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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 11. Mai 1884

Theurer Freund!

Herzlichen Dank für Ihre neue Auflage Verfassungs-Geschichte IV, worin Sie überall die neuste Litteratur berücksichtigt, sich mit abweichenden Meinungen auseinandergesetzt haben. Auch ich würde Ihnen dazu Veranlassung geben können.1 Denn was sagen Sie zu meiner Ketzerei, daß ich nicht an die Immunität der königlichen Güter ‚nach altem Herkommen’ glaube, daß Königsgut und Immunität an sich ein Widerspruch ist? Da man nicht unterschied zwischen dem was des Königs und dem was des Staates (publicum) ist (S. 6 Anmerkungen). Die Bestimmungen der Immunitätsprivilegien: Ausschließung des Judex publicus, Überlassung der Einkünfte des Fiscus, haben keinen Sinn für die königlichen Güter. Der Judex oder actor der villa regia war ebenso gut ein öffentlicher Beamter, wie der Graf oder Centenar, wurde auch wie diese sonst im Staatsdienst gebraucht, im Heer, bei der Grenzwache, bei Gesandtschaften (De villis c. 16) und richtete über die Freien wie über die Unfreien (c. 52-56). Wenn der Ausdruck Immunität bisweilen im 9 Jahrhundert auch von den königlichen Gütern gebraucht oder diese unter den Immunitäten mit begriffen sind, so ist dies offenbar nur nach der Analogie geschehen, daß sie gleichfalls abgesonderte Herrschaften und Gerichtsbezirke bildeten (Verfassungs-Geschichte IV, 319). Im Edictum Pistense 864 c. 18 wurde sie doch noch ausdrücklich unterschieden. In der Stelle Syn. Mogunt. 847 c. 62 ist, wie ich sie auffasse, nur von der Immunität die Rede, welche der König den Kirchen verliehen hat (). Ich gebe diese Einwendungen Ihrer hochverständigen Prüfung anheim.

Vielleicht zu sagen: Immunitäten dergl. des Landguts; was der und sicher hatte auf andre übertragen.3

Dadurch seiner […] […] gleichgestellt.4

Herr Archivar Arthur Wyß hat meine Edition der Mainzer Chroniken5 einer schlechten Kritik unterzogen6, und Wattenbach gibt ihm in allen Punkten, wie es scheint, Recht und versetzt mir selbst noch einen Seitenhieb (ich habe nicht presentato7 in den Text gesetzt, weil das keinen Sinn gibt, es könnte nur presentatus heißen). Mit Arthur Wyß werde ich mich auseinandersetzen: sein diplomatisch genaues Verfahren in der Rechtschreibung scheint mir bei einer äußerst fehlerhaften Handschrift nicht wohl angebracht.8

Der Angriff Scheffer Boichorsts gegen Wegeles Buch hat mich empört. Ich finde mich um so mehr dazu aufgefordert für meinen Freund einzutreten, als ich leider überzeugt bin, daß sein Groll davon herrührt, daß das Buch mir gewidmet ist und Wegele sich auch in der Dinofrage mit mir einverstanden erklärt hat.9

Von Koppmann höre ich seit lang nichts. Der Druck der Lübecker Chroniken10 steht seit vergangenem Herbst so gut wie still. Ich werde noch heute einen Mahnbrief an ihn schicken.

Ob dieser mein Brief Sie wohl noch in Berlin findet? Möchte Ihnen die sengende Hitze des schönen Italiens11 nichts schaden!

Mit herzlichem Gruß in die Ferne, falls Sie schon dort sind, und besten Wünschen für die Früchte, die Sie daselbst gewinnen werden
Ihr treu ergebener
Carl Hegel.