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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Berlin, 11. Mai 1881

Lieber Karl!

Deinen lieben Brief vom 2ten dieses Monats1, der mir Deine glückliche Rückkehr in die Heimath mittheilt2, beantworte ich mit der Nachricht, daß nun auch meine beiden Klaras ins Bayernland eingezogen sind. Am Freitag3 Nachmittag reisten sie von hier ab, begrüßten in Leipzig Deine beiden Töchter auf dem Bayerschen Bahnhof, fuhren in der Nacht durch Erlangen, wo sich diesmal nicht gut ein Aufenthalt machen ließ4, und kamen nach 7 Uhr Morgens nach Augsburg und bald darauf auch nach Goeggingen. Die ersten Eindrüke sind im Ganzen befriedigend, namentlich ist der Verkehr mit den beiden Fräulein von Below, welche im Hause ihre unmittelbaren Nachbarinnen sind, sehr angenehm und wird auch Klärchen an ihnen einen erwünschten Anhalt haben. Die Umgebung in der Natur scheint wenig darzubieten und das Leben wird sehr einförmig sein. Sobald Clara die Ueberzeugung haben wird, daß Klärchen ohne zu große gemüthliche Beschwerniß den Aufenthalt allein werde fortsetzen können, wird sie mit Freuden die Rükkehr beschleunigen, jedoch vorher jedenfalls die Verwandten in München besuchen und auch bei Dir eine kurze Station machen. Inzwischen hause ich hier allein, jedoch bei viel Arbeit ohne Langeweile, werde mich aber sehr freuen, wenn ich meine Frau wieder bei mir habe, obwohl ich mein liebes Kind im Hause sehr vermissen werde; ich wünsche nur sehr, daß es ihm, wenn es dann allein zurükbleibt, nicht gar zu bange sein möchte; übrigens ist Klärchen ganz wohlgemuth hingegangen.

Es ist mir eine angenehme Aussicht, daß meine Einsamkeit im Hause durch den Besuch meines Schwagers Adalbert aus Metz wird unterbrochen werden. Da er von seiner Krankheit wieder ganz hergestellt ist, so will er in der nächsten Woche sich zum Reichstag hier wieder einfinden. Es sind da die Stimmen genau zu zählen sowohl wegen der Beschlußfähigkeit, als wegen der Abstimmung bei den wichtigen Gesetzen, welche noch zur Berathung stehen. Viel wird zwar bei der Zersplitterung der Partheien nicht mehr zu Stande kommen und das Frühjahr treibt Jeden nach Hause.

Mit herzlichen Grüßen an Deine Kinder

Dein Bruder Immanuel