Betreff:
Berufung eines ordentlichen
Professors der Geschichte
Nachdem an uns die Aufforderung ergangen ist, Vorschläge zur Berufung eines ordentlichen Professors der Geschichte zu machen, sei uns gestattet, zuvörderst einiges über die leitenden Gesichtspunkte vorauszuschicken, von denen wir bei unseren Anträgen ausgegangen sind.
Wir haben bereits in unserem Bericht an den königlichen akademischen Senat vom 24. Juli vorigen Jahrs in Betreff des Gesuchs des Unterzeichneten um theilweise Enthebung von seiner Lehrthätigkeit1 darauf hingewiesen, wie es unmöglich wäre, die Vertretung des weit umfassenden Gebiets der Allgemeinen Geschichte einem einzigen Professor zu übertragen, und daß gleichwie dasselbe beinahe ausnahmslos an allen anderen deutschen, österreichischen und schweizerischen Universitäten mit mehreren Professoren besetzt ist, dies auch früher eine Zeit lang an der hiesigen Universität der Fall war. Demnach haben wir es als ein dringendes Bedürfniß bezeichnet, zwei ordentliche Professoren anzustellen, von denen der eine vorzugsweise die mittlere, neue und deutsche Geschichte, der andere die des Alterthums zu lehren hätte, oder aber, in Ermangelung der nöthigen Geldmittel, für die letztere Stelle vorläufig einen außerordentlichen Professor zu berufen.
Dabei verhehlten wir uns freilich nicht, daß die Neubewilligung von Geldmitteln, welche für zwei Professuren ausreichend wären, kaum zu hoffen sei, und so ist solche in der That jetzt nur für eine ordentliche Professur erfolgt. Dagegen hat sich seitdem durch den Abgang des ausserordentlichen Professors Schmid, die Möglichkeit aufgethan, eine neue ausserordentliche Professur der Geschichte zu schaffen. Wir erlauben uns, einen besonderen hierauf bezüglichen Antrag2 gleichzeitig mit dem vorliegenden zu stellen.
der Philosophie, XaverWenn es sich hier nun darum handelt, Vorschläge für die Besetzung einer ordentlichen Professur der mittleren, neueren und deutschen Geschichte zu machen, so mußte bei der Umschau unter den jüngeren Historikern und Universitätsdocenten unser Augenmerk in erster Linie auf die in Bayern befindlichen gerichtet sein. Denn immer und von jeher haben wir als selbstverständlich angesehen und als Grundsatz befolgt, daß Berufungen von auswärts her nur dann in Aussicht zu nehmen und zu beantragen seien, wenn sich nicht gleich tüchtige wie bewährte Kräfte in oder aus unserem Heimatlande fänden.
Nun sind wir bei jetziger Gelegenheit in Universität vorschlagen zu können, unter denen selbst es uns nicht leicht wird, einem vor dem andern den Vorzug zu geben: so nahezu gleichwiegend sind ihre Verdienste.
dem glücklichen Falle, sogar drei ausgezeichnete Docenten des historischen Fachs an der MünchenerEs sind, um sie nach der Folge nicht ihres Lebensalters, sondern ihres Alters als Privatdocenten zu nennen:
Dr. Friedrich von Bezold,
Dr. Felix Stieve,
Dr. August von Druffel.
Der erste hat sich 1875, der zweite 1876, der dritte 1878 in München an der Universität habilitiert. Alle drei wurden nach einander von der Historischen Commission bei der dortigen Akademie der Wissenschaften als Mitarbeiter zugezogen: zuerst, schon 1864, Dr. von Druffel für die Herausgabe der Wittelsbachischen Correspondenz der älteren bay’rischen Abtheilung im 16. Jahrhundert, dann 1868 Dr. Stieve für die Herausgabe derselben von der jüngeren bayrischen Abtheilung und zuletzt 1872 Dr. von Bezold für die der älteren pfälzischen Abtheilung.3 Alle drei wurden von der Historischen Commission bei deren 25jährigen Jubelfeier im vergangenen Herbst, 1883, würdig befunden, als ausserordentliche Mitglieder derselben vorgeschlagen zu werden und sind darauf als solche von seiner Majestät, dem Könige, bestätigt worden.
Die litterarischen Arbeiten, durch welche sich die Genannten verdient gemacht haben, sind größtentheils aus den Studien und Editionen hervorgegangen, mit welchen sie von der Historischen Commission beauftragt waren und für welche ihnen durch diese die nöthigen Geldmittel, sowie jede Art der Unterstützung, ja der denkbarsten Bequemlichkeit auf liebevollste Weise gewährt wurden.
Dr. von Bezold hat sich, bevor er bei der Historischen Commission eintrat, hauptsächlich mit der deutschen Geschichte im 15. Jahr- önig Sigmund und die Reichskriege gegen die Hussiten. Abtheilung 1–3. 1872-1877.4
hundert beschäftigt und in dieser die Hussitenkriege bearbeitet: Zur Geschichte des Hussitenkriegs. 1874. KAls Mitarbeiter bei der Historischen Commission hat er: Die Briefe des Pfalzgrafen Johann Casimir mit einer Einleitung über die pfälzische Politik, Bd. I. 1882 und Bd. II. 1884 herausgegeben.
Ausserdem sind noch andere werthvolle Aufsätze und Abhandlungen von ihm erschienen, zuletzt über Conrad Celtis den Erzhumanisten in von Sybels Historischer Zeitschrift. 1883.
Die litterarischen Leistungen des Dr. Stieve bewegen sich sämmtlich auf dem Gebiet der deutschen Geschichte zu Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts mit besonderem Bezug auf Bayern: Die Reichsstadt Kaufbeuern und die bay-
rische Restaurationspolitik. 1870. Der Ursprung des 30jährigen Kriegs. Bd. I. Der Kampf um Donauwörth. 1875. Die Politik Bayerns 1591–1607. 1878. (Eine ausführliche Darstellung mit Beilagen von Briefen und Acten.)Ausserdem hat derselbe eine Reihe von Abhandlungen theils in den Sitzungsberichten, theils in den Abhandlungen der Münchener Akademie veröffentlicht, auch in einer öffentlichen Sitzung derselben die Festrede über Churfürst Maximilian I. 1882. gehalten.
Dr. von Druffel hat sich schon durch seine Erstlingsschrift: Kaiser Heinrich IV. und seine Söhne. 1862., vortheilhaft bekannt gemacht. Seine späteren Arbeiten beziehen sich auf das Spezialgebiet der deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts oder die Regierungszeit Kaiser Karls V.: Beiträge zur Reichsgeschichte 1546–1552, oder Briefe und Acten zur Geschichte des 16. Jahrhunderts Bd. 1–3, 1873-82. Viglius van Zwichem, Tagebuch des Schmalkaldischen Kriegs. 1874.
In den Abhandlungen der Münchener Akademie ist von ihm erschienen: Beitrag zur militärischen Würdigung des Schmalkaldischen Krieges, 1882. Kaiser Karl V. und die römische Curie in den Jahren 1544–1546 in 3 Abtheilungen 1877–1883.
Vorlesungen haben die drei Genannten an der Universität gehalten:
Dr. von Bezold über die Geschichte der römischen Kaiserzeit und die Geschichte des deutschen Humanismus, beide mehrere mal, und einmal über die deutsche Geschichte im späteren Mittelalter.
Dr. Stieve über die Geschichte Deutschlands zur Zeit der Gegenreformation und über die Geschichte Frankreichs im 16. und 17. Jahrhundert, beide wiederholt, und einmal über die Geschichte des 30jährigen Kriegs und über die neuere Geschichte Bayerns.
Dr. von Druffel über die Concilien im 15. und 16. Jahrhundert, über Karl V. und seine Zeit (wiederholt), über die Geschichte der Päpste im 15. und 16. Jahrhundert, die Geschichte Frankreichs im 16. und 17. Jahrhundert, über die deutsche Geschichte von Rudolph von Habsburg bis zum westfälischen Frieden.
