Karl Hegel an Anna Klein, geb. Hegel, Erlangen, 22. Mai 1880
Zu Deinem Geburtstagsfeste1 finde ich mich wohl als bestberechtigster Gratulant ein. Denn ich habe im Verein mit Deiner lieben seligen Mama und der gleichfalls anwesenden lieben Großmama schon Deinen ersten Geburtstag mit großer Freude gefeiert, und wie oft, unter veränderten Umständen, hat sich seitdem das Jahresfest der ältesten Haustochter erneuert, bis sie mit dem Manne ihrer Wahl hinausgezogen ist und fern von uns verweilt! So sende ich Dir auch diesmal nur brieflich meine treuen Wünsche für Dein Wohlergehen, wie für das von Mann und Kindern, welches auch jenes bedingt. Unter guten Auspicien hat ja für Euch die veränderte Existenz in dem Sendlinger Heim begonnen; möge sie Euch ferner Glückbringend sein!
Ich lege zwei Geburtstagsgeschenke meiner Wahl bei und wünsche, daß sie Dir willkommen seien. Die Arbeits- oder Aufbewahrungstasche wirst Du für Deine Wanderungen oder Fahrten nach München brauchen können, wäre es auch nur zur Abwechselung mit anderen, die Du ohne Zweifel schon hast. Hoffentlich aber ist das Buch für Dich etwas neues oder wenigstens etwas, das Du nicht schon besitzest; im entgegengesetzten Falle magst Du es mir zurückschicken, damit ich es mit einem anderen Gegenstand vertausche. Ich finde die Anlage und Ausführung des Buchs vortrefflich, die Illustrationen belehrend und ergötzlich.
Deine Geschwister werden sich gleichfalls mit ihren brieflichen Glückwünschen einstellen. Ich lege nach Deinem Wunsch den Brief von Sophiechen bei, den sie außer 2 Correspondenzkarten an mich gerichtet hat, unter Vorbehalt der Zurücksendung bei Gelegenheit. Wie es allen ergeht, brauche ich Dir darum nicht zu sagen.
Von Berlin habe ich seit mehreren Wochen nichts gehört und weiß nur aus der Zeitung, daß Maria von Bitter glücklich entbunden worden ist.2 Heute erhielt ich die betrübende Todesanzeige von ihrem Schwiegervater, dem Präsidenten, der schon im Winter einen leichten Schlaganfall erfahren hatte und darauf in den Adelsstand versetzt worden ist, der als erblich auch auf seine Söhne übergeht.
Mögest Du uns bald wieder mit guten Nachrichten erfreuen. Meinen herzlichen Gruß an Felix.