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Ferdinand Frensdorff an Karl Hegel, Göttingen, 25. September 1879

Hochgeehrter Herr Professor!

Meine Beziehungen zu Dortmund hängen mit einer mich seit längerer Zeit beschäftigenden Ausgabe der mittelalterlichen Statuten der Stadt zusammen, die in dem dritten Band der Hansischen Geschichtsquellen erscheinen soll.

Den Anlaß zu jenem Unternehmen gab der Umstand, daß mir zwei Codices des Dortmunder Raths zu Handen kamen, die bis dahin unbekannt waren und eigentlich die ersten deutschen Statutensammlungen bildeten, die aus dem 14. und 15. Jahrhundert für diese Stadt ans Licht traten. Ich schicke Ihnen die lateinischen Statuten des 13. Jahrhunderts voran, die bisher kritisch noch nicht durchgearbeitet waren, und lasse folgen, was sich sonst noch an statutarischem Material des Mittelalters findet. Augenblicklich beschäftigt mich die Einleitung, die eine Übersicht über Geschichte und Verfassung der Stadt und die Ausbildung ihres Rechts bringen soll.

Diese Arbeit hat mich mit Dr. Rübel in vielfache Beziehung gebracht; ich habe erst häufiger mit ihm correspondirt, bin dann auch selbst zweimal in Dortmund gewesen, um im Archiv zu arbeiten. Die Urkunden des Archivs, das sich jetzt in einem großen Zimmer des Gymnasiums befindet, hat er gut zusammengebracht und in einem ausführlichen Repertorium beschrieben. Das Urkundenbuch, das Dr. Rübel seit längerer Zeit bearbeitet, habe ich nicht gesehen. Gymnasiallehrer Röhn1 kenne ich nicht. Dr. Rübel ist in Dortmund der einzige, der sich mit der Geschichte der Stadt befaßt; er ist der Halt des historischen Vereins für Dortmund und die Grafschaft Mark und hat die drei Hefte Beiträge desselben (Dortmund 18752-78) zum größten Theil geschrieben. Einen Localhistoriker im bedenklichen Sinne des Worts möchte ich ihn nicht nennen. Er ist ein gebildeter Philologe und hat, wie ich meine, auch an Sybels historischem Seminar in Bonn Theil genommen. Sein Fach in der Schule ist hauptsächlich Vortrag der Geschichte. An seinen Arbeiten habe ich auszusetzen, daß sie mir nicht exact genug sind; Urkunden, die er in den citirten Beiträgen veröffentlicht hat, haben bei der Vergleichung mit den Handschriften doch manche Flüchtigkeitsfehler ergeben. In der Dortmunder Geschichte ist er sehr gut zu Hause, kennt das Material besser als irgend jemand, und ihm die Herausgabe der lateinischen Chroniken anzuvertrauen würde wohl unbedenklich sein, wenn sie selbst der Edition werth erscheinen wollen. Mit den Chroniken der Stadt habe ich mich nicht beschäftigt; nach Dr. Rübels eigenen Veröffentlichungen sind aber die deutschen des Johannes Nederhoff und des Joh. Kerkhöve die eigentlich werthvollen, die über das Ende des 14. Jahrhunderts und des 15. Jahrhunderts, für welche man bis jetzt blos auf Urkunden angewiesen ist, gute und eingehende zeitgenössische Mittheilungen geben.

Da Sie gegenwärtig mit Mainz beschäftigt sind, so interresirt Sie vielleicht eine Notiz, die ich Dr. Liebermann verdanke, wenn Ihnen dieß nicht sonst schon bekannt geworden sein sollte. In dem Katalog: Addition Mss. of the British Museum ist unter N. 21220 verzeichnet: a register of cases treid before the magistrates of Mayence from 1398 to 1430. Darauf hin bat ich Dr. Liebermann, sich gelegentlich die Handschrift anzusehen. Er theilte mir mit, daß es eine vorzüglich erhaltene Papierhandschrift in kleinem folio, 456 Blätter, Anfang des 15. Jahrhunderts, die Weisthümer der Mainzer Schöffen resp. Urtheile derselben auf Anfragen Fremder enthalte. Blatt 3: actum feria 5 ipso die Vincula3 Petri anno 98 item her Godelman amotman uff sant Jacobis berge uzwendig heneze gelegen had gefreget: sine herren haben in zu einem amptmanne gearkt, zu finde er zins4.

Ihre Grüße werde ich baldigst bestellen.
In alter Verbundenheit
Ihr Ferdinand Frensdorff.