Ich gedenke zuerst des Todestages unseres theuren Vaters, an dem ich dies schreibe.1 Es sind 47 Jahre her, die wir überschauen mit ihrem für uns und die Welt so reichen und großen Inhalt, und wir beide haben nun schon ein höheres Lebensalter erreicht, als unserem Vater beschieden war! – Mit seiner Biographie habe ich mich in letzter Zeit beschäftigt, nicht um sie selbst zu schreiben und auch auf den Briefwechsel bin ich noch nicht wieder zurückgekommen, sondern mit der, welche Erdmann in Halle für die Deutsche Biographie, auf meine Veranlassung, verfaßt hat2 und welche mir zur Durchsicht und Correctur, wo ich sie nöthig fände, zugeschickt wurde. Ich fand nur weniges zu kürzen oder zu berichtigen; mit der Abfassung im ganzen war ich recht zufrieden; die Entwickelung des Systems aus seinen Anfängen heraus, wie sie in den älteren fragmentarischen Aufsätzen vorliegen, ist besonders klar und präcis dargelegt, daneben das äußere Historische fast zu kurz gefaßt; wohlthuend ist die Wärme und die Pietät, welche sich darin ausspricht.3
Ich danke Euch für die Zusendung meiner und Susannas Briefe. Die ersteren dienten meine Lebenserinnerungen4 aus früherer Zeit zu ergänzen; die letzteren haben mich sehr gerührt durch die innige Aussprache über einige unserer wichtigsten Lebenserfahrungen in Freude und Leid: sie ergänzen die Correspondenz Susannas nach Nürnberg, welche für die frühere Erlanger Zeit zum Theil fehlt, da die liebe Mutter in diesen Jahren ihre Briefe nicht aufbewahrt hat, und in der späteren manches vermissen läßt, weil die persönliche Berührung den brieflichen Verkehr häufig unterbrach. Doch bleibt mir noch eine Lücke übrig, da die Briefe an Friederike verloren sind, nämlich in den Jahren 1856 und folgende aus unserer ersten Erlanger Zeit, und ich muß Dich deshalb noch einmal bemühen und bitten, mir noch meine Briefe an Dich von 1856 – 1859 (die von 1860 und ff. sind mir weniger nöthig) zu übersenden. Ich schicke nachher alles auf einmal zurück. Mit der Ordnung der Briefe brauchst Du Dich nicht aufzuhalten; denn ich lege sie mir leicht selbst chronologisch zurecht.
Einen Band bairischer Städtechroniken5 bringe ich eben zum Abschluß, der Dir von Hirzel zukommen wird.
Mit meinen Vorlesungen und dem historischen Seminar bin ich in gutem Zuge und habe Freude daran.
Den meinigen geht es gut. Mundel ist wiederhergestellt und besucht die Schule. Ich habe nur Freude an dem braven Jungen und den guten Töchtern. Wie es mit Georg eigentlich steht, weiß ich nicht so recht, da er meiner Aufsicht entnommen ist; er freut sich aber sehr darauf, sich zu Weihnachten bei uns von seinen Anstrengungen und seinem schlechten Essen zu erholen. Bei unserer Luise Lommel geht es recht gut; sie hat sich völlig wieder auf den früheren Fuß ihrer Kräfte gehoben und die 4 Kinder gedeihen prächtig. Auch bei Anna in München ist jetzt alle häusliche Noth mit der Sorge um den kleinen Otto vorüber.
Wie geht es nun Euch in Berlin? Ich bin begierig zu erfahren, wohin Willi gehen und wo er seinen ersten Wirkungskreis finden wird. Du selbst hast die Stadtsynode durchgemacht, wie ich beiläufig gelesen. Das wird wenig erfreulich gewesen sein. Adalberts längerer Besuch bot dagegen eine angenehme Abwechslung. Die Socialistenschlacht ist vorüber und ich freue mich über die Wirksamkeit des Gesetzes6, welches mit seinen Schlägen auf das Gesindel herabwettert.
Von den lieben Nürnbergern war Lina auf ein paar Stunden bei uns auf der Durchreise nach Schweinfurt. Sie ist Großmutter von 5 Enkeln, 2 dort und 3 in Nürnberg. Löffelholzens sind noch nicht zu uns herübergekommen; sie haben lange zu ihrer häuslichen Einrichtung gebraucht, sind überhaupt etwas umständlich und dazu war Luise unwohl.
Mir geht es wieder ganz erträglich, wenngleich mir der Schlaf immer noch knapp zugemessen ist; das liegt im Alter und man gewöhnt sich daran. Die Vorlesungen und das kalte Wetter frischen mich auf.
Meine herzlichen Grüße an die liebe Klara und Eure Kinder.
In treuer Liebe