Mit vielem Antheil habe ich von Ihrem Schwager Schelling vernommen, daß Sie Ihren jüngsten Sohn durch Diphtheritis verloren haben. Ich würdige der Eltern großen Schmerz nach demjenigen, welchen meine selige Frau und ich im gleichen Fall aufs tiefste empfunden haben. Man fragt sich vergeblich, warum uns ein liebes Kind1, das unsere ganze Freude war, entrissen werden mußte? Wir empfinden beständig die schmerzliche Bürde in unserem Hause, welches gerade das jüngste Kind am meisten belebte, und es bleibt uns nichts als die wehmüthige Erinnerung an seine liebe Gestalt und sein frohes harmloses Wesen. Der Sorge und Schmerzen des Lebens ist es selbst für immer entflohen. Am beklagenswerthesten ist die Mutter!
Ich widme ihr und Ihnen, lieber Freund, mein inniges Beileid. | In anderer Weise hat, nur vor wenigen Wochen, uns und einen großen Kreis von Arbeitsgenossen das frühe und unerwartete Hinscheiden unseres liebenswürdigen Freundes Stumpf aufs schmerzlichste betroffen! Wer hätte im vorigen Frühjahr gedacht, daß nach dem trefflichen Nitzsch er, der frischeste und lebendigste unter uns Veteranen, zuerst und vor uns, den Älteren, dahin gehen werde! Ich habe noch nicht erfahren, an welchem schweren Leiden er erkrankt und gestorben ist. Damals, als ich die Nacht hindurch mit ihm nach Nürnberg fuhr und er am längsten unter uns gesprächig blieb, war noch keine Spur davon zu bemerken. Wie werden wir ihn künftig vermissen! Er hatte ein lebendig anregendes Wesen, wie wenige, und lebte in seiner Wissenschaft. Es muß ihm eine gewisse Beruhigung vor seinem Sterben gewährt haben, daß er noch seine Acta inedita vollenden konnte.2
Leben Sie wohl, theurer Freund, und empfehlen Sie mich Ihrer verehrten Frau Gemahlin.
In Treue der Ihrige Carl Hegel.
1Gottlieb Friedrich Hegel (1867-1874) war das jüngste Kind Karl Hegels und seiner Frau Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, das früh, infolge einer Diphtherieinfektion verstarb; vgl. dazu insbesondere Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 213 f.2Vgl. dazu DB .
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Waitz, GeorgGeorg Waitz
HiKo
11905914218131886Waitz, Georg (1813–1886), in Flensburg geborener Historiker, der nach einem breiten geisteswissenschaftlichen, juristischen und theologischen Studium an den Universitäten Kiel und Berlin 1836 promoviert wurde. Nach seiner Tätigkeit bei den Monumenta Germaniae Historica wurde er 1842 ordentlicher Professor der Geschichtswissenschaft an der Universität Kiel, wechselte 1848 als Ordinarius an die Universität Göttingen und wurde 1858 Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Als er 1875 Präsident der Monumenta Germaniae Historica in Berlin wurde, ging er gleichzeitig an die Universität Berlin. Er war in erster Ehe mit Clara Schelling (1818–1857), einer Tochter des Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling (1775–1854), verheiratet, in zweiter Ehe mit Helene Franziska Friederike Hartmann (1831–1915), einer Tochter des Generals Georg Julius Hartmann (1774–1856).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Bundesarchiv Berlin: Nachlaß Waitz, N 2321
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BA Berlin1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel, SusannaSusanna Hegel-18121812Hegel, Susanna (* † 1812), Tochter Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1880–1831) und Maria Helena Susanna Hegels, geb. Tucher (1891–1855), Schwester Karl Hegels (1813–1901).
Hegel, Gottlieb (Friedrich)Gottlieb Friedrich Hegel-18671874Hegel, Gottlieb (Friedrich) (1867–1874), achtes und jüngstes Kind Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878). Er wurde am 22. November 1867 im elterlichen Haus in Erlangen geboren und starb dort am 31. März 1874 an der Bräune.
Hartmann, Helene Franziska Friederike, verh. Waitz11711533918311915Hartmann, Helene Franziska Friederike (1831–1915), Tochter des Gernerals Georg Julius Hartmann (1774–1856), war die zweite Ehefrau des Historikers Georg Waitz (1813–1886), die er 1861, vier Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau Clara Waitz, geb. Schelling (1818–1857), heiratete.
Stumpf(-Brentano), Karl FriedrichKarl Friedrich Stumpf-Brentano11736354518291882Stumpf(-Brentano), Karl Friedrich (1829–1882), in Wien geborener österreichischer Historiker, der an den Universitäten Olmütz und Wien Rechtswissenschaften und Geschichte studierte. 1856/57 wurde er Professor an der Rechtsakademie in Preßburg und war von 1861 bis 1882 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Innsbruck. Im Jahre 1875 wurde er Gründungsmitglied der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica in Berlin und war Mitglied des Verwaltungsausschusses des Germanischen Nationalmuseumsin Nürnberg.
Nitzsch, Karl WilhelmKarl Wilhelm Nitzsch11702386818181880Nitzsch, Karl Wilhelm (1818–1880), in Zerbst geborener Historiker, der nach seinem Studium an den Universitäten Kiel und Berlin, hier vor allem bei Leopold Ranke (1795–1886), 1842 in Kiel promoviert wurde und sich 1844 nach einer Italien-Reise auch habilitierte. Zunächst Privatdozent, wurde er an der Universität Kiel 1848 außerordentlicher und 1858 ordentlicher Professor der Geschichtswissenschaft und wechselte 1862 als Ordinarius an die Universität Königsberg und 1872 an die Universität Berlin.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Diphtheritis (Diphtherie)Schwere akute bakterielle Infektionskrankheit vornehmlich der oberen Atemwege speziell des Kehlkopfes, die unbehandelt zumeist tödlich endet.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis