Deine Briefe haben mich sehr erfreut; ich meine hier den Geburtstagsbrief und den letzten. Mein Geburtstag bedeutete allerdings einen wichtigen Lebensabschnitt für mich und darum auch für Euch, meine lieben Kinder, weil er die gewöhnliche Grenze des menschlichen Lebens bezeichnet und man sich auf das bald eintretende Ende immer mehr vorbereiten muß. Mit meinem eignen Leben habe ich abgeschlossen, aber Eure Zukunft bleibt meine Sorge, die ich Gott überlassen muß.
Mit Eurem Prachtgeschenk habt Ihr mir eine unerwartete Freude gemacht. Ich sehe es manchmal mit Marie in der Abendstunde mit Vergnügen an. Es wird ein werthvolles Besitzthum in der Familie bleiben.
Mariechen hat Dir ohne Zweifel geschrieben, daß wir | an dem schönen sonnigen Tage mit Georg und den drei älteren Lommelskindern eine Ausfahrt nach Heroldsberg über Neukirchen zurück gemacht haben. Die Kinder besonders haben uns dabei durch ihr Vergnügtsein bei dem vielen neuen, das ihnen begegnete, unterhalten.
Du hast Dein Mädi glücklich nach Düsseldorf gebracht und bist dort, wie zu erwarten, gut aufgenommen worden. Ich glaubte, es würde das stillere Leben daselbst Dir zu einer Art Abkühlung gereichen und Dir den Übergang zu dem noch stilleren Erlangen erleichtern. Allein es fehlt auch dort nicht, wie ich sehe, an Vergnügen, das durch den Reiz der Neuheit erhöht wird, und so wird der Abstand sicher groß sein. Sage den Eltern Klein, Eugenie und Alfred meine besten Grüße und jenen insbesondere meinen herzlichen Dank für die gütige Aufnahme, die Du bei ihnen gefunden. Du hast nun an Deine baldige Abreise zu denken, für die ich Dir keinen | bestimmteren Termin setzen will. Ganz einverstanden bin ich damit, daß Du Frau Bechmann um ein Nachtquartier in Bonn ersuchst, und sollte es aus irgend einem Grund bei ihr nicht zu haben sein, so wird sie Dir leicht ein anderes, namentlich bei Stintzings, verschaffen. Letztere mußt Du auf alle Fälle besuchen, wie Du auch bei Bechmanns nicht mit einer Nacht davon kommen wirst, sondern auf einen, wenn nicht zwei Tage rechnen mußt.
Daß Du mit Deinem Gelde nicht verschwenderisch umgegangen bist, glaube ich auch Deiner Versicherung; ich weiß wohl, was solch‘ eine Reise mit allem was daran hängt, kostet. Ich schicke Dir in einigen Tagen 60 Mark, damit Du auf alle Fälle genug hast, vielleicht noch etwas zurückbringst.
Heute haben wir hier einen kühlen Regentag. Gestern aber war es schön und wir benutzten dies zu einem Besuch in Nürnberg, da donnerstags der Empfangsabend bei Grundherrs auf dem Glockenhof ist. Mariechen ging schon vormittags hinüber und aß bei ihrer Tante Marie. |
Nachmittags trafen wir uns zusammen in Gibitzenhof, wo jetzt Löffelholz mit Familie wohnt. Er hat das Häuschen sehr anmuthig zum gemüthlichen Wohnen eingerichtet und beschäftigt sich mit Vorliebe mit seinen Obstbäumchen, die er pfropft und pflegt. Wir haben ihn und die ganze Familie sehr heiter und liebenswürdig gefunden. In Begleitung von beiden Luisen, Mutter und Tochter, gingen wir dann den weiten Weg nach Glockenhof, wo wir eine vornehme und durch viele Jugend belebte Gesellschaft antrafen. Es ging dabei sehr ungenirt zu und wir haben uns beide gut unterhalten, trennten uns aber schon um ½ 9, um nicht bis Mitternacht auf dem Bahnhof zu bleiben. Auch war so eben aus Schweinfurt die Nachricht von der Ankunft eines neuen Enkeleins eingetroffen, welches Tante Lina heute selbst betrachten will; sie wollte am frühen Morgen abreisen. August und Marie gingen nicht mit nach Glockenhof; auch waren sonst nur wenige Verwandte da, Stephanie mit ihren Söhnen und Frau v. Schirnding.
Wann die Taufe bei Lommels sein wird, ist immer noch nicht bestimmt. Heute verabschiedete sich das Ehepaar Kerrer: Du weißt wohl, daß er Director der großen Anstalt zu Klingenmünster in der Pfalz geworden ist?
Lebe wohl, mein liebes Kind, möge es Dir wohlgehen in Düsseldorf und auf der Reise. Grüße in Bonn Bechmanns und Stintzings aufs beste von
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
Klein, Alfred 11621091518541929Klein, Alfred (1854–1929), Bruder des Mathematikers Felix Klein (1849–1925), Jurist.
Stintzing, Franziska Karoline Charlotte, geb. BokelmannFranziska Karoline Stintzing, geb. Bokelmann11726003718281908Stintzing, Franziska Karoline, geb. Bokelmann (1828–1908), Ehefrau des Juristen Roderich Stintzing (1825–1883).
Stintzing, RoderichRoderich Stintzing10127505618251883Stintzing, Roderich (1825–1883), in Altona geborener Rechtswissenschaftler, der von 1841 bis 1848 an den Universitäten Jena, Heidelberg, Berlin und Kiel studierte und 1852 in Heidelberg promoviert wurde. Im Jahre 1854 wurde er ordentlicher Professor für Römisches Recht an der Universität Basel. Nach seinem dortigen Rektorat wechselte er von 1857 bis 1870 an die Universität Erlangen und anschließend bis zu seinem Tode an die Universität Bonn. Wie in Basel war er auch in Erlangen (1864/65) und in Bonn (1875/76) jeweils Rektor bzw. Prorektor.
Bechmann, Georg Karl August11886906X18341907Bechmann, Georg Karl August (1834–1907), in Nürnberg geborener Rechtswissenschaftler, der nach Studium an den Universitäten München und Berlin, Promotion an der Universität Erlangen und Habilitation an der Universität Würzburg ordentlicher Professor an den Universitäten Basel (1862–1864), Marburg (1864), Kiel (1864–1870), Erlangen (1870–1880), Bonn (1880–1888) und München (1888–1907) war, in Kiel (1869/70), Erlangen (1876/77) und München (1894/95) auch Prorektor beziehungsweise Rektor.
Grundherr, Adolf108003427718481908Grundherr, Adolf (1848–1908), in München geborener vielseitiger bildender Künstler, vor allem Maler und Graphiker. Sein Vater war der königlich bayerische Offizier Sigmund Grundherr von Altenthann und Weiherhaus (1797–1873). Nach dem Abitur am Münchener Maximilians-Gymnasium im Jahre 1868 studierte er an der Universität München zunächst Rechtswissenschaften, wechselte aber 1871 an die Nürnberger Kunstgewerbeschule und ein Jahr später an die Münchener Kunstakademie, um sein ganzes Leben der Kunst zu widmen.
Löffelholz, Ludwig (Louis) Georg Karl116913792X18151906Löffelholz, Ludwig (Louis) Georg Karl (1815–1906), ab 1860 Ehemann von Antoinette Luise Löffelholz, geb. Crailsheim (1831–1861), nach deren Tod ab 1865 Ehemann von Luise Caroline Marie, geb. Tucher (1836–1901), Oberst der königlich bayerischen Armee, Schwager Karl Hegels.
Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Lommel, Eugen Cornelius JosephEugen Lommel10427615018371899Lommel, Eugen Cornelius Joseph (1837–1899), in der Rheinpfalz geborener Physiker und Mathematiker, der von 1854 bis 1858 an der Universität München studierte, Lehrer in der Schweiz und dann Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurde. 1867/68 war er Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und von 1868 bis 1886 Ordinarius an der Universität Erlangen, schließlich an der Universität München. Er war der Ehemann Luise Hegels (1853–1924), der zweitältesten Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878).
Kerrer, N. N., geb. N. N.-Kerrer, N. N., geb. N. N., Ehefrau des Anstaltsleiters der Kreis-Irrenanstalt in Klingenmünster.
Kerrer, Ferdinand-Kerrer, Ferdinand, ab 1883 dritter Direktor der im Jahre 1857 eröffneten Kreis-Irrenanstalt in Klingenmünster in der Rheinpfalz.
Heroldsberg49.5331766,11.1526565Etwa zwölf Kilometer nordöstlich von Nürnberg und etwa 16 Kilometer südöstlich von Erlangen gelegener Marktort an der Gründlach im Sebalder Reichswald.
Neunkirchen am Brand49.6126495,11.1300058Etwa elf Kilometer östlich von Erlangen und etwa 22 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegener Marktort.
Düsseldorf51.2254018,6.7763137Ehemalige Bergische Residenzstadt am Rhein, etwa 36 Kilometer nördlich von Köln gelegen, Stadt der preußischen Rheinprovinz ab 1822 mit Parlaments- und Verwaltungssitz, während der Sitz des Oberpräsidenten in Koblenz war.
BonnAuf eine römische Gründung zurückgehende alte kurfürstliche Residenzstadt am Rhein mit menschlichen Besiedlungsspuren, die ca. 14.000 Jahre zurückreichen, nach französischer Herrschaft ab 1815 eine Stadt des Königreiches Preußen, etwa 30 Kilometer nördöstllich von Köln gelegen.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Gibitzenhof49.4317288,11.067027166676805Etwa drei Kilometer südlich des Nürnberger Stadtzentrums gelegenes Dorf, das 1899 nach Nürnberg eingemeindet wurde. Der dortige Herrensitz gehörte von der Mitte des 15. Jahrhunderts an der Familie Löffelholz von Kolberg.
Schweinfurt50.0499945,10.233302Etwa 130 Kilometer östlich von Frankfurt am Main und etwa 100 Kilometer nordwestlich von Nürnberg am Main zwischen Steigerwald im Osten und Spessart im Westen gelegene ehemalige Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches, die von 1810 bis 1814 zum kurzlebigen Großherzogtum Würzburg gehörte und dann an das Königreich Bayern fiel. Im Jahre 1852 entstand ein Bahnanschluß.
Klingenmünster49.1395457,8.0187576Etwa 65 Kilometer südwestlich von Mannheim in der Rheinpfalz gelegene Gemeinde, die sich um das im 7. Jahrhundert entstandene Reichskloster Klingenmünster bildete. Im Jahre 1857 wurde dort eine Kreis-Irrenanstalt eröffnet, deren dritter Direktor 1883 Ferdinand Kerrer wurde.
MarkIm Jahre 1871 eingeführte Währung des Deutschen Reiches, die in 5, 10 und 20 Stücken geprägt wurde. Da sie eine zu einem Drittel goldgedeckte Währung war, wurde sie auch als Goldmark bezeichnet.
Glockenhof (Nürnberg)Seit 1765 gehörte der südöstlich vor der Nürnberger Altstadt gelegene Herrensitz der Familie von Grundherr.