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Berthold Litzmann an Karl Hegel, Kiel, 29. Mai 1883

Hochgeehrter Herr Kollege!

Vielleicht erinnern Sie sich noch des Frühlings, den wir mit unserem gemeinsamen Freunde 1 in Greifswald zusammen 2. Der Grund meines gegenwärtigen Schreibens ist, Sie um eine gütige Auskunft über die Korrespondenz Ihres Herrn Vaters zu bitten. Seit mehreren Jahren in meinen Mußestunden beschäftigt, die Materialien zu einer Biographie Hoelderlin’s zu sammeln, habe ich natürlich seinem Verhältnis zu ihrem Herrn Vater besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Korrespondenz beider ist, wie ich annehme, so weit sie vorhanden, durch Schwab veröffentlicht.3 Dagegen ist die Korrespondenz Ihres Herrn Vaters mit Schelling, wie ich von Waitz, an den ich mich hiemit gewandt4, nur theilweise bisher publiciert. In den veröffentlichten Briefen beider ist mehrfach von Hoelderlin die Rede. Sie würden mir einen großen Dienst erweisen, wenn Sie die Güte hätten, mir folgende Fragen zu beantworten.

  • 1. Existieren noch ungedruckte Briefe aus der Zeit, in welcher Ihr Herr Vater nach Frankfurt kam bis zu seiner Uebersiedlung nach Jena? Oder ist der diesen unmittelbar vorhergehende Brief Ihres Herrn Vaters an Schelling aus Frankfurt vom 2. November 1800 (l. Rosenkranz Hegel’s Leben S. 142 ff.)5 oder einige aus dieser Zeit erhalten? (Anmerkung: d. h. an Schelling, da wohl in der Korrespondenz mit diesem allein eine Auskunft über seine Beziehungen zu Hoelderlin während ihres Zusammenlebens in Frankfurt zu finden ist.)
  • 2. Existieren noch unabgedruckte Briefe aus den Jahren 1803–1804 nach Schelling’s Weggang von Jena? Rosenkranz sagt in seiner Biographie, die Briefe Ihres Herrn Vaters seien bis auf einen, den er abdrucken läßt (vom 16. November 1803) nicht mehr vorhanden. In den „Aus Schellings Leben. In Briefen herausgegeben von Plitt“6 sind aber mehr Briefe Ihres Herrn Vaters aus dieser Zeit an Schelling dem Datum nach erwähnt. Es liegt mir besonders daran zu wissen, ob eine Antwort Ihres Herrn Vaters auf Schelling’s Brief vom 11 Juli 1803 aus Cannstadt („Aus Schelling’s Leben“. S. 465 ff.) muthmaßlich vom 18. August 1803 noch vorhanden ist. Schelling hatte das traurige Niedergehen mit Hoelderlin geschildert und gefragt, ob ihr Herr Vater geneigt sei sich seiner anzunehmen, wenn Hoelderlin nach Jena käme, wozu er Lust habe.

Ich wiederhole also meine Bitte, mir diese Fragen gütigst zu beantworten, sowie überhaupt, wenn Ihnen etwa über das Verhältnis Ihres Herrn Vaters zu seinem schwäbischen Landsmann bekannt ist, das bisher noch keine Erwähnung gefunden hat, geneigtest darüber Mittheilung zu machen.