Berlin den 18ten Juli 1885
Lieber Karl!
Zunächst bringe ich Dir meine herzlichsten Glückwünsche zu der Geburt zweier Enkel, welche wir über Leipzig durch Deine Sophie erfahren haben. Möge der Herr die beiden Kinder und ihre lieben Mütter gnädig bewahren, damit die Väter, Mütter und Du als Großvater Ihr Euch dieses Segens ungetrübt erfreuen möget; denn es ist mit solcher Freude auch immer manche Sorge verbunden, in welcher wir der Gnade Gottes bedürftig sind.
Zur Erfüllung Deiner Wünsche bei der Bearbeitung der Briefe des Vaters hat Clara sich Mühe gegeben, die Lebensläufe nach den beiden Stellen zu durchforschen und giebt Dir in der Anlage über den Ertrag nähere Auskunft. Die Lebensläufe werden in meinem Haus auch hochgeachtet und ich habe sie zu verschiedenen Zeiten mit großem Interesse und reicher Ausbeute in die Hand genommen; es ist darin eine merkwürdige Fülle des Geistes und der | Lebenserfahrung und die erste Ausgabe in vier Bänden von 1778-1741 mit den reizenden Kupferstichen von Chodowicki ist mir ein werthvolles Andenken. Da das jüngere Geschlecht von der etwas weitläufigen Lektüre alter Werke Nicht abgeschreckt wird, so habe ich meinen Kindern die neuere abgekürzte Ausgabe von Oettingen in Dorpat geschenkt; bis jetzt haben sie aber dieselbe noch wenig beachtet.
Nach dem Brief des Vaters an Hölderlin habe ich vergeblich gesucht. Das Gedicht Eleusis findet sich in dem von mir verwahrten Konvolut; aber ein Konzept des Briefes ist darin nicht vorhanden.
Wir machen jetzt die Vorbereitungen zu unserer Abreise; am nächsten Donnerstag dem 23sten dieses Monats Abends denke ich, so Gott will, mit Clara und Klärchen nach der Schweiz abzureisen. Zunächst über Regensburg in einer Tour nach München und am Sonnabend über Lindau und Rorschach nach dem von Dir im vorigen Jahr bestens empfohlenen Walzenhausen. Das eigentliche Ziel ist Engelberg am Titlis in Obwalden, welches mir für Lunge | und Nerven gerathen ist. Dort kann ich aber bei einem großen Andrang der Gäste erst am Montag den 3ten August currentis im „Engel“ beim Dr. Cabanis Aufnahme finden, und muß daher für die vorhergehende Woche erst einen anderen Aufenthalt suchen. Ich habe nun die Pension Rheinburg zu Walzenhausen angefragt, ob wir dort Unterkommen erhalten können; hoffentlich werden wir dort nicht abgewiesen, sonst würden wir uns anderswohin wenden müssen; denn ich möchte die Abreise nicht länger hinausschieben. Wenn ich mich auch von meiner letzten Krankheit erholt habe, so sind doch meine Kräfte sehr verbraucht und ich bedarf sehr des Ausruhens und der Stärkung. Das Alter macht doch seine Rechte geltend.
Willy muß zur Vertretung älterer Kollegen im Ministerium noch hier verweilen und kann erst am 22sten August seinen Urlaub antreten; er beabsichtigt wieder die Schneeberge in Tyrol aufzusuchen. Marie verweilt jetzt mit Mann und Kindern zur Kur in Kudowa in der Grafschaft Glatz. Zum Schluß will Rudel mit ihr ohne Kinder noch eine Tour in die Alpen unternehmen.
Du wirst doch gewiß auch zu Deiner Erholung einen Aufenthalt im Gebirge | aufsuchen und uns davon Nachricht geben, entweder nach hierher bis zum 23sten dieses Monats oder nach Engelberg in Obwalden, Schweiz, bei Ed. Cattani im „Engel“ vom 3ten August ab. Denn mit Walzenhausen ist es noch zweifelhaft. Zunächst wirst Du aber wohl noch die Taufe bei Lommels mitfeiern; wir wünschen herzlich, daß dort wie bei Kleins ein ungetrübter Verlauf des Wochenbetts stattgefunden und bitten Dich, ihnen unsere wärmsten Glück- und Segenswünsche auszusprechen.
Mit herzlichen Grüßen
Dein
Immanuel
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Frühe Schriften I, hrsg. von Friedhelm Nicolin und Gisela Schüler (= Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Gesammelte Werke, Bd. 1), Hamburg 1989
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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Frühe Schriften I, hrsg. von Friedhelm Nicolin und Gisela Schüler (= Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Gesammelte Werke, Bd. 1), Hamburg 1989.
1989
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Klein, FelixFelix Klein11856286X18491925Klein, Felix (1849–1925), in Düsseldorf geborener Mathematiker, der von 1872 bis 1875 ordentlicher Professor an der Universität Erlangen war, dann bis 1880 an der Technischen Hochschule München, bis 1886 an der Universität Leipzig und bis 1913 an der Universität Göttingen, Ehemann Anna Maria Carolina Kleins, geb. Hegel (1851–1927).
Lommel, Eugen Cornelius JosephEugen Lommel10427615018371899Lommel, Eugen Cornelius Joseph (1837–1899), in der Rheinpfalz geborener Physiker und Mathematiker, der von 1854 bis 1858 an der Universität München studierte, Lehrer in der Schweiz und dann Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurde. 1867/68 war er Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und von 1868 bis 1886 Ordinarius an der Universität Erlangen, schließlich an der Universität München. Er war der Ehemann Luise Hegels (1853–1924), der zweitältesten Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878).
Hegel, Georg Wilhelm FriedrichGeorg Wilhelm Friedrich Hegel https://www.deutsche-biographie.de/sfz28648.html#ndbcontent11854773917701831 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770–1831), Philosoph, Ehemann Maria Helena Susanna Hegels, geb. Tucher (1791–1855), Vater Karl und Immanuel Hegels , von 1808 bis 1816 Gymnasialrektor und Schulrat in Nürnberg, ordentlicher Universitätsprofessor für Philosophie von 1816 bis 1818 an der Universität Heidelberg und von 1818 bis 1831 an der Universität Berlin.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Chodowiecki, Daniel Nikolaus11852051217261801Chodowiecki, Daniel Nikolaus (1726–1801), in Danzig geborener Maler, Zeichner, Kupferstecher und Radierer mit einer großen Hinterlassenschaft seiner sehr geschätzten Werke.
Oettingen, Alexander11873607818271905Oettingen, Alexander (1827–1905), aus der Nähe Dorpats in Estland stammender deutsch-baltischer evangelisch-lutherischer Theologe, der an den Universitäten Dorpat, Erlangen, Berlin, Bonn und Rostock studierte. 1856 wurde er in Dorpat zunächst außerordentlicher, dann ordentlicher Professor und entwickelte bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1890 die Wissenschaftsdisziplin „Sozialethik“.
Hölderlin, Friedrich11855198117701843Hölderlin, Friedrich (1770–1843), im württembergischen Lauffen am Neckar geborener Dichter, der im Tübinger Stift Freundschaft mit den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854) schloss. Er verfiel im Laufe seines Lebens nach mehreren persönlichen Schicksalsschlägen immer mehr in den Wahnsinn und verbrachte nach einer längeren, damals als fortschrittlich angesehenen Zwangstherapie, die nicht zur Heilung führte, seit 1807 seine zweite Lebenshälfte bis zu seinem Tod 1843 in einem Turmzimmer in Tübingen, dem sogenannten „Hölderlin-Turm“, wo er in der Hausgemeinschaft seiner Pflegefamilie lebte, weiter dichtete und als „Tübinger Attraktion“ auch Besucher wie z. B. den Dichter Eduard Mörike (1804–1875) empfing.
Cabanis, N. N.-Cabanis, N. N., Dr. in Engelberg.
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Bitter, Rudolf11619799418461914Bitter, Rudolf, der Jüngere (1846–1914), in Merseburg geborener preußischer Verwaltungsjurist und Politiker, Sohn (Hans) Rudolf Bitters, des Älteren (1811–1880), und Anna Bitters, geb. Nauen, 1819–1885) sowie Ehemann Marie Bitters, geb. Hegel (1848–1925). Nach seinem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Berlin, Bonn und Lausanne ging er im Jahre 1873 in den preußischen Verwaltungsdienst in Posen, wurde 1875 Landrat im schlesischen Kreis Waldenburg, wechselte von 1882 bis 1888 und in den Jahren 1898/99 (als Ministerialdirektor) ins preußische Innenministerium, wurde 1888 Regierungspräsident in Oppeln, 1899 Oberpräsident der Provinz Posen. Von 1879 bis 1888 war er als Mitglied der Freikonservativen Fraktion Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Cattani, Eduard-18411908Cattani, Eduard (1841-1908) Sohn des Gastwirts des Hotels „Zum Engel“ in Engelberg, Maurus Cattani. In verschiedenen politischen Funktionen in seiner Heimatstadt und im Kanton Obwalden förderte er sehr den begonnenen Tourismus durch Neubauten von Hotels und einer Kuranstalt sowie den Ausbau des Straßennetzes und Einführung von Elektrizität und Telefon.
Leipzig51.3406321,12.3747329Am Zusammenfluß von Weißer Elster, Pleiße und Parthe gelegene Universitäts- und Messestadt in Sachsen.
Dorpat58.3801207,26.72245Universitätsstadt in Estland, die seit 1721 zum russischen Zarenreich gehörte.
SchweizIn Kantone eingeteilte Republik im Nordwesten der Alpen zwischen Bodensee im Nordosten und Genfer See im Südwesten, an Frankreich, den Deutschen Bund, Liechtenstein, Österreich und Italien grenzend.
Regensburg49.0195333,12.0974869An der Donau gelegene alte Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches, wo ab 1663 der Immerwährende Reichstag stattfand, sowie Residenz- und Bischofsstadt, etwa 200 Kilometer nordwestlich von Linz entfernt.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Lindau47.550753,9.6926624Seit 1806 Stadt und Insel des Königreiches Bayern, am Nordostufer des Bodensees gelegen.
Ro(h)rschach47.4779686,9.4914025Schweizer Kurort am südöstlichen Bodensee im Kanton St. Gallen gelegen.
Walzenhausen47.4506581,9.6017721Etwa zehn Kilometer südöstlich von Rorschach im Appenzeller Vorderland oberhalb des Rheins gelegene Schweizer Gemeinde.
Engelberg46.8223497,8.4043996Etwa 80 Kilometer südlich von Zürich und südlich des Vierwaldstätter Sees gelegene Schweizer Gemeinde, die auf eine Benediktinerabtei zurückgeht. Das Kloster Engelberg wurde im Jahre 1120 gegründet.
Titlis46.7720386,8.4377808Etwa sechs Kilometer südöstlich von Engelberg in der Schweiz gelegener, 3238 Meter hoher Berg in den Urner Alpen.
Obwalden49.4545965,11.0786725Deutschsprachiger Kanton in der Zentralschweiz mit Sarnen als Hauptort.
Schneeberg(e)47.5802699,12.0939148Etwa 80 Kilometer nordöstlich von Innsbruck in der Nähe Kufsteins gelegenes Feriengebiet.
Tirol (Tyrol)Inmitten der Alpen im westlichen Österreich und an der Nordgrenze Italiens gelegene Landschaft, vom Inn als größtem Fluß durchflossen. Der Paß über den 1370 Meter hohen Brenner gehört zu den wichtigsten Alpenübergängen, der auch die Hauptorte Innsbruck im Norden und Bozen im Süden miteinander verbindet.
Kudowa50.445785650000005,16.25414734199097Etwa 120 Kilometer südwestlich von Breslau gelegenes Kur- und Heilbad in Niederschlesien nahe der böhmischen Grenze.
Glatz50.43371175,16.642246491692106Die von der Glatzer Neiße durchflossene Grafschaft, etwa 90 Kilometer südwestlich von Breslau gelegen, fiel mit dem Hubertusburger Frieden 1763 an das Königreich Preußen.
AlpenHöchstes, bis über 4800 Meter hohes Gebirge zwischen Mittel- und Südeuropa, das sich über 1200 Kilometer hinweg in einem weiten, zwischen 150 und 250 Kilometer breiten Bogen vom ligurischen Teil des Mittelmeeres im Westen bis in die ungarische Ebene im Osten erstreckt.