), Mitglied des Corps Onoldia in Erlangen, Chemiker, Kaiserlicher Geheimer Regierungsrat am Reichspatentamt in Berlin.
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
Lommel, Eugen Cornelius JosephEugen Lommel10427615018371899Lommel, Eugen Cornelius Joseph (1837–1899), in der Rheinpfalz geborener Physiker und Mathematiker, der von 1854 bis 1858 an der Universität München studierte, Lehrer in der Schweiz und dann Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurde. 1867/68 war er Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und von 1868 bis 1886 Ordinarius an der Universität Erlangen, schließlich an der Universität München. Er war der Ehemann Luise Hegels (1853–1924), der zweitältesten Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878).
Giesebrecht, Wilhelm FriedrichWilhelm Giesebrecht
HiKo
11871736718141889Giesebrecht, Wilhelm Friedrich (1814–1889), in Berlin geborener Historiker, der 1851 außerordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Königsberg wurde, von 1857 bis 1861 dort Ordinarius und anschließend bis 1889 an der Universität München war. Im Jahre 1858 wurde er Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften und von 1862 bis 1889 deren Sekretär. Im Jahre 1875 wurde er Mitglied der neugeschaffenenen Zentraldirektion der MGH in Berlin und wurde Mitglied des Verwaltungsrates und Gelehrtenausschusses des GNM in Nürnberg.
Seidel, Philipp Ludwig11746365518211896Seidel, Philipp Ludwig (1821–1896), im pfälzischen Zweibrücken geborener Mathematiker und Astronom, der ab 1840 an den Universitäten Berlin, Königsberg und München studierte, 1846 in München zum Dr. phil. promoviert wurde, sich dort habilitierte und außerordentlicher Professor wurde. Von 1855 bis zu seinem Tode hatte er dann den Mathematik-Lehrstuhl inne.
Marquardsen, HeinrichHeinrich Marquardsen11678909318261897Marquardsen, Heinrich (1826–1897), in Schleswig geborener Jurist und Politiker, der nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel und Heidelberg im Jahre 1848 promoviert wurde und sich 1852 habilitierte. Als Privatdozent für Staats- und Völkerrecht wurde er 1857 in Heidelberg außerordentlicher Professor und war anschließend von 1861 bis 1897 Ordinarius an der Universität Erlangen. Im Zusammenhang mit der Schleswig-Holstein-Problematik wandte er sich der Politik zu und war 1864/65 Präsident der Schleswig-Holstein-Vereine im Königreich Bayern, war von 1868 bis 1870 als Mitglied der Fortschrittspartei Mitglied des deutschen Zollparlaments, von 1869 bis 1892 Mitglied der Abgeordnetenkammer des Bayerischen Landtages und von 1871 bis zu seinem Tode auch Mitglied des Deutschen Reichstages.
Simmelsdorf49.5972637,11.3379197Namengebender Sitz der Nürnberger Patrizier-Familie Tucher von Simmelsdorf, 1598 erworben, nordöstlich der alten Reichsstadt Nürnberg gelegen. Das Alte Tucher-Schloß, ursprünglich ein Wasserschloß, wurde in den 1830er Jahren im gotischen Stil umgebaut, das „Neue Herrenhaus“ 1808 erbaut.
Ingolstadt48.7630165,11.4250395Etwa 65 Kilometer südwestlich von Regensburg und etwa 90 Kilometer südlich von Nürnberg auf beinahe halbem Weg nach München gelegene ehemalige Residenz- und Universitätsstadt an der Donau.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Dachau48.2592477,11.4354419Etwa 20 Kilometer nordwestlich von München gelegener Ort an der Amper mit Eisenbahnanschluß seit 1867.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Salzkammergut47.74601515,13.634626240435352Durch zahlreiche Seen gekennzeichnete Gebirgslandschaft am Nordrand der Alpen, östlich der Stadt Salzburg gelegen.
Schnaittach49.5594272,11.3357193Gemeinde mit starkem jüdischen Bevölkerungsanteil seit der Vertreibung der Juden im Jahre 1499 aus Nürnberg, etwa 25 Kilometer nordöstlich davon gelegen und fünf Kilometer südlich von Simmelsdorf.
FähnrichIn der Armee Dienstgrad vor dem des Leutnants.
Kriegsschule (München)In München 1858 gegründete militärische Fachschule zur Heranbildung von Offizieren der königlich-bayerischen Armee. Nachdem das Gebäude an der Schwabinger Landstraße im Jahr 1866 zu klein geworden war, erfolgte der Umzug in die „Maxburg“, wo 1867 der Lehrbetrieb der Kriegsschule, der Artillerie- und der Genieschule sowie der Kriegsakademie aufgenommen wurde.
Augsburger Allgemeine (Zeitung)Die von Johann Friedrich Cotta (1764-1832) im Jahre 1798 in Tübingen gegründete „Allgemeine Zeitung“ erschien von 1807 bis 1882 in der alten Reichsstadt Augsburg und entwickelte sich zur bedeutendsten deutschsprachigen Tageszeitung. Ab 1882 wurde München ihr Redaktionsort.
Kreuzbrunnen (Marienbad)Gefaßte Heilwasser-Quelle im Zentrum Marienbads an der Kreuzbrunnen-Kolonnade.
Bellevue (Marienbad)Casino und Hotel in Marienbad.
Waldquelle (Marienbad)Öffentliche Mineralwasser-Quelle in einem klassizistischen Pavillon in Marienbad.
Marienquelle (Marienbad)Zuerst entdeckte Quelle, die am Anfang des Kurortes Marienbad steht.