Von den litterarischen Arbeiten derselben sind gleichmäßig zu rühmen die gründliche Forschung, die sichere historische Methode der Behandlung und die gewandte Darstellung, so daß in dieser Beziehung kaum ein Grund des Vorzugs des einen vor dem andern gefunden werden könnte. Auch was den Bereich ihrer Vorlesungen angeht, stehen sie sich darin ungefähr gleich, daß er als ein ziemlich beschränkter erscheint, was sich dadurch erklärt, daß sie ihre Hauptkraft ihren schriftstellerischen Arbeiten zugewendet haben. Das umgekehrte Verhältniß müßte bei dem an unsre Universität zu berufenden Pro-
fessor stattfinden, da es hier darauf ankommt, durch mehr übersichtlich gehaltene Vorträge das Interesse für historische Studien bei einem nicht bloß auf Historiker und Philologen beschränkten Zuhörerkreis zu wecken oder zu beleben. Und wenn hierbei hauptsächlich die Gabe des gewandten, eindringenden und anziehenden Vortrags in Frage steht, so wäre für uns derjenige Universitätslehrer vorzuziehen, der solche in höherem Maße besitzt. Es ist aber nach allem was wir selbst wissen und von Anderen erfahren haben, sowie nach dem äußeren Erfolg zu urtheilen, unzweifelhaft, daß Dr. Stieve unter den drei Genannten durch ausgezeichnete Lehrbegabung hervorragt, während Dr. von Bezold in dieser Beziehung hinter den beiden anderen zurücksteht.Nur Ein Umstand könnte wohl in anderer Richtung den Ausschlag geben, wenn nämlich besonders auf das religiös confessionelle Bekenntniß des zu berufenden Historikers gesehen würde, falls man von der Ansicht aus- enannte Altkatholiken sind.
ginge, daß die Erlanger Universität auch in dem Fache der Geschichte, wie in dem der Theologie, die Sache des Protestantismus zu vertreten habe, und daß die hier Studierenden, insbesondere Theologie Studierenden, Geschichte von keinem andern als einem protestantischen Lehrer hören sollten. Alsdann würde allein Dr. von Bezold unter den Genannten in Betracht kommen, da die beiden andern Katholiken, wenn auch frei gesinnte oder sogDem gegenüber bekennen wir uns aber zu dem Grundsatz, daß der Vertreter der historischen Wissenschaft an einer Universität sich gänzlich fern halten solle von confessioneller Geschichtsbehandlung, und erklären, daß wir keinen zur Berufung an unsere Universität vorschlagen würden, von dem eine solche zu erwarten wäre. Von allen drei genannten Persönlichkeiten gilt jedoch in gleicher Weise, daß sie in ihren Schriften die reine Höhe der Wissenschaft angestrebt haben, und insbesondere ist von Dr. Stieve und Dr. von Druffel zu rühmen, daß sie gerade in der von ihnen bearbeiteten Zeitperiode der deutschen Geschichte, wo die confessionellen Gegensätze und Parteiungen am stärksten hervortraten, diesen wissenschaftlichen Standpunkt streng gewahrt haben.
Aus diesen Erwägungen sind wir zu dem Beschluß gekommen, für die Besetzung der ordentlichen Professur für mittlere, neuere und deutsche Geschichte, sowie der zweiten Directorenstelle bei dem Historischen Seminar, welche mit dieser Professur zu verbinden ist, die drei genannten Docenten in folgender Reihenfolge vorzuschlagen:
primo loco: Dr. Felix Stieve,
secundo: Dr. August von Druffel,
tertio: Dr. Friedrich von Bezold;
und deren Berufung nach eben dieser Ordnung zu beantragen.
Wir ersuchen den Königlichen akademischen Senat diesen unsern Antrag bei der höchsten Stelle angelegentlichst zu befürworten.