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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Mittenwald, 1. August 1881

Lieber Karl!

Wir waren sehr erfreut durch Deinen lieben Brief vom 27sten vorigen Monats1, der uns glücklich erreicht hat. Das vorgeschlagene rendez-vous in Tegernsee nehmen wir mit Vergnügen an, und denken etwa den 12ten dieses Monats – Freitag – von Salzburg aus einzutreffen.2 Es gefällt uns hier in Mittenwald sehr wohl; wir haben hier eine angenehme Wohnung, gute Verpflegung, und führen ein stilles Leben in herrlicher Umgebung. Die Hitze läßt sich auch in der reinen Gebirgsluft wohl vertragen, indem wir uns weiterer anstrengender Märsche enthalten. Von Fremden giebt es hier nur Leipziger, die seit Jahren hier Station gemacht haben; freundliche umgängliche Leute, welche nicht genieren. In voriger Woche war es mehrere Tage recht frisch und dies ermuthigte uns zu größeren Spaziergängen nach dem Barmsee und auf den Hohen Cranzbergen. Es fehlt aber auch in der Nähe nicht an Wasserfällen, Klammen, Gebirgsseen und dergleichen Herrlichkeiten, welche Klaras kunstgeübte Hand in Bewegung setzen, während ich mit verschiedener Lektüre die Zeit vertreibe. Eine sehr schöne Parthie zu Wagen unternahmen wir bei herrlichem Wetter nach dem Walchensee, welcher uns großen Genuß bereitete. Am nächsten Freitag wollen wir von hier aufbrechen, nach Innsbruck, wo man doch einen Tag zubringen muß; dann über Achensee, Zell am See nach Salzburg, wo es sich verlohnt, einen Aufenthalt zu machen. Dagegen werden wir Berchtesgaden wegen zahlreicher Berliner Bekannten, die dort verweilen, vermeiden; eher möchte ich Klaras Wunsch, der Erinnerung halber Reichenhall wieder zu sehen, erfüllen und so werden wohl 8 Tage vergehen, bevor wir in Tegernsee anlangen. Es dürfte nützlich sein, wenn Du mir nach Salzburg – poste restante3 – von Eurer Ankunft in Tegernsee und Wohnsitz eine Postkarten- Nachricht gebest, so wie ich Dir von dort unsere Ankunft in Tegernsee anmelden werde.

Deine Mittheilungen über die Reden von Stoecker und Wagner sind mir von großem Interesse gewesen, und ich wünsche Deiner Wahlagitation4 – trotz Hitze – den besten Erfolg.

Clara grüßt herzlich, und in der Hoffnung unseres Wiedersehens

Dein Bruder
Immanuel