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Karl Hegel an Immanuel Hegel, Erlangen, 26. Juli 1879

Liebster Manuel!

Ich freue mich für Euch über das nun endlich eingetretene schöne Sommerwetter. Wie sehr wird es Euch in dem heiteren Ems zu statten kommen! wie viel zuträglicher ist es für die Brunnenkur! Wenn ich nur meine liebste Susanna hätte dorthin bringen können! Leider wurde der Moment, als es noch möglich war, unwiederbringlich versäumt!

Bei Euch in Berlin ist es ja recht bewegt im eigenen Hause wie auf dem Reichstag zugegangen! Ein lieber Besuch hat den andern abgelöst. Wir hier in Erlangen hatten nur einen oder zwei, wenn ich den kurzen von Felix auf 2 Tage mitrechne; 3 Wochen aber war seine Schwester Eugenie bei uns, ein gutes, verständiges und frisches Mädchen, mit dem sich unser Sophiechen vortrefflich unterhalten hat. Da gab es Gesellschaften genug, Gartenfeste mit Theater und Tanzvergnügen, selbst ein solches in unserem Hause, trotz allem schlechten Wetter! Der Lieutenant Georg ist natürlich überall auch dabei und findet hier ganz seine Rechnung; es ist doch besser daß er hier ist und das Familienleben nicht entbehrt! Sophiechen hält seine Sachen in Ordnung und thut durch ihren Einfluß mehr zu seiner Erziehung als ich es vermöchte. Mariechen führt verständig den Haushalt. Unsere Luise ist zu ihrer Erholung und Stärkung in Brückenau. Das viele Kranksein der Kinder an den Masern hat sie doch recht angegriffen trotz der schwäbischen Stütze im Hause; denn die Kinder verlangten immer nur nach der Mutter. Eugen wird sie in Brückenau abholen und dann noch eine Reise nach Stuttgart und weiter mit ihr machen. Von Anna sind gute Nachrichten da, außer daß der kleine Otto fortwährend kränkelt. Sie wird deshalb mit ihm im kommenden Monat aufs Land ziehen nach dem schön gelegenen Ebenhausen an der Isar und daselbst bis Oktober bleiben. Im November erwartet sie – ein Wochenbett!

Meine Reisepläne habe ich jetzt auch fixirt. Ich habe mit meiner Freundin Gervinus ein Zusammenkommen in Bad Rippoldsau am Kniebis im Schwarzwald verabredet und werde Sophiechen, die immer noch nicht frei von leichten Schwindelanfällen ist – vielleicht durch Blutleere – mitnehmen; ich hoffe, daß ihr und mir die Waldluft und die treffliche Quelle gut thun werden. Frau Victorie rühmt beides ganz außerordentlich und hat davon schon den besten Erfolg. Am 6. August denke ich von hier, zunächst nach Stuttgart, abzureisen. Glücklicher Weise bin ich diesmal von Prüfungscommissarien bei den Gymnasien verschont, nicht aber von der Hauptprüfung der Philologen1 im October in München. Mit meiner Gesundheit geht es im ganzen gut.

Die große politische Wendung auf dem Reichstag in Berlin habe ich von weitem mit Staunen betrachtet. Bismark hat wieder etwas Großes geschaffen! er nutzt Personen und Parteien ab und erreicht seinen Zweck auf die eine oder andre Weise. Marquardsen, den ich hier sprach, meint, er werde doch wieder zu ihnen d. h. den Nationalliberalen kommen! Gewiß wird er sich auch nicht vom Centrum und seiner schwarzen Bande regieren lassen. Er ist auf dem Wege den Culturkampf zu beendigen und dann steht noch der neue Militäretat bevor. Was für Aufgaben! Und das Volk wählt – Socialdemokraten!

Schreibe mir doch, wie es Euch geht. Herzlichen Gruß an die liebe Klara.

Dein treuer Bruder Karl.