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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 12. Februar 1882

Theurer Freund!

Mit vielem Antheil habe ich von Ihrem Schwager Schelling vernommen, daß Sie Ihren jüngsten Sohn durch Diphtheritis verloren haben. Ich würdige der Eltern großen Schmerz nach demjenigen, welchen meine selige Frau und ich im gleichen Fall aufs tiefste empfunden haben. Man fragt sich vergeblich, warum uns ein liebes Kind1, das unsere ganze Freude war, entrissen werden mußte? Wir empfinden beständig die schmerzliche Bürde in unserem Hause, welches gerade das jüngste Kind am meisten belebte, und es bleibt uns nichts als die wehmüthige Erinnerung an seine liebe Gestalt und sein frohes harmloses Wesen. Der Sorge und Schmerzen des Lebens ist es selbst für immer entflohen. Am beklagenswerthesten ist die Mutter!

Ich widme ihr und Ihnen, lieber Freund, mein inniges Beileid. In anderer Weise hat, nur vor wenigen Wochen, uns und einen großen Kreis von Arbeitsgenossen das frühe und unerwartete Hinscheiden unseres liebenswürdigen Freundes Stumpf aufs schmerzlichste betroffen! Wer hätte im vorigen Frühjahr gedacht, daß nach dem trefflichen Nitzsch er, der frischeste und lebendigste unter uns Veteranen, zuerst und vor uns, den Älteren, dahin gehen werde! Ich habe noch nicht erfahren, an welchem schweren Leiden er erkrankt und gestorben ist. Damals, als ich die Nacht hindurch mit ihm nach Nürnberg fuhr und er am längsten unter uns gesprächig blieb, war noch keine Spur davon zu bemerken. Wie werden wir ihn künftig vermissen! Er hatte ein lebendig anregendes Wesen, wie wenige, und lebte in seiner Wissenschaft. Es muß ihm eine gewisse Beruhigung vor seinem Sterben gewährt haben, daß er noch seine Acta inedita vollenden konnte.2

Leben Sie wohl, theurer Freund, und empfehlen Sie mich Ihrer verehrten Frau Gemahlin.
In Treue der Ihrige
Carl Hegel.