Berlin den 20sten Mai 1885
Lieber Karl!
Du hast uns durch Deinen Brief vom 17ten dieses Monats und die mancherlei darin enthaltenen Nachrichten sehr erfreut und ich beeile mich ihn zu beantworten, um Dir noch meine guten Wünsche zur Reise nach Rostock zum hanseatischen Geschichtsverein auszusprechen. Es war dort seiner Zeit ein gemüthlicher Aufenthalt und ich denke immer noch mit herzlichem Dank an unsere verschiedentlichen Besuche in Rostock und Warnemünde, wo damals die beiden liebenswürdigen Frauen Susanne und Friederike noch in unserer Mitte waren. Wieviel hat sich seitdem verändert und Du wirst nur wenige Freunde und Bekannte dort noch finden; ob noch Karsten dort lebt? Jetzt wirst Du vielleicht Mejer als Präsident des Landes-Konsistoriums in Hannover begrüßen. Es ist mir seine Berufung in diese wichtige und schwierige Stelle zweifelhaft; er ist mir Streber und schwankend in seinem Standpunkte; auch wird er mehr Professor, als praktischer | Kirchenmann; dazu gehört geistliche Erfahrung, unbefangene Beurtheilung der vorhandenen Zustände und eine umsichtige Behandlung der geistlichen und der kirchlichen Bewegungen. Er kann leicht, wie unser, jetzt verstorbener Herrmann, durch Unklarheit, unnöthigen Eifer und diletantisches Geltendmachen seiner Person Schiffbruch leiden.
In Leipzig überbringe Deiner lieben Anna unsere herzlichen Glückwünsche zu ihrem Geburtstag. Wir werden morgen auch den Geburtstag unserer Marie feiern, die nun schon 37 Lebensjahre vollendet; denn sie war ein Kind des Jahres 1848, hat aber doch davon keine revolutionären Neigungen mitbekommen und lebt in glüklichen Verhältnissen mit Mann und liebenswürdigen Kindern. Sie haben kürzlich den schmerzlichen Verlust der Mutter Bitter erfahren, welche nach mehrwöchentlicher schwerer Krankheit an einem Herzleiden gestorben; sie war noch nicht 66 Jahre alt und bis dahin im Ganzen rüstig gewesen. Sie bewahrte auch in ihrer Krankheit ihren ungewöhnlich klaren und nüchternen Verstand in der gewünschten Ordnung aller Verhältnisse. Marie hat jetzt die | schwierige Aufgabe der vollständigen Auflösung des Hausstandes zu erfüllen, was durch die friedliche einmüthige Verständigung der Brüder über die Theilung des Nachlasses wesentlich erleichtert wird.
Die von Dir berichteten Veränderungen in Thätigkeit und Stellung Deiner beiden Söhne Georg und Siegmund sind recht erfreulich. Dagegen empfinden wir mit herzlicher Theilnahme den Verlust, welcher Dir durch die Berufung von Lommel nach München zu drohen scheint. Es ist ihm die größere Wirksamkeit daselbst mit anderen Vortheilen wohl sehr zu gönnen, und in höherem Alter würde ihm eine solche Veränderung gewiß schwerer fallen. Aber für Dich bringt es eine schmerzliche Trennung und Vereinsamung Deines Lebens.
Zum Pfingstfest werden wir einer freundlichen Einladung nach Pessin im Havelland zu Knoblauchs wie in früheren Jahren Folge leisten. Klärchen und Willy bleiben hier; letzterer steckt tief in der Arbeit und erstere wird in den drei Tagen unserer Abwesenheit zu Marie übersiedeln. Am folgenden Donnerstag | beabsichtigt Clara nach Breslau zur Feier der silbernen Hochzeit ihres Bruders Adalbert zu reisen und wird wohl an 8 Tagen fortbleiben. Wir müssen uns dann hier inzwischen so gut es geht zu helfen wissen so wie es auch Deine Kinder während Deiner Reise mit Fassung und Verstand gewiß thun werden.
Von Clara und unseren Kindern habe ich herzliche Grüße zu bestellen. Deinen freundlichen Gruß an Theodor werde ich bei nächster Gelegenheit bestellen; er wird dadurch sehr erfreut werden.
In herzlicher Liebe und treuen Wünschen
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
.
Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Mejer, Otto11755468518181893Mejer, Otto (1818–1893), in Zellerfeld im Harz geborener Jurist, der nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Göttingen, Berlin und Jena von 1837 bis 1841 in Göttingen promoviert und zum Privatdozenten ernannt wurde. Als ordentlicher Professor an den Universitäten Königsberg (1847–1850), Greifswald (1850/51), Rostock (1851–1874), wo er Kollege und Hausnachbar Karl Hegels war, und Göttingen (1874–1885) befaßte er sich als evangelisch-lutherischer Christ vor allem mit Kirchengeschichte und Kirchenrecht. Nach seiner Emeritierung war er von 1885 bis zu seinem Tode Präsident des Landeskonsistoriums der Hannoverschen Landeskirche.
Herrmann, Emil11674702118121885Herrmann, Emil (1812–1885), in Dresden geborener Kirchenjurist, der von 1829 bis 1832 an der Universität Leipzig Rechtswissenschaften studierte, 1834 promoviert wurde und sich dort habilitierte. Im Jahre 1836 wurde er an der Universität Kiel außerordentlicher, 1842 ordentlicher Professor und wechselte 1847 auf einen Lehrstuhl an der Universität Göttingen, 1868 an der Universität Heidelberg. Von 1864 bis 1872 war er in der Nachfolge Moritz August Bethmann-Hollwegs (1795–1877)
, Friedrich Julius Stahls (1802–1861)
und Karl Immanuel Nitzsch‘ (1787–1868) Präsident des von 1848 bis 1872 bestehenden Deutschen Evangelischen Kirchentags, anschließend bis 1878 Präsident des Evangelischen Oberkirchenrates in Preußen.
Bitter, Rudolf11619799418461914Bitter, Rudolf, der Jüngere (1846–1914), in Merseburg geborener preußischer Verwaltungsjurist und Politiker, Sohn (Hans) Rudolf Bitters, des Älteren (1811–1880), und Anna Bitters, geb. Nauen, 1819–1885) sowie Ehemann Marie Bitters, geb. Hegel (1848–1925). Nach seinem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Berlin, Bonn und Lausanne ging er im Jahre 1873 in den preußischen Verwaltungsdienst in Posen, wurde 1875 Landrat im schlesischen Kreis Waldenburg, wechselte von 1882 bis 1888 und in den Jahren 1898/99 (als Ministerialdirektor) ins preußische Innenministerium, wurde 1888 Regierungspräsident in Oppeln, 1899 Oberpräsident der Provinz Posen. Von 1879 bis 1888 war er als Mitglied der Freikonservativen Fraktion Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Hegel, Sigmund (Mundel, Mundulus, Munerle)Sigmund Hegel11657085718631945Hegel, Sigmund (1863–1945), sechstes Kind (zweiter Sohn) Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), Mitglied des Corps Onoldia in Erlangen, Chemiker, Kaiserlicher Geheimer Regierungsrat am Reichspatentamt in Berlin.
Lommel, Eugen Cornelius JosephEugen Lommel10427615018371899Lommel, Eugen Cornelius Joseph (1837–1899), in der Rheinpfalz geborener Physiker und Mathematiker, der von 1854 bis 1858 an der Universität München studierte, Lehrer in der Schweiz und dann Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurde. 1867/68 war er Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und von 1868 bis 1886 Ordinarius an der Universität Erlangen, schließlich an der Universität München. Er war der Ehemann Luise Hegels (1853–1924), der zweitältesten Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878).
Knoblauch, Kurt Friedrich Karl-18291894Knoblauch, Kurt Friedrich Karl (1829–1894), Herr auf Pessin, ältester Sohn Friedrich Wilhelm Knoblauchs (1798–1852) und seiner Gemahlin Pauline Johanne Franziska Knoblauch, geb. Bardeleben (1811–1884), Ritterschaftsdirektor der Mittelmark.
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Flottwell, Adalbert JuliusAdalbert Julius Flottwell11663105818291909Flottwell, Adalbert Julius (1829–1909), in Marienwerder geborener Sohn Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und seiner zweiten Ehefrau Auguste Flottwell, geb. Lüdecke (1794–1862), der nach seinem 1849 begonnenen Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Berlin preußischer Beamter und Politiker wurde. Verheiratet mit Ella (Else) Flottwell, geb. Oppen-Gatersleben (1841–1916), war er von 1861 bis 1868 Landrat von Meseritz in der Provinz Posen, gleichzeitig von 1866 bis 1868 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, dann von 1868 bis 1872 Landesdirektor im Fürstentum Waldeck-Pyrmont, von 1872 bis 1875 Kabinettsminister im Fürstentum Lippe, von 1875 bis 1880 Regierungspräsident in Marienwerder, dazu von 1878 bis 1881 Mitglied des Deutschen Reichstages, sowie ab 1880 Präsident des seit 1871 bestehenden preußischen Bezirks Lothringen in Metz. Bis 1902 war er schließlich Direktor der Schlesischen Bodenkreditbank.
Rostock54.0886707,12.1400211Hansestadt an der Ostseeküste des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin mit der 1419 gegründeten ältesten Universität im Ostseeraum.
Warnemünde54.1779039,12.0812875Von Rostock früh erworbener Ort an der Mündung der Warnow in die Ostsee, der den Zugang zum Meer sichern sollte und sich im 19. Jahrhundert zu einem Seebad entwickelte.
Hannover (Stadt)52.3744779,9.7385532Ehemalige welfische Residenz- und Festungsstadt und bis 1866 Hauptstadt des Königreichs Hannover, dann Hauptstadt der preußischen Provinz Hannover, etwa 300 Kilometer westlich von Berlin an der Leine gelegen.
Leipzig51.3406321,12.3747329Am Zusammenfluß von Weißer Elster, Pleiße und Parthe gelegene Universitäts- und Messestadt in Sachsen.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Pessin52.642457,12.6636913Etwa 55 Kilometer nordwestlich von Berlin und etwa 30 Kilometer nördlich von Brandenburg an der Havel im Havelland gelegene Gemeinde.
HavellandLand an der Havel westlich von Berlin und östlich der Elbe, das im Norden zwischen Oranienburg und Rhinow liegt und im Süden auf die Höhe der Städte Potsdam und Brandenburg reicht.
Breslau51.1089776,17.0326689Etwa 380 Kilometer südöstlich von Berlin gelegene Hauptstadt der preußischen Provinz Schlesien am Oberlauf der Oder, die als Herzogtum Schlesien im Jahre 1742 vom Erzherzogtum Österreich an das Königreich Preußen überging.
Hansischer GeschichtsvereinVerein zur Erforschung der Geschichte der Hanse und der Hansestädte, der am 24. Mai 1870 in der Hansestadt Stralsund gegründet wurde. Seit 1871 erscheinen die „Hansischen Geschichtsblätter“ als wissenschaftliche Zeitschrift.