Ich sende Dir und Clara mit Dank meine und Susannens Briefe zurück und lege noch eine altbekannte kleine Weihnachtsgabe1 bei, die Du als Nürnberger mehr als andere Deutsche zu schätzen verstehst.
Die genannten Briefe habe ich im Zusammenhang mit der ganzen Masse unserer aufbewahrten Correspondenz durchgelesen und letztere, mit Ausscheidung und Vernichtung des werthlos gewordenen Theils, vollständig geordnet. Ich habe damit begonnen seit dem Tode meiner Geliebten und im Laufe des Jahres viele Abendstunden dazu verwendet, bis ich jetzt damit fertig geworden bin. Ich habe eine Rückschau über mein ganzes langes Leben gehalten, welches am 1. Januar dieses Jahrs seinen inneren Abschluß gefunden hat, und habe als Historiker meine eigene Vergangenheit zum Gegenstand der Betrachtung und Aufzeichnung gemacht.
In den Briefen meiner Susanna an ihre Mutter, worin sie sich über unser Familienglück so herzlich und Gottliebchens Tod gelesen.
liebenswürdig, gut und fromm ausspricht, bewahre ich meinen theuersten Schatz. Auch die Briefe an Clara waren mir sehr werth; mit einiger Rührung habe ich den über unseresIch denke in diesen Tagen, in welchen sich nächstens mein größter Verlust jährt, besonders viel an die mit mir ewig verbundene Geliebte, und lasse mir die Stille meines Hauses im Zusammenleben mit den guten Kindern durch nichts stören. Übrigens gewähren mir meine Vorlesungen und mein historisches Seminar immer neue Anregung und Erfrischung, ohne die ich mir mein Leben kaum denken kann, und sie bringen mich in täglichen Verkehr mit den Collegen, die ich außerdem nur in unseren gemeinschaftlichen Sitzungen sehe.
Ich fühle mich im Winter wieder gekräftigter als im vergangenen Sommer und habe mich neuen literarischen Arbeiten zugewandt. Ein Chronikenband, der 18., ist vor kurzem zum Abschluß gekommen, den Dir mein Verleger zugeschickt haben wird.2 Meine Dante-Commentare3 hat der beste Dantekenner C. Witte in sehr freundlich zustimmender Weise in der Augsburger Allgemeinen Zeitung vor kurzem besprochen.
Vielen Antheil habe ich an der Rückkehr des Kaisers nach Berlin genommen und mich über die unerwartete Rüstigkeit des edlen Herrn gefreut. Unsere Bubenreuther haben den ältesten Sohn von Zezschwitz als Abgeordneten mit ihrer Burschenschaftsfahne zum Einzug geschickt, worüber der Vater eine ganz besondere Freude empfand.
Der Tod der Großherzogin von Hessen4 hat in anderer Weise mein inniges Mitempfinden hervorgerufen.
Im allgemeinen bekümmere ich mich sonst wenig um die Tagespolitik und lese von Zeitungen wenig mehr als die Augsburger Allgemeine, die ich außer der wissenschaftlichen Beilage meist sehr langweilig finde.
Auch Dein Haus, lieber Manuel, ist gewiß viel stiller geworden, seitdem es der Sohn verlassen hat. Herzlich habe ich mich über seine rasche Beförderung zu einem Wirkungskreis gefreut, der ihm so viel Gelegenheit bietet, seine Kenntnisse der Dinge und Menschen zu erweitern, während er ihm zugleich die wünschenswerthe äußere Selbständigkeit verleiht.
Ich erwarte meinen Sohn Georg, der die Weihnachtszeit auf Urlaub hier zubringen wird, übermorgen und werde dann erst wieder in der Nähe sehen, ob er mehr innere Haltung gewonnen hat und gereifter geworden ist; nach seinen brieflichen Äußerungen war er mit Arbeiten, Lehrstunden und Prüfungen so viel beschäftigt, daß wenig Zeit zu Zerstreuungen übrig geblieben ist. Meiner Tochter Anna, ihrem Mann und Kind in München geht es gut; doch läßt sie den kleinen Otto, der so oft Croup-Anfälle hatte, in dieser Jahreszeit gar nicht aus dem Hause. Lommels freuen sich über ihre neue geräumigere Wohnung, welche in der Friedrichsstraße an der anderen Ecke gegenüber unserer ersten liegt.5 Bei ihnen werden wir am Weihnachtsabend sein, wo ich wieder recht empfinden werde, wie viel ärmer ich geworden bin.
Meine Schwägerin Luise Löffelholz war nicht unbedenklich krank und hat sich vor einigen Tagen einer Operation unterziehen müssen, um einen Polypen im Uterus zu entfernen; hoffentlich ist sie dadurch wenigstens wieder auf eine Reihe von Jahren geheilt, wie sie schon im Jahr 1866 dasselbe Leiden überstanden hat.
Möchte ich in Deinem nächsten Brief wieder Gutes von Deinem Schwiegersohn hören, von dem Du mir schreibst6, daß er sich in ärztliche Behandlung zu Breslau begeben mußte.
Meine herzlichen Grüße an die liebe Clara und Clärchen und meine besten Wünsche zum Weihnachtsfest wie zum Jahreswechsel!