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Heinrich Brunner an Karl Hegel, Berlin, 12. Oktober 1882

Hochgeehrter Herr College!

Beiliegend erlaube ich mir Ihnen unter Kreuzband einen Separatabdruck aus dem jüngsten Hefte der Zeitschrift für Rechtsgeschichte zu senden, um an die Übersendung eine Bitte zu knüpfen. Den Aufsatz Sippe und Wergeld, der Ihnen die Zeit kaum lohnen dürfte, bitte ich auf alle Fälle zunächst zu überschlagen. Dagegen mache ich Sie auf den Anhang über die Quellen des sogenannten Rheingauer Landrechts aufmerksam. Da er nur circa ein Dutzend Seiten füllt, dürfte es nicht unbescheiden sein, wenn ich sie bitte ihn durchzulesen. Es handelt sich dabei um ein Opus Bodmanns. Anfangs war ich Willens Bodmann geradezu der Fälschung zu zeihen. Da nur aber Sprachgermanisten sagten, daß Bodmann den mittelhochdeutschen Text unmöglich fabricirt haben kann und da ältere Historiker die Möglichkeit einer Fälschung von Seite des „trefflichen“ Bodmann zurückweisen, so beschränkte ich mich auf das im Texte Gesagte. Etwas anderes stellt sich nun die Sache, seit ich höre, daß Sie jüngst in München dem Bodmann Fälschung und Flunkerei nachgewiesen haben. Ich bin auch jetzt zwar noch der Überzeugung, daß Bodmann eine echte mittelhochdeutsche Übersetzung der beiden fremden Rechtsquellen vorgeschlagen hat, glaube aber nunmehr bestimmt, daß Bodmann sämmtliche Beziehnungen auf den Rheingau hineingefälscht hat.

Auf alle Fälle aber wäre es mir von großem Interesse von Ihnen zu erfahren, ob Ihnen bei Ihren Untersuchungen über die Mainzer Quellen eine Spur von dem pagina 87 erwähnten Codex membranaceus der Kurmainzischen Regierungsregistratur2 vorgekommen ist oder ob etwa deren Codex zu denjenigen gehört, die Bodmann erdichtet hat.

Für Ihre freundliche Antwort im Voraus besten Dank sagend
mit ausgezeichneter Hochachtung
Heinrich Brunner
Berlin. W.3 Matthäi-Kirchstraße 4.