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Karl Hegel an Immanuel Hegel, Erlangen, 4. Juli 1880

Lieber Manuel!

Du wirst in diesen Tagen einen neuen Band der Städtechroniken, XVI. Braunschweig II1, durch Hirzel erhalten, woran ich selbst nichts gethan habe, als nur das Werk weiter zu fördern. Ich selbst bin mit Mainz2 beschäftigt.

In meinem Hause und bei Lommels ist alles wohl. Mein Sophiechen ist vor 14 Tagen aus Düsseldorf und Bonn zurückgekehrt; sie war 5 Wochen bei Kleins, mit deren Tochter Eugenie sie befreundet ist, und noch eine Woche bei Bechmanns, welche erst in diesem Frühjahr von hier aus nach Bonn übergesiedelt sind. Sie hat die Reise ganz tapfer allein zurückgelegt und viel Schönes gesehen, mit vielen Menschen verkehrt; mit ihrem verständigen und klaren Wesen findet sie sich überall leicht zurecht. Marie waltet im Hause zu meiner vollen Zufriedenheit. Georg hält sich gut im Militärdienst und genießt nebenbei das Leben der Gesellschaft, soviel ihm dazu Gelegenheit geboten wird. Mundel bereitet sich zur Abiturientenprüfung vor, die in diesem Monat stattfinden soll, ohne sich besonders anzustrengen; eine Erholungsreise nach München, wohin ihn die Schwester eingeladen hat, ist ihm versprochen. Wie oft denke ich an meine liebe Susanna und betraure, daß sie sich nicht mehr an ihren herangewachsenen Kindern erfreuen kann! Sie selbst haben das beste Erbtheil von ihrer lieben Mutter empfangen. Bei Lommels sind die Kinderkrankheiten des Frühjahrs glücklich überstanden. Luise ist zur neuen Stärkung, deren sie bedarf, gestern nach Franzensbad abgereist, wo sie mit einer hiesigen Freundin zusammentrifft; Sophiechen vertritt ihre Stelle bei Beaufsichtigung des Hauswesens mit 5 Kindern und 3 Dienstboten.

Von Kleins Berufung habe ich Dir wohl schon geschrieben.3 Sehr ehrenvoll ist dieser Ruf und sehr erwünscht die Zurückversetzung von dem Polytechnicum an eine große Universität, wo er nun wohl sein Verbleiben haben wird. Es ist auch zu hoffen, daß das mildere Klima ihm und dem kleinen Otto mehr zusagen wird. Sie werden im September umsiedeln. Anna will aber mit ihren beiden Kindern vorher noch ein paar Wochen bei uns sein.

Die Nürnberger sehe ich selten. Neulich war ich jedoch zu Linens Geburtstag hinübergegangen und nahm theil an einem sog. Familienabend bei Theodor auf Schoppershof. Dieser ist jetzt in Karlsbad. Den beiden Familien Grundherr und der Löffelholzischen geht es wohl.

Ich wünsche Dir nachträglich Glück zu der Geburt Deines jüngsten Enkel. Hoffentlich geht es Deiner Tochter Marie gut. Ich habe das Hinscheiden des trefflichen Präsidenten Bitter beklagt und Frau von Bitter meine Theilnahme ausgesprochen; wie findet sie sich in ihre Lage? und wie wird sie ihr Leben einrichten?

Willy war bei Euch; ist über seine Versetzung schon etwas entschieden? Die bischöfliche Verwaltung in Paderborn wird wohl nicht so bald wiederhergestellt? oder kann dies durch Berufung eines Generalvicars geschehen?

Ich bin sehr einverstanden damit, daß die abgesetzten Bischöfe nicht zurückkehren, aber auch mit der möglichen Milderung der Maigesetze, ohne die Interessen des Staats preiszugeben. Wie viel durch das neue Gesetz in der einen oder andern Beziehung wirklich erreicht ist, vermag wohl niemand zur Zeit recht zu übersehen.

Ich denke, daß Du nächstens wieder Deine alljährliche Erholungsreise mit Clara antreten wirst. Wohin wird sie gehen und welcher Art wird sie sein? Meinerseits habe ich noch keinen festbestimmten Plan gefaßt; Marie soll mich begleiten in die Schweiz, wo ich mich vielleicht in Interlaken festsetze; in der zweiten Woche des August hoffe ich fortzukommen.

Herzliche Grüße an die liebe Clara und Clärchen, sowie auch an Marie, die ich zu ihrem jüngsten Kinde beglückwünsche.

Dein Bruder Karl.