Erlangen 11. Juni 1879
Am Tage der goldenen Hochzeit
des deutschen Kaiserpaars
Lieber Manuel!
Herzlichen Dank für Deine brüderlichen Glückwünsche zu meinem Geburtstag! Gesundheit und Kraft zur Arbeit sind ein herrliches Gut, welches ich mir gern noch für den Rest meiner Jahre, wenn auch mit den durch Alter bedingten Einschränkungen, erhalten sehen möchte. Ich fühle mich oft von innerer Unruhe befallen, wenn das Vermögen hinter dem Willen zurückbleibt, und greife dann die Arbeit mit neuer Hast an, welche nichts Rechtes fördert. An meinem Geburtstag kehrte ich von einer Reise nach Mainz zurück, für welche ich die Pfingstwoche benutzte. Es war dort eine Ausstellung von Stadtansichten und Stadtplänen aus alter und neuer Zeit, die mich besonders interessirte, da ich jetzt mit den Chroniken und der Geschichte von Mainz beschäftigt bin. Zugleich wollte ich das handschriftliche Material | in der dortigen Bibliothek und in dem Stadtarchiv zu Darmstadt einsehen. Man hat mir in Mainz alle Freundlichkeit und viel Ehre erwiesen. Gleich bei meiner Ankunft wurde ich auf der Bahn von zwei Honoratioren empfangen, die mich weiter mit einem größeren Kreis von gebildeten Männern bekannt machten. Ich habe unter diesen auch zwei katholische Geistliche kennen gelernt, die sich in Mainz am meisten unterrichtet bewiesen, mich orientirten und mit gutem Wein bewirtheten. Einige Ausflüge in die Umgegend, bei denen ich durch schönes Wetter begünstigt war, gehörten mit zur Sache. Besonders hübsch traf ich es in Wiesbaden, wo gerade das deutsche Musikfest war und ein glänzendes Feuerwerk im Kurgarten stattfand. Die dortige Sammlung römischer Alterthümer ist nicht minder reichhaltig wie die in Mainz. Kurz, ich habe viel gesehen und zur weiteren Verarbeitung eingesammelt.
In meinem Hause geht es gut. Georg ist seit 3 Wochen als Lieutenant bei dem hiesigen Bataillon angestellt und natürlich sehr befriedigt. Seine Versetzung von Germersheim hieher ist nach Wunsch | erfolgt; der hiesige Major ist ihm freundlich gesinnt und mit den jüngeren Offizieren verkehrt er in so guter Kameradschaft, daß wir ihn nur selten zu sehen bekommen; denn er wohnt auch nicht in meinem Hause, weil sich dies nicht paßte. Bei Lommels haben die Kinderkrankheiten noch nicht aufgehört; immer noch schleichen bei ihnen die Masern herum, die man schon abgethan glaubte, doch sind sie sehr gutartig. Auch Anna’s kleiner Otto ist alle Augenblick erkältet bei seiner ungewöhnlichen Reizbarkeit der Schleimhäute; sie will deshalb im August und September einen Landaufenthalt nehmen, wozu der schön gelegene Ort Ebenhausen aufwärts an der Isar, über Groß-Hesselohe hinaus, ausersehen ist. Bei ihr ist gegenwärtig Eugenie Klein, Felix‘ Schwester, zum Besuch, die wir später auch bei uns erwarten.
Am nächsten Sonntag haben wir Erlanger Professoren eine Zusammenkunft mit den Würzburgern zu Bamberg, an der ich mich betheiligen werde.
Heute ist bei uns die Stadt festlich geschmückt und es ist wunderschönes Wetter. Die Theilnahme an dem Kaiser- | fest ist auch in Bayern allgemein. In München wird sogar ein feierliches erzbischöfliches Hochamt abgehalten trotz Kulturkampf, dessen Wirkungen nur in Mainz lebendig vor Augen traten, während wir hier bei uns nichts davon wissen.
Die liebe Klara sei herzlich von mir gegrüßt!
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Lommel, Eugen Cornelius JosephEugen Lommel10427615018371899Lommel, Eugen Cornelius Joseph (1837–1899), in der Rheinpfalz geborener Physiker und Mathematiker, der von 1854 bis 1858 an der Universität München studierte, Lehrer in der Schweiz und dann Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurde. 1867/68 war er Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und von 1868 bis 1886 Ordinarius an der Universität Erlangen, schließlich an der Universität München. Er war der Ehemann Luise Hegels (1853–1924), der zweitältesten Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878).
Klein, FelixFelix Klein11856286X18491925Klein, Felix (1849–1925), in Düsseldorf geborener Mathematiker, der von 1872 bis 1875 ordentlicher Professor an der Universität Erlangen war, dann bis 1880 an der Technischen Hochschule München, bis 1886 an der Universität Leipzig und bis 1913 an der Universität Göttingen, Ehemann Anna Maria Carolina Kleins, geb. Hegel (1851–1927).
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Mainz50.0012314,8.2762513Etwa 40 Kilometer westlich von Frankfurt am Main gelegene alte kurfürstliche Residenz-, Festungs- und Bischofsstadt am Rhein, die ab 1816 zum Großherzogtum Hessen gehörte.
Darmstadt49.872775,8.651177Etwa 30 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegene Haupt- und Residenzstadt des Großherzogtums Hessen.
Wiesbaden50.0820384,8.2416556Etwa 40 Kilometer westlich von Frankfurt am Main am Rhein und am Südhang des Taunus gelegene ehemalige Residenz- und beliebte Kurstadt.
Germersheim49.2222749,8.36659Linksrheinischer Ort in der Pfalz, der 1816 an das Königreich Bayern fiel und zur Festungs- und Garnisonsstadt mit mehreren Bataillonen und Regimentern der bayerischen Armee ausgebaut wurde.
Ebenhausen47.9788079,11.4534323Etwa 25 Kilometer südwestlich von München an der Isar gelegener Ort.
IsarIm österreichischen Teil des Karwendel-Gebirges entspringender, etwa 290 Kilometer langer Fluß durch Tirol und Bayern, der südlich von Deggendorf in die Donau mündet.
Großhesselohe, Groß Hesselohe48.0667264,11.539517573191047Ausflugsort und Vergnügungspark im Isartal, etwa zehn Kilometer südwestlich der Münchener Innenstadt gelegen.
Bamberg49.8916044,10.8868478Alte Bischofsstadt in Franken, etwa 60 Kilometer nördlich von Nürnberg an der Mündung der Regnitz in den Main gelegen